Pistorius zu Ringtausch-Plan "Ich weiß nichts von diesem Angebot"
Großbritannien hat Deutschland offenbar vorgeschlagen, der Ukraine über einen Ringtausch Marschflugkörper zu liefern. Verteidigungsminister Pistorius sagt, er sei in solche Diskussionen nicht eingebunden. In der Ampel mehren sich kritische Stimmen.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich zurückhaltend zu Plänen für einen Ringtausch geäußert, bei dem Deutschland Großbritannien "Taurus"-Marschflugkörper überlassen und die Ukraine dafür britische "Storm-Shadow"-Systeme erhalten würde.
"Ich weiß nichts von diesem Angebot", sagte Pistorius in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung, Welt TV und dem Online-Magazin Politico. Falls es Gespräche dazu mit dem Kanzleramt geben sollte, müssten diese ergeben, "ob das tragfähig ist oder nicht". Pistorius sagte, er sei in diese etwaigen Gespräche nicht eingebunden.
Offerte liegt offenbar seit ein paar Wochen vor
Deutschland will die "Taurus"-Marschflugkörper mit einer hohen Reichweite derzeit nicht an die Ukraine liefern. Das bestätigte der Verteidigungsminister in dem Interview. Die britische Regierung hatte deshalb den Ringtausch vorgeschlagen.
Die Bundesregierung wollte zu dem Vorschlag nicht Stellung nehmen. Das britische Verteidigungsministerium sagte nur, dass man mit Partnern zusammenarbeite, um die Ukraine so gut wie möglich auszustatten. Medienberichten zufolge liegt die britische Offerte Berlin seit ein paar Wochen vor. Nach dpa-Informationen wäre auch Frankreich ein denkbarer Tauschpartner.
Scholz lehnt direkte Lieferung von Marschflugkörpern ab
Großbritannien und Frankreich liefern der Ukraine bereits Marschflugkörper, die etwa Ziele auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim weit hinter der Frontlinie erreichen können. Kanzler Olaf Scholz lehnt dies unter anderem mit dem Hinweis auf eine fehlende Abstimmung mit den USA bisher ab. Er verwies am Mittwoch erneut darauf, dass Deutschland mehr als die Hälfte der Militärhilfe aller EU-Partner liefere. In Berlin wird zudem befürchtet, dass die Ukraine mit "Taurus" auch russisches Staatsgebiet angreifen könnte.
Pistorius betonte, "Taurus" sei ein Waffensystem, das nicht mit Marschflugkörpern anderer Nationen vergleichbar sei. "Und deswegen muss sehr sorgfältig abgewogen werden, unter welchen Bedingungen man das tut. Und im Augenblick gibt es keinen neuen Stand dazu." Der Bundesverteidigungsminister schloss eine Änderung in der Haltung Berlins in der Zukunft aber auch nicht aus.
Viel Kritik an Ringtausch-Plan
Auf Kritik stießen die Ringtausch-Pläne bei der Union. "Für Deutschland ist es peinlich, wenn Großbritannien sich Gedanken macht, wie man dem Bundeskanzler aus der Patsche helfen kann", sagte der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die Briten sind zu dem Schluss gekommen, dass die Koalition in Berlin aus eigenen Kräften nicht zu einer Entscheidung kommen wird. Das sagt leider alles über das internationale Ansehen der Bundesregierung."
Kritische Stimmen kamen auch aus der Ampel-Koalition. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) betonte, die Ukraine brauche "Taurus" "sofort". Was ein Ringtausch bringen solle, erschließe sich ihr nicht, sagte sie dem "Handelsblatt". "Dann ist 'Taurus' für die Bundeswehr nicht mehr vorhanden und die Ukraine hat trotzdem keine. 'Storm Shadow' ist kein gleichwertiger Ersatz." Insofern sei der Vorschlag "untauglich", betonte Strack-Zimmermann.
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sieht den Ringtausch nur als zweitbeste Option. "Bevor die Ukraine gar keine Marschflugkörper zur Verfügung gestellt bekommt, ist es immer noch besser, wenn in Form eines Ringtauschs zumindest 'Storm Shadow' geliefert werden", sagte Hofreiter der "Rheinischen Post". Die Überlegungen zeigten "exemplarisch die Schwäche" von Scholz bei der Unterstützung der Ukraine, sagte Hofreiter der Nachrichtenagentur dpa. Die Botschaft sei: "Großbritannien kann liefern, aber Deutschland nicht."
Ein Ringtausch wäre nicht perfekt, aber besser als der Status Quo, sagte auch der SPD-Außenpolitiker Michael Roth. Die Debatte dürfe aber nicht davon ablenken, dass ein paar Dutzend Taurus-Marschflugkörper nicht kriegsentscheidend seien: "Europa sollte angesichts der ausbleibenden Hilfe aus den USA sein ganzes Gewicht auf die Ankurbelung der heimischen Rüstungsproduktion legen und gleichzeitig Nachschub für die Ukraine auf dem Weltmarkt einkaufen", sagte Roth.
Anfrage der Ukraine im Frühjahr 2023
Die Ukraine hatte die Bundesregierung bereits im Mai vergangenen Jahres offiziell um "Taurus"-Marschflugkörper gebeten. Die Waffen können Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung mit großer Präzision treffen.