"Letzte Generation" Eine kriminelle Vereinigung?
In sieben Bundesländern sind Ermittler mit einer Razzia gegen Klimaaktivisten der "Letzten Generation" vorgegangen. Der Hauptvorwurf lautet auf "Bildung einer kriminellen Vereinigung". Das sind die juristischen Hintergründe.
Was ist der Anlass der Razzien?
Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt aktuell gegen sieben Mitglieder der "Letzten Generation" im Alter von 22 bis 38 Jahren. Im Raum steht bei diesem Verfahren der Tatvorwurf der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" bzw. die Unterstützung einer solchen Vereinigung. Außerdem seien zwei der Beschuldigten verdächtig, versucht zu haben, die Ölpipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren.
Die Durchsuchungen wurden vom bayerischen Landeskriminalamt (LKA) sowie von anderen LKA ausgeführt. Das Ziel war laut Auskunft der bayerischen Behörden, Beweismittel zur Mitgliederstruktur der "Letzten Generation" aufzufinden, sowie "die weitere Aufklärung ihrer Finanzierung sowie die Beschlagnahme von Vermögenswerten". Im Zuge der Razzien wurden auch zwei Konten beschlagnahmt und ein Vermögensarrest durchgeführt. Laut den bayerischen Behörden hat die "Letzte Generation" mindestens 1,4 Millionen Euro an Spendengeldern eingesammelt. Mit einem Großteil davon sei die Begehung von Straftaten finanziert worden. Festnahmen gab es im Zuge der Durchsuchungen nicht.
Wie definiert das Gesetz eine kriminelle Vereinigung?
Eine kriminelle Vereinigung liegt laut Gesetz (Paragraf 129 Strafgesetzbuch) dann vor, wenn sich mindestens drei Personen für eine gewisse, längere Dauer zusammentun, um gemeinsam bestimmte Straftaten zu begehen. Der Zweck der Vereinigung muss also darauf gerichtet sein, Straftaten zu begehen. Und: Dieser Zweck darf bei der Vereinigung nicht nur von untergeordneter Bedeutung sein.
Liegen Voraussetzungen für eine kriminelle Vereinigung vor?
Ob es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handelt, steht mit den heutigen Durchsuchungen noch nicht fest. Falls der Vorwurf irgendwann vor Gericht landen sollte, wird über den Zweck der Gruppierung sicher intensiv diskutiert werden. Geklärt werden müsste dann: Liegt der Zweck der "Letzten Generation" nicht eher darin, Aufmerksamkeit zu erregen und damit am Ende das Klima zu retten? Und sind die Straftaten dann vielleicht eher Mittel zum Zweck oder notwendiges Übel, am Ende also ein Zweck von nur untergeordneter Bedeutung? Auf der anderen Seite ist den Klimaaktivisten durchaus bewusst, dass sie Straftaten begehen. Etwa die Nötigung von Verkehrsteilnehmern, indem sie sich auf der Fahrbahn ankleben.
Mehrere Gerichte haben bereits Mitglieder der "Letzten Generation" wegen Nötigung verurteilt. Die Aktivisten betonen immer wieder, mit ihrem Protest weiterzumachen und sich von Strafen nicht abhalten zu lassen. Das könnte also durchaus Zweck der "Letzten Generation" sein - auch wenn die Gruppe damit einen weitergehenden Zweck erreichen will.
Um den Straftatbestand zu erfüllen, muss die Vereinigung darüber hinaus eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Auch über diesen Punkt kann man sicher diskutieren. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt schon länger wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Sie hatte schon im Dezember 2022 Wohnungen durchsuchen lassen. Die Staatsanwaltschaft Berlin lehnt Ermittlungen wegen dieses Tatbestandes allerdings bislang ab. Sie sagt, es fehle an einer Erheblichkeit der in Rede stehenden Straftaten. Genau die sei aber nötig. Die Frage, ob die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung ist oder nicht, ist also komplex und inhaltlich noch nicht abschließend geklärt. Letztlich müssen die Gerichte entscheiden.
Was bedeutet Kontobeschlagnahme und Vermögensarrest?
Die Generalstaatsanwaltschaft sagt, dass extra ein Verein gegründet wurde, um Spenden für die "Letzte Generation" einzusammeln. Dadurch seien mindestens 1,4 Millionen Euro zusammengekommen. Weil mit dem Geld hauptsächlich Straftaten finanziert wurden, handele es sich um das Tatmittel. Darum habe man die Konten - vereinfacht gesagt - eingefroren. Wie viel Geld genau die Ermittlungsbehörden so beschlagnahmt haben, konnte die Generalstaatsanwaltschaft München auf Nachfrage der ARD-Rechtsredaktion nicht sagen. Das müsse erst ausgewertet werden. Da aber das gesammelte Geld laut Generalstaatsanwaltschaft zum Teil schon verwendet wurde, ist davon auszugehen, dass der beschlagnahmte Betrag auf den Konten nicht die gesamte Höhe der gespendeten Summe ausmacht.
Was kann man aus den Durchsuchungen schließen?
Voraussetzung für eine Durchsuchung ist zunächst die Wahrscheinlichkeit, dass eine Straftat bereits begangen wurde. Davon geht die Generalstaatsanwaltschaft hier aus. Durchsucht werden darf dann zum Beispiel, um bestimmte Beweismittel zu finden. Durchsuchungen müssen von einem Richter oder einer Richterin angeordnet werden. Er oder sie prüft also, ob diese Voraussetzungen zu dem Zeitpunkt vorliegen. Damit ist aber noch wenig darüber gesagt, ob die Straftaten wirklich vorliegen und welche Schuld die einzelnen Klimaaktivisten trifft. Das klärt sich erst nach einer möglichen Anklageerhebung in einem Gerichtsverfahren.
Warum gab es keine Festnahmen?
Festnahmen gab es bei den Durchsuchungen keine. Voraussetzung für eine Untersuchungshaft ist zum einen ein dringender Tatverdacht. Es muss also eine besonders große Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der oder die Beschuldigte in einem späteren Strafverfahren verurteilt wird. Hinzukommen muss ein so genannter Haftgrund. Der liegt zum Beispiel vor, wenn bei den Beschuldigten eine Fluchtgefahr besteht. Diese hohen Hürden waren hier nicht erfüllt.