Boris Pistorius unterhält sich mit Soldaten.
Reportage

Pistorius bei Soldaten Unter Beobachtung

Stand: 26.01.2023 15:04 Uhr

Erstkontakt mit der Truppe: An seinem siebten Arbeitstag besuchte Verteidigungsminister Pistorius in Sachsen-Anhalt ein Panzergrenadier- und ein Logistik-Bataillon. Um Kampfpanzer ging es auch.

Von Kai Küstner, ARD Berlin

Der Truppenbesuch von Boris Pistorius hat noch gar nicht richtig begonnen, da trifft ihn bereits eine erste Salve von Fragen: "Warum hat die Bundesregierung so lange gezögert, der Ukraine 'Leopard'-Kampfpanzer zu liefern?", will ein britischer Fernsehjournalist wissen.

Der neue Verteidigungsminister bleibt vor dem Pulk von Journalistinnen und Journalisten stehen, die ihn am Truppenübungsplatz Altengrabow in Empfang nehmen. Geduldig und auf Englisch beantwortet er die Frage. "Wir haben nicht gezögert, wir haben verhandelt", entgegnet Pistorius.

So mancher langjährige Beobachter des Verteidigungsministeriums reibt sich verwundert die Augen: Denn es ist schon ein gewisses Risiko, nach exakt sieben Tagen im Amt vor einer wissensdurstigen Menge Journalisten spontan stehen zu bleiben und Frage um Frage über sich ergehen zu lassen.

Bilder, die Wirkung erzeugen

Doch der Niedersachse ist nicht nur nach Sachsen-Anhalt gekommen, um Antworten zu geben - er will auch selbst ein paar Fragen stellen. Und sich ein Bild von der Truppe machen: Im "Puma"-Schützenpanzer lässt er sich auf den Übungsplatz fahren. Mit Flecktarnparka und roten Kopfhörern gegen den Gefechtslärm geschützt, beobachtet Pistorius aus der Luke des "Puma" heraus das ebenso ohrenbetäubende wie rasante Manöver um ihn herum.

Neuer Bundesverteidigungsminister Pistorius beim Antrittsbesuch bei der Truppe

Stephan Stuchlik, ARD Berlin, tagesschau, tagesschau, 26.01.2023 20:00 Uhr

Insgesamt vier Schützenpanzer feuern in voller Fahrt aus ihrer 30mm-Bordmaschinenkanone auf Scheiben, die wie Panzer aussehen. Und das durchaus "mit scharfer Munition", wie ein Hauptmann erklärt.

Das sei für ihn wie ein "Déjà-Vu-Erlebnis gewesen", sagt der SPD-Politiker anschließend. Er habe sich an seine eigene Wehrdienstzeit vor 40 Jahren erinnert gefühlt. "Ich bin froh, bei der Truppe zu sein", sagt der neue Verteidigungsminister, der offenbar ziemlich genau weiß, mit welcher Art von Sätzen und Bildern er Wirkung erzielen kann.

Die Zeit drängt

Den "Puma"-Schützenpanzer gab es vor 40 Jahren selbstredend noch nicht. Jenen zwar hochmodernen, aber auch hochkomplexen Schützenpanzer, von dem alle 18 bei einer mehrwöchigen Schießübung im Dezember ausfielen. Dass die Bundeswehr weiter auf den "Puma" setzt, ist klar. "Wir werden die Probleme lösen", erklärt Pistorius.

Doch mehr noch als der "Puma" steht derzeit der "Leopard" im Rampenlicht des Interesses - und zwar nicht nur der britischen Presse. Gestern hatte Bundeskanzler Olaf Scholz die durchaus historische Entscheidung verkündet, der Ukraine mit dem "Leopard" erstmals auch Kampfpanzer liefern zu wollen.

Doch mit der puren Ankündigung ist es nicht getan: Bis Ende März sollen die ersten Panzer in der Ukraine sein, bekräftigt Pistorius am Rande seines Truppenbesuchs. Anfang Februar dürfte mit der Ausbildung begonnen werden, die wohl insgesamt sechs Wochen dauern wird. Mit der Entscheidung, Kampfpanzer zu liefern, hat der Kanzler sich Zeit gelassen - doch die drängt nun.

"Zielkonflikt" bei Panzerlieferungen

Bei der Bundeswehr selbst legt sich aber noch aus einem anderen Grund so manche Stirn in Falten: Wenn nun auch "Leopard"-Panzer in der sehr modernen Version A6 an die Ukraine gehen, wird der ohnehin nicht üppige eigene Bestand empfindlich geschrumpft.

Von einem "Zielkonflikt" spricht Pistorius. Einerseits sei bei der Truppe in den vergangenen 30 Jahren so gespart worden, dass einige davon sprächen, man habe "der Bundeswehr das Rückgrat gebrochen". Andererseits könne man der Ukraine ja schlecht sagen: "Wir stellen die Hilfe ein, weil das bei uns vorübergehend Lücken reißt."

Bestände sollen schnell aufgefüllt werden

Bereits kommende Woche solle es nun Gespräche mit der Rüstungsindustrie darüber geben, wie sich die Bestände wieder auffüllen lassen.

Bei der Truppe selbst wird man das sehr genau beobachten. Seine Bundeswehr-Premiere an seinem siebten Arbeitstag als Verteidigungsminister bei den Logistikern und Panzergrenadieren in Altengrabow beendet Pistorius mit einem Versprechen: Er werde viele Besuche dieser Art absolvieren. Und nächste Woche werde er aufhören, seine Tage im Amt zu zählen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 26. Januar 2023 um 14:00 Uhr.