Pistorius bei NATO-Manöver Warum Litauen nach mehr Bundeswehr ruft
Vor dem Hintergrund des Wagner-Aufstands fordert Litauens Präsident Nauseda eine weitere Stärkung der NATO-Ostflanke. Heute reist Bundesverteidigungsminister Pistorius nach Litauen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius reist heute nach Litauen, um sich dort eine gemeinsame Übung der Bundeswehr mit der litauischen Armee anzuschauen. Bereits vor dem Besuch hat sich der litauische Präsident Gitanas Nauseda für eine weitere Stärkung der NATO-Ostflanke ausgesprochen. Wenn Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin oder Teile seiner Söldner-Gruppe mit unklaren Absichten in Belarus landeten, bedeute das, dass die Sicherheit der östlichen Grenzen weiter verstärkt werden müsse, sagte Nauseda vor Journalisten in Vilnius.
Deutsche Soldaten sind innerhalb der NATO maßgeblich für die Sicherheit Litauens verantwortlich. Bislang soll die Bundeswehr allerdings nicht fest in dem Land stationiert werden. Beim aktuellen Manöver "Griffin Storm" will die Bundeswehr deshalb zeigen, dass sie innerhalb kurzer Zeit vor Ort einsatzfähig ist.
Bei dem NATO-Manöver geht es auch um die schnelle Verlegung von Soldaten und Material von Deutschland nach Litauen. Dieser erste Teil der Übung ist abgeschlossen und der zuständige Kommandeur, Brigadegeneral Christian Nawrat, ist bei einer Videoschalte in Litauen mit dem bisherigen Verlauf zufrieden: "Das hat wirklich sehr gut geklappt und ich bin stolz auf alle Frauen und Männer, die da so engagiert mitgewirkt haben."
Komplexität des Manövers erhöht
Im Gegensatz zu früheren Manövern habe die Bundeswehr insgesamt die Komplexität erhöht, sagt der Brigadegeneral. Denn neben 1000 Soldaten mussten diesmal insgesamt 300 Panzer und anderes Großgerät auf dem Land-, See- und Luftweg nach Litauen verlegt werden.
Bis 2026 will die Bundeswehr im Ernstfall sogar bis zu 5000 Soldaten innerhalb von zehn Tagen ins Baltikum schicken können. Doch noch sei man nicht so weit: "Wir machen Schritte dorthin, weil wir letztlich die Verlegung von größeren Truppenkörpern in dieser Art, in der Breite der Streitkräfte in den letzten Jahrzehnten, auch nicht mehr gemacht haben. Wir müssen auch viel dazulernen", so Nawrat.
Im Baltikum sind sogenannte Rahmennationen gemeinsam mit den regionalen Armeen für den Schutz der sogenannten NATO-Ostflanke zuständig. In Estland sind das die Briten, in Lettland die Kanadier und in Litauen die Deutschen.
Zuletzt hatte Verteidigungsminister Pistorius, der heute in Litauen das Manöver besucht, eine bessere Zusammenarbeit der Rahmennationen angemahnt. Beispielsweise bei der Logistik: "Weil wir glauben, dass wir interoperabel und gut koordiniert in der Region agieren. Gerade wenn es um die Lagerung von Material geht. Das hat eine zentrale Bedeutung gerade dann, wenn es darum geht, schnell Truppen verlegen zu können, die dann auf das gleiche Material zurückgreifen können."
Dauerhafte Stärkung der Ostflanke gefordert
Estland, Lettland und Litauen betrachten den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als direkte Gefahr für ihre Sicherheit. Sie rüsten ihre eigenen Streitkräfte auf und fordern sehr entschieden, eine dauerhafte Stärkung der NATO-Ostflanke, auch durch Deutschland. Beim Staatsbesuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte der litauische Staatspräsident Nauseda zuletzt um eine dauerhafte Stationierung von Bundeswehrsoldaten geworben: "Als Teil unserer Vereinbarung mit dem deutschen Kanzler investiert Litauen aktiv in seine militärische Infrastruktur, um Gastgeber für mehr deutsche Truppen zu sein. Litauen ist bereit alles zu tun, damit sich deutsche Truppen bei uns wohl fühlen."
Der Verteidigungsexperte der Union, Henning Otte, fordert Klarheit hinsichtlich der Bundeswehr-Präsenz in Litauen. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte der CDU-Politiker, der Verteidigungsminister müsse jetzt klarstellen, zu welcher Zeit und in welcher Stärke die zugesagte Brigade Deutschlands aufgestellt werden soll. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr bis zu 5000 Soldaten zugesagt. Bislang sind aber lediglich rund 800 dauerhaft in Litauen.
Pistorius trifft auch Stoltenberg
Der Verteidigungsexperte Christian Mölling, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung in Berlin, spricht mit Blick auf die baltischen Staaten von "mangelnder strategischer Tiefe". Das heißt, bei einem Angriff könnten russische Truppen sehr schnell bis zur Ostsee durchmarschieren und die Länder einnehmen. Daran würde auch der NATO-Beitritt der beiden Ostsee-Staaten Finnland und Schweden wenig ändern.
Für ihn ist es deshalb nachvollziehbar, dass Litauen am liebsten eine Bundeswehr-Brigade dauerhaft vor Ort hätte. Doch das wäre teuer und ist in Deutschland politisch nicht gewollt. Außerdem dürfte die derzeitige Ausrüstung der Truppe nicht ausreichen. Und so wird nach dem Manöver "Griffin Storm" wieder zurückverlegt. Auch um in Deutschland zu üben, sagt Brigadegeneral Nawrat: "Dazu benötige ich dann auch das Großgerät in Deutschland, um die sogenannte Truppenausbildung auf den Standortübungsplätzen sicherzustellen."
Beim Manöver "Griffin Storm" trifft Verteidigungsminister Pistorius auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Die Litauen-Reise dient auch der Vorbereitung des NATO-Gipfels Mitte Juli in Vilnius.