Kritik am Entwurf Warum Lauterbachs Pflegereform Lücken hat
Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt, das Defizit bei der Pflegeversicherung wächst: Was Gesundheitsminister Lauterbach ändern will und warum es Kritik an den Plänen gibt.
Die Pflegereform soll zwei große Aufgaben erfüllen: zum einen die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen entlasten und zum anderen die Kosten dafür decken. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat nun einen ersten Entwurf vorgelegt.
Zur Entlastung schlägt der SPD-Politiker vor, diverse Leistungen für Pflegebedürftige zu erhöhen. Unter anderem sollen alle, die zuhause gepflegt werden, mehr Pflegegeld bekommen. Nicht genug, beklagen Sozialverbände.
Inflation frisst die Entlastung auf
Auch CDU-Politiker Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, hält eine Erhöhung von fünf Prozent nicht für ausreichend. Bei rund zehn Prozent Inflation decke das nur die Hälfte der Kostensteigerungen ab. Die steigenden Energiepreise und höheren Löhne fürs Personal machen sich auch in den Pflegeheimen bemerkbar.
Der Eigenanteil, den die Pflegebedürftigen selbst bezahlen müssen, steigt: Anfang des Jahres waren es durchschnittlich 2468 Euro pro Monat, wie der Verband der Ersatzkassen mitteilte. Der Gesundheitsminister plant höhere staatliche Zuschüsse, aber auch hier halten die Sozialverbände mehr für nötig.
Höhere Beiträge oder Steuermittel?
Die zweite große Frage bleibt aber, wer das alles bezahlt. Minister Lauterbach will die Beiträge zur Pflegeversicherung erhöhen. Der allgemeine Satz steigt um 0,35 Prozentpunkte. Es wird jedoch eine Staffelung geben: Am meisten zahlen Kinderlose, mit jedem Kind sinkt der Satz.
Die Beitragserhöhung würde kurzfristig helfen, erklärt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen: Die Lücke bei der Pflegeversicherung betrage dieses Jahr zwei bis drei Milliarden Euro, das könnten höhere Beiträge im nächsten und womöglich im übernächsten Jahr abdecken. "Aber dann ist auch schon wieder Schluss", betont Lanz. Um die Pflegeversicherung strukturell besser zu finanzieren, brauche es Steuermittel. Doch Finanzminister Christian Lindner von der FDP will das Geld zusammenhalten.
Die Regierung muss die richtigen Prioritäten setzen, fordert dagegen CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge und fragt rhetorisch: "Wollen wir Menschen im Alter sich selbst überlassen oder wollen wir, dass Pflege menschenwürdig möglich ist?"
Lauterbachs Vorschläge "nicht ausreichend"
Die Grünen wollen die Pflegeversicherung unbedingt mit Steuermitteln besser ausstatten. Sie erinnern die FDP an den gemeinsamen Koalitionsvertrag. Demnach sollen die Pandemiekosten - wie damals bei den Krankenhäusern - für die Pflege noch nachträglich erstattet werden. Es geht um einmalig rund fünf Milliarden Euro, sagt Maria Klein-Schmeink, in der Grünen-Fraktion für Gesundheitspolitik verantwortlich.
Außerdem habe sich die Koalition damals auf weitere Steuerzuschüsse geeinigt, und zwar für die Rentenbeitragspunkte pflegender Angehöriger. Um zwei Drittel der Pflegebedürftigen zuhause kümmern sich die Angehörigen, betont Klein-Schmeink. Für ihre Rentenbeiträge müssten mehr als drei Milliarden Euro jährlich aus Steuermitteln kommen.
Doch in Lauterbachs Entwurf findet sich dazu nichts. Für Grünen-Politikerin Klein-Schmeink ist klar: Was der SPD-Minister bisher vorgelegt hat, reicht nicht. Bei der Finanzierung der Pflegeversicherung und der Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen müsse nachgebessert werden. Ehe aus den ersten Vorschlägen eine fertige Pflegereform wird, liegt also noch viel Arbeit vor dem Bundesgesundheitsminister und dem Parlament.