Personalmangel in Kliniken Wie man Pflegekräfte gewinnt
Bundesweit fehlen Tausende Beschäftigte in der Pflege. Der Job gilt vielen als wenig attraktiv. Doch das muss nicht sein. Um Personal zu gewinnen, gehen einige Kliniken neue Wege. Mit Erfolg.
"Pflegekräfte gewinnen und halten" steht an der Tür des Tagungsaals , in dem gleich die Vorträge zu diesem Thema beginnen. Alle Stühle im Saal sind besetzt. Eine der Expertinnen, die hier sprechen wird ist, Maja Schäfer. Sprechen kann sie sehr gut. "Meine Karriere begann beim Radio. Da rufen Hörer an, die ich persönlich nicht kenne. Ich muss aber ganz schnell eine vertrauliche Situation herstellen. Wie man schnell eine Bindung aufbaut, weiß ich jetzt."
Ein gutes Teamklima ist wichtig
Über das Aufbauen einer Bindung wird sie gleich im Tagungssaal berichten. Denn davon lebt sie mittlerweile. Sie ist Recruiterin für die DRK Kliniken in Berlin. Ihre Aufgabe ist es, Bewerberinnen und Bewerber zu gewinnen. Und das wollen alle in diesem Tagungssaal. Er ist gefüllt mit Krankenhaus-Führungskräften aus ganz Deutschland, die extra zu dieser Fachtagung nach Berlin gereist sind.
"Ich muss Pflegekräfte generieren, damit wir auf Intensivstation funktionsfähig bleiben. Es gibt wenig Nachwuchs", erzählt eine pflegerische Leiterin aus Rheinland-Pfalz. Geld ist dabei wichtig, gute Arbeitsbedingungen auch. Aber das ist längst nicht mehr alles. "Es fängt beim Teamklima an, wo schon Mitarbeiter in den ersten paar Tagen sagen: 'Hier fühle ich mich wohl'." Wenn das aber nicht so sei, dann sei die Hemmschwelle, wieder zu gehen, sehr gering, ergänzt eine Kollegin. Genau das will Maja Schäfer verhindern.
Emojis per WhatsApp
Sie zeigt auf dem Kongress, wie ein gutes Klima im Team gelingen kann. Es geht um Wertschätzung und persönlichen Kontakt. Das beginnt für sie schon bei den Bewerberinnen und Bewerbern. Immer, wenn sich jemand online über das Job-Portal der Kliniken meldet, nimmt Schäfer sofort Kontakt auf und bleibt dran.
"Wir duzen alle, wir sprechen sie über WhatsApp an, wir schicken Emojis, wir bauen eine ganz freundschaftliche Bindung zu den Bewerbern auf." In der Zeit zwischen Bewerbung, Vorstellungsgespräch und erstem Arbeitstag hält sie die Menschen so bei der Stange, stellt sicher, dass sie nicht abspringen.
Eigens geschaffene Abteilung
"Natürlich führen die Fachabteilungen die Vorstellungsgespräche dann selbst und treffen letztlich die Entscheidungen. Aber ich bin bei allen hinterher und schaue: 'Bei wem hakt es, wen können wir vielleicht noch woanders im Unternehmen platzieren?' Ich behalte den Überblick und fege immer ein bisschen hinterher."
Auf das alles kann sich Schäfer voll konzentrieren, weil ihre Recruitingabteilung genau dafür geschaffen wurde, zusätzlich zur Personalabteilung. Das war vor drei Jahren. "Das hatte den Effekt, dass wir die Bewerberzahlen um 152 Prozent gesteigert haben", erzählt sie.
Transparenz im Internet
Viele der Bewerberinnen und Bewerber haben sich auf dem Job-Portal der Kliniken informiert. Mit ein paar Klicks können sie dort schon vor dem Bewerbungsgespräch lesen, was sie verdienen werden - bei einer Krankenpflegerin sind es 2958 Euro bis 3709 Euro, bei einer Physiotherapeutin 2772 Euro bis 4268 Euro - oder in Videos ihre künftigen Kolleginnen und Kollegen kennenlernen.
Eines dieser Videos zeigt die Krankenschwester Dilek Erusta. Sie leitet in der DRK Klinik Berlin-Mitte die Ambulanz des Gefäß- und Diabteszentrums und begleitet mit der Handykamera ihren Alltag: Ankommen in der Kaffeeküche, Tagesplanung am Schreibtisch, Patiententransport zur Untersuchung. Dilek Erusta zeigt ihren Arbeitsbereich. "Dass wir als Team so mithelfen können, neue Kollegen zu gewinnen, ist schön", sagt sie. Mehr als 50 Kolleginnen und Kollegen stellen sich und ihre Arbeit in Videos online vor.
Erusta erzählt von einer neuen Kollegin aus ihrer Abteilung: eine medizinische Fachangestellte, die auch noch andere Jobmöglichkeiten in Berlin hatte. Die Transparenz und die unkomplizierte Ansprache seien wichtige Punkte gewesen, um die Kollegin anzulocken. Um sie zu halten, bekam sie in ihrer Anfangszeit eine Mentorin an ihre Seite gestellt, die immer für alle Fragen da war.
Yoga und Hilfe bei der Kinderbetreuung
"Das ist Teil unseres Onboarding-Prozesses. Wir wollen, dass die Leute bleiben und dafür brauchen wir eine Willkommenskultur." Damit sich die Mitarbeitenden auch nach der Anfangsphase wohlfühlen, gibt es Yoga, Resilienzunterricht, Rückensprechstunden. Individuelle Wünsche können beim betrieblichen Gesundheitsmanagement geäußert werden. Auch bei der Kinderbetreuung wird Hilfe angeboten.
Der Aufwand für neues Personal scheint sich zu lohnen. In der DRK Klinik Köpenick ist die Zahl der offenen Stellen im Bereich Pflege und Funktionsdienst gegenüber Dezember 2020 um 55 Prozent gesunken. Auch Dilek Erusta ist zufrieden. In ihrer Abteilung gibt es im Moment keine offenen Stellen.