Trotz Entlastungszuschlag Pflege im Heim wird teurer
Die Kosten für die Pflege im Heim sind weiter gestiegen - im Schnitt müssen Pflegebedürftige 2411 Euro pro Monat aus eigener Tasche zahlen. Der Druck auf Gesundheitsminister Lauterbach für eine Gesetzesreform wächst.
Die Kosten für die stationäre Pflege steigen seit Jahren. Trotz der Entlastungszuschläge werden die Eigenanteile immer höher. Seit dem 1. Januar müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen für das erste Jahr in einer Pflegeeinrichtung bundesweit im Schnitt 2411 Euro pro Monat selbst zahlen. Das sind 278 Euro mehr als Anfang 2022.
Das ergab eine Auswertung des Verbands der Ersatzkassen (vdek), zu dem unter anderem die Techniker Krankenkasse, die Barmer und die DAK-Gesundheit gehören. Grund für den Kostenzuwachs sind demnach unter anderem höhere Preise für Lebensmittel und gestiegene Löhne für Pflegekräfte.
"Erneut steigt die Belastung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen, die oft nicht wissen, wie sie die Kosten stemmen sollen", sagte die Chefin des Ersatzkassenverbands, Ulrike Elsner.
Die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten. Die Pflegebedürftigen müssen einen Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung übernehmen. Für Heimbewohner kommen dazu noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen.
Höhere Kosten trotz Entlastungszuschlag
Seit Anfang 2022 erhalten Pflegebedürftige im Heim einen Entlastungszuschlag, der mit der Dauer der Pflege steigt: Für die reine Pflege gibt es im ersten Jahr fünf Prozent Zuschlag, im zweiten 25 Prozent, im dritten 45 Prozent, und ab dem vierten Pflegejahr beträgt der Entlastungszuschlag 70 Prozent. Aber auch mit dem höchsten Zuschlag steigen die eigenen Kosten weiter - im Schnitt auf 1671 Euro im Monat, 130 Euro mehr als vor einem Jahr.
Laut Bundesgesundheitsministerium erhielten in den ersten drei Quartalen 2022 rund 700.000 Pflegebedürftige Entlastungszuschläge. 41,8 Prozent der Personen erhielten den höchsten Zuschlag, 25,4 Prozent wegen der bis dahin kurzen Aufenthaltsdauer im Pflegeheim den niedrigsten Zuschlag.
Für die Pflegekassen bedeuteten allein die Entlastungszuschläge 2022 Kosten in Höhe von 3,4 Milliarden Euro. Der Verband rechnet für dieses Jahr mit "deutlich über vier Milliarden Euro".
Höhere Personalkosten und Inflation
Der Verband der Ersatzkassen sieht die Ursache für die höheren Kosten in insgesamt gestiegenen Kosten, die bei den Pflegebedürftigen landen. So lag der Eigenanteil nur für die reine Pflege zum 1. Januar 2023 bei durchschnittlich 1139 Euro nach 912 Euro Anfang 2022. Hintergrund sind auch vielfach höhere Personalkosten.
Denn seit 1. September 2022 müssen alle Einrichtungen Pflegekräfte nach Tarifverträgen oder ähnlich bezahlen, um mit den Pflegekassen abrechnen zu können. Damit wollte die Vorgängerregierung den Beruf attraktiver machen und den Pflegekräftemangel bekämpfen.
Hinzu kommt die Inflation, die die Preise für Lebensmittel und Mahlzeiten ansteigen lässt. Die Zuzahlungen für Unterkunft und Verpflegung stiegen innerhalb eines Jahres von 801 auf nun 857 Euro.
Regionale Unterschiede bei den Kosten
Die Erhebung zeigt, dass die regionalen Unterschiede bei den Eigenanteilen sehr groß sind. In Baden-Württemberg kosten Heimplätze ohne Zuschüsse mit 2845 Euro pro Monat am meisten. In Sachsen-Anhalt sind die Kosten für einen Heimplatz mit 1868 Euro pro Monat am niedrigsten.
Druck auf Lauterbach
Die steigenden Kosten will auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in den Blick nehmen - er hat für dieses Jahr ein neues Pflegegesetz angekündigt.
Für die Bewohnerinnen und Bewohner kämen neue Lasten durch weiter steigende Löhne und ein neues, bundesweit einheitliches Personalbemessungsinstrument ab dem 1. Juli dazu, sagte Elsner. Das Verfahren soll den Bedarf an Fach- und Assistenzpflegekräften in einzelnen Pflegeheimen bemessen. Beides sei wichtig, müsse aber finanziert werden, so Elsner. Die Beitragszahlenden allein könnten das nicht stemmen.
Vdek fordert "Pflegereform in einem Guss"
Elsner forderte eine "Pflegereform in einem Guss": "Eine Finanzreform in der Pflege gehört zu den prioritären Aufgaben in 2023." Vorschläge lägen auf dem Tisch. "Die Pflege ist eines der gesellschaftlichen Kernthemen der kommenden Jahrzehnte und verdient politische Aufmerksamkeit."
Die Politik sei auch gefordert, ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, sagte Elsner. Dieses hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass Eltern mit mehreren Kindern bei der gesetzlichen Pflegeversicherung besser gestellt werden müssen als kleinere Familien und Kinderlose. Die Richter ordneten an, den Beitrag zur Pflegeversicherung bis Ende Juli an die Zahl der Kinder anzupassen.