Nach den Landtagswahlen Fünf Baustellen für die CDU
In Sachsen wurde sie hauchdünn stärkste Kraft, in Thüringen weit abgeschlagen zweitstärkste. Für die CDU stellen sich nach den Landtagswahlen viele Fragen. Welche Baustellen muss sie jetzt bearbeiten? Ein Überblick.
"Die CDU ist das letzte Bollwerk aus der demokratischen Mitte heraus gegen den rechtsextremen Populismus unseres Landes." Mit diesem Satz fasste CDU-Chef Friedrich Merz das Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zusammen.
Die CDU könnte bald in beiden Ländern die Ministerpräsidenten stellen. Aber das verdeckt nur, dass auch die CDU vor schwierigen Aufgaben steht und es möglicherweise einen Preis für den Erfolg gibt, der später zu zahlen ist. Zunächst gibt es fünf konkrete Baustellen, an denen die CDU nun arbeiten muss.
Baustelle 1: Die AfD
Innerhalb der CDU ist sehr umstritten, mit welchem Kurs die rechtspopulistische Partei am besten bekämpft werden kann. Zwar schieben Merz und die Parteispitze alles auf die generelle Unzufriedenheit mit der Ampel-Bundesregierung. Aber in Sachsen hatte die AfD bei der Landtagswahl 2019 schon 27,5 Prozent erzielt - lange vor der Bildung der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP.
CDU-Chef Merz hat selbst eingeräumt, dass es ihm auch mit einer strammeren Haltung in der Asylpolitik nicht gelungen ist, die Zahl der AfD-Stimmen zu halbieren. Und auch wenn politische Kontrahenten loben, dass die "Brandmauer" hält, die der CDU-Bundesparteitag für die Landes-, Bundes- und Europaebene zur AfD beschlossen hatte: An der Basis in den ostdeutschen Bundesländern sieht es längst anders aus. Teilweise werden in Orts- oder Stadträten Verabredungen mit der in Sachsen und Thüringen als rechtsextrem eingestuften Partei geschlossen.
Baustelle 2: Das BSW
In der sächsischen und thüringischen CDU ist durchaus umstritten, dass die Union nun ein Bündnis mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eingehen muss. Offen will sich derzeit niemand äußern, weil dies außer mit einem AfD-Bündnis der einzige Weg zur Regierungsbildung ist. Aber hinter vorgehaltener Hand wird schon an Wagenknechts ehemalige kommunistische Vergangenheit erinnert und eine "Lenkung aus dem Saarland" durch Oskar Lafontaine kritisiert.
"Wenn wir uns als bürgerliche Partei sehen - ist das BSW dann wirklich der bessere Partner?" lautet die Frage. Brandenburgs CDU fürchtet zudem, dass Gespräche mit dem BSW Gift für den eigenen Wahlkampf bis zur Landtagswahl am 22. September sind. Denn die AfD verweist genüsslich darauf, dass die CDU eben mit allen Parteien außer ihnen zusammengehen würde. Deshalb gebe es den Wunsch, bis zum 22. September keine Koalitionen zu schließen, heißt es.
Auch in der Bundes-CDU, wo Merz das BSW als "teils rechts-, teils linksextrem" bezeichnet hatte, schaut man mit Sorge auf die Koalitionsverhandlungen. Das BSW fordert zumindest derzeit noch, dass sich CDU-geführten Koalitionen klar gegen die außen- und verteidigungspolitischen Grundprinzipien der CDU aufstellen sollen: Ablehnung der Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland, Stopp der Waffenhilfe für die Ukraine.
Einen Vorgeschmack darauf, was ihm bevorstehen könnte, bekam Merz am Mittwoch. Eine Gruppe von rund 40 CDU-Mitgliedern fordert laut "Tagesspiegel", beim nächsten Bundesparteitag im Juni 2025 einen Unvereinbarkeitsbeschluss auch für das Bündnis Sahra Wagenknecht zu fassen. Bislang verbietet ein solcher Beschluss aus dem Jahr 2018 jede Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei.
Der Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter sagte der Zeitung, das BSW agiere "als verlängerter Arm des Kreml". Der Sozialpolitiker und Europaabgeordnete Dennis Radtke sagte dem Blatt: "Die CDU steuert auf einen Abgrund zu, wenn wir uns vor den Karren von Sahra Wagenknecht spannen lassen."
Baustelle 3: Die Linke
Dazu kommt, dass die CDU in Thüringen vor einer schwierigen Entscheidung im Umgang mit den Linken steht. Die Bundespartei hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss in Bezug auf AfD und Linke gefasst. In Thüringen dürfte es aber ohne Einbeziehung der Linken keine stabile Regierung jenseits der AfD geben.
Der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte ebenso wie die frühere thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ein Umdenken. Thüringens CDU-Landeschef Mario Voigt hat sich bisher nicht geäußert. Auch hier hat die CDU das Problem, dass ein Bruch des Parteitagsbeschlussses zwar in Thüringen helfen würde, in anderen Bundesländern aber möglicherweise negative Rückwirkungen hätte.
Baustelle 4: Die Einheit
Generell zeigen die Debatten, dass in den CDU-Ost-Landesverbänden deutlich andere Positionen in der Außen- und Sicherheitspolitik bezogen werden als in westdeutschen Bundesländern.
Die Wählerwanderungen bei den Landtagswahlen zeigen, dass die CDU überdurchschnittlich viele Wähler an die AfD und das BSW verloren hat. Das lag nach Ansicht der Meinungsforscher weniger an dem Thema Migration als vielmehr an der Außen- und Sicherheitspolitik. BSW und AfD punkteten mit ihrem größeren Verständnis für Russland, der Ablehnung der Waffenlieferungen an die Ukraine und einem deutlich stärkeren Anti-Amerikanismus als im Westen.
Für Parteichef Merz stellt dies mit Blick auf den Bundestagswahlkampf eine echte Herausforderung dar. In den Ost-Landtagswahlkämpfen konnte er sich mit Äußerungen zur Ukraine auffallend zurückhalten. Aber die CDU-Wähler im Westen erwarten laut Umfragen eine klare Position Pro-Ukraine.
Baustellle 5: Die K-Frage
Die CDU muss zudem in den kommenden Wochen die sogenannte K-Frage beantworten. Wer wird Kanzlerkandidat der Union?
Zwar laufen die meisten Wetten auf Friedrich Merz. Aber Bayerns Ministerpräsident Markus Söder stichelt fast täglich. "Für mich ist Ministerpräsident das schönste Amt. Aber ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen", sagte der CSU-Chef erst am Montag.
In der CDU ist die Sorge verbreitet, dass Söder trotz aller Beteuerungen einen Wahlsieg der Union 2025 erneut gefährden könnte, wenn er einem anderen Politiker den Vortritt lassen muss.
Dazu kommt, dass die Begeisterung für Merz nicht grenzenlos zu sein scheint. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst ist noch nicht völlig aus dem Rennen - auch wenn er Merz zuletzt den Rücken gestärkt hat. Dem ARD-DeutschlandTrend von Ende Mai 2024 zufolge finden 34 Prozent der Befragten, dass Wüst ein guter Kanzlerkandidat für die Union wäre. Auch Söder halten 34 Prozent für einen guten Kandidaten. Erst dann folgt Merz mit 26 Prozent.