Vorläufiges Ergebnis AfD gewinnt Landtagswahl in Thüringen
Die AfD erzielt in Thüringen einen historischen Erfolg und wird erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Kraft. Spitzenkandidat Höcke konnte jedoch kein Direktmandat holen. Größte Verliererin ist die Linkspartei.
Es gibt einen klaren Wahlgewinner in Thüringen: Die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke. 32,8 Prozent der Wählerstimmen holt die in dem Bundesland als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei laut vorläufigem Wahlergebnis. Ein "historischer Erfolg", feiert Höcke den Wahlabend, seine AfD die "Volkspartei Nummer eins", an der die Politik ab jetzt nicht vorbeikommen könne.
Im Wahlkampf konnte sich die AfD die Themen Zuwanderung, Kriminalität und die Ukraine-Politik der Bundesregierung zunutze machen und vielerorts die Stimmung der Menschen aufgreifen.
Mit teils nationalistischen und radikalen Schlagworten grenzte sich die AfD hier von anderen Parteien ab und präsentierte sich als Partei für ostdeutsche Interessen. Das Gesicht der Thüringer AfD ist der 52-jährige Ex-Lehrer Höcke vom extrem rechten Rand der Partei, der unlängst wegen Verwendung einer SA-Parole verurteilt wurde.
Seinen Wahlkreis konnte Höcke nicht gewinnen. Nach Angaben des Landeswahlleiters im Wahlkreis Greiz II unterlag er dem CDU-Kandidaten Christian Tischner im Kampf um das Direktmandat für den Landtag. Höcke bekam 38,9 Prozent der Stimmen, Tischner 43,0 Prozent. Höcke hatte lange nach einem aussichtsreichen Wahlkreis gesucht, nachdem er bei der Landtagswahl vor fünf Jahren im katholisch geprägten Thüringer Eichsfeld gegen die CDU verloren hatte.
Schlussstrich für Rot-Rot-Grün
Nur hat der Wahlsieger ein Problem - keiner will mit ihm regieren. Auf 32 Sitze kommt die AfD im neu gewählten Landtag und ist damit weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Und auch, wenn Höcke darauf drängt, dass das "Brandmauer-Gerede" endlich enden müsse, bei allen anderen Parteien bleibt die Brandmauer stehen, wie sie unisono betonen.
Doch klar ist auch - so wie in den vergangenen Jahren wird es in Thüringen nicht weitergehen. Zu sehr wurde die Linkspartei von Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow abgestraft. Um 17,9 Prozentpunkte sackt sie in der Wählergunst ab und landet nur noch bei 13,1 Prozent. Der 68-jährige Ramelow gilt zwar immer noch als der mit Abstand beliebteste Politiker im Land, wenn auch mit abnehmender Tendenz, doch konnte er auch mit seinem Amtsbonus den Absturz seiner Partei nicht verhindern.
Dass die Partei nicht ins Bodenlose stürzte, wie etwa in Sachsen, dürfte einzig an Ramelow gelegen haben. Sein Direktmandat in Erfurt gewann er erneut gegen Mitbewerber unter anderem von AfD, CDU und SPD. Als Hauptmotiv im Wahlkampf nannte Ramelow den Kampf gegen die AfD und Höcke.
Der bisherige Koalitionspartner SPD kommt auf 6,1 Prozent. Der befürchtete Fall unter die Fünf-Prozent-Hürde wurde damit zwar abgewendet und die Sozialdemokraten bleiben im Landtag. Trotzdem bedeutet das Ergebnis im Vergleich zur vorangegangenen Wahl 2019 einen Verlust von 2,1 Prozentpunkten. Und der Dritte im Bunde der bisherigen Minderheitsregierung, die Grünen, sind mit gerade einmal 3,2 Prozent der Wählerstimmen gar nicht mehr im Landesparlament vertreten. Für Rot-Rot-Grün war der Wahlabend ein klarer Schlussstrich.
Am BSW kommt die CDU kaum vorbei
Und so macht sich die CDU Hoffnung, künftig eine Regierung und mit ihrem Spitzenkandidaten Mario Voigt den Ministerpräsidenten zu stellen. Mit 23,6 Prozent wird sie zweitstärkste Kraft, wenn auch weit abgeschlagen hinter der AfD. 23 Sitze bedeuten das im Landtag. Und damit auch: Es müssen Koalitionspartner her.
Der Blick richtet sich dabei auf das BSW. Zum ersten Mal bei einer Landtagswahl in Thüringen angetreten, holt das Bündnis Sahra Wagenknecht auf Anhieb 15,8 Prozent der Stimmen und wird drittstärkste Kraft und im neu gewählten Landtag mit 15 Sitzen vertreten sein.
Im Wahlkampf punktete das BSW vor allem mit nicht-landespolitischen Themen wie der Kritik an den Waffenlieferungen für die Ukraine und der Forderung nach Verhandlungen mit Russland. Doch auch ihre Positionen gegen Zuwanderung und für soziale Sicherheit trafen die Stimmungslage vieler Wähler. Zugpferd im Wahlkampf war BSW-Namensgeberin Wagenknecht, obwohl sie gar nicht zur Wahl stand.
Wagenknecht gab auch die weitere Richtung vor: eine Koalition mit der CDU und gegebenenfalls auch der SPD. "Wir hoffen sehr, dass wir gemeinsam mit der CDU am Ende eine gute Regierung zustande bekommen - wahrscheinlich auch mit der SPD", sagte Wagenknecht in der ARD. "Ich hoffe, dass das funktioniert."
AfD könnte zum Blockierer werden
Für eine mehrheitsfähige Regierung müsste es aber auf ein Dreierbündnis hinauslaufen. 45 Sitze sind für eine Mehrheit mindestens nötig. Um die zu erreichen, bleibt der CDU kaum eine Wahl, als den Schulterschluss mit dem BSW zu suchen. Beide kämen auf 38 Sitze. Gemeinsam mit der geschwächten Linkspartei würde es reichen für die Mehrheit im Landtag. Ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD hätte keine Mehrheit.
Doch selbst mit Mehrheit droht das Regieren in Thüringen künftig komplizierter zu werden. Denn mit ihren 31 Sitzen hat die AfD im Landtag die sogenannte Sperrminorität. Und kann damit wichtige Entscheidungen im Landtag blockieren, wenn für diese eine Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten notwendig ist. Für die müssten auch Mitglieder der AfD für solche Gesetzesentwürfe stimmen.