Wahlkampf in Brandenburg Frieden, Migration und eine "Dönerpreisbremse"
Am Sonntag wählt Brandenburg einen neuen Landtag. Der Wahlkampf bot einige Kuriositäten, doch in der Sache wurde hart gekämpft. Welche Themen waren die wichtigsten? Wie schlugen sich die Parteien?
Der Luisenplatz in Potsdams Innenstadt ist voll. Fünf Tage vor der Landtagswahl lockt Sahra Wagenknecht mehrere Hundert Menschen zum Höhepunkt der Wahlkampftour ihrer Partei. Die Leute sind wegen ihr gekommen, dabei steht sie in Brandenburg gar nicht zur Wahl. Ihre Partei aber wirbt konsequent mit ihr: Wagenknecht lächelt von 80 Prozent der Plakate, Wagenknecht bestreitet allein den TV-Wahlspot, Wagenknecht spricht die Wahlwerbung im Radio. Den eigentlichen Spitzenkandidaten Robert Crumbach kennt kaum jemand.
Und auch die Inhalte von Wagenknechts Rede kommen eher aus der Bundespolitik. Sie arbeitet sich an der Ampelkoalition ab, kritisiert die aus ihrer Sicht schlechte Politik der vergangenen Jahre. Das gibt lauten Beifall. Aber nicht nur deshalb sind die Menschen auf den Luisenplatz gekommen. Ihr Thema ist der Frieden. Frieden in der Ukraine, der nur über diplomatischen Weg zu erreichen sei. Das BSW lehnt die militärische Unterstützung der Ukraine ab und warnt vor der Stationierung von US-Raketen in Deutschland.
Die wichtigsten Themen: Frieden und Migration
Umfragen zufolge ist das Thema Frieden das zweitwichtigste für die Wahlberechtigten in Brandenburg. Es stört sie nicht, dass der Einfluss einer Landesregierung darauf sehr gering ist.
Das mit Abstand wichtigste Thema für die Wähler aber ist Migration. Das Kernthema der AfD. Und die setzt in ihrem Wahlkampf auch genau darauf. Beim Straßenwahlkampf genauso wie bei größeren Veranstaltungen.
Die sind - wie das sogenannte AfD-Familienfest in einem Gasthof in Werder an der Havel - regelmäßig von Gegendemos begleitet. Aber der Saal ist voll. Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt heizt die Stimmung mit markigen Sprüchen auf, Alice Weidel übernimmt. Es ist von "kleinen Arabern" die Rede, von "Messerstechern" und "Gruppenvergewaltigern".
Deutschland sei ein "Land der Deutschen" und solle das auch bleiben. Das kommt an. Im Saal, aber auch im Land. Umfragen zufolge ist die AfD auf dem Weg, stärkste Kraft zu werden.
Ja zu Kohleabbau und Atomstrom
Ihre Fans stört auch ein anderes Anliegen der AfD nicht. Sie will nicht nur den Kohlebergbau behalten und erneuerbare Energien abbauen, sondern auch zurück zur Atomkraft. Kleine Hightech-Kraftwerke könnten überall im Land entstehen. Das sei Energiepolitik der Zukunft.
Wo in Brandenburg diese Kernkraftwerke gebaut werden sollen, wo der dadurch entstehende Atommüll hin soll, wird nicht thematisiert. Und auch nicht, dass das Thema Atomkraft ausschließlich in der Zuständigkeit des Bundes liegt.
Wirtschaftliche Erfolge, aber Gegenwind aus Berlin
Darüber kann Dietmar Woidke, der amtierende Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat, nur den Kopf schütteln. Beim Spitzenkandidaten-Check im rbb-Fernsehen beantworten die Politiker Fragen und setzen eigene Themen. Woidke verbindet seine positive Haltung zum Kohleausstieg mit den wirtschaftlichen Erfolgen seiner Regierung in den vergangenen Jahren.
Das Wirtschaftswachstum liege deutlich über dem Bundesdurchschnitt, die Arbeitslosenquote sinke. Das sei auch Großansiedlungen wie Tesla zu verdanken, auf die Woidke sichtbar stolz ist.
Und den Wandel in der Lausitz, weg von der Braunkohle hin zu zukunftsweisenden neuen Technologien und Wirtschaftsfeldern, werde man auch meistern, betont Woidke. Schon jetzt habe die Bahn in Cottbus ein neues ICE-Werk gebaut und 1.200 Arbeitsplätze geschaffen. Die Stadt bekomme zudem eine staatliche Universitätsklinik mit medizinischen Studiengängen und Forschung.
Woidke bekräftigt Rückzugsabsicht bei AfD-Wahlsieg
Woidke setzt alles auf eine Karte: auf sich. Er hat sein politisches Schicksal mit dem Wahlausgang verknüpft. Falls die SPD nicht stärkste Kraft werde, stehe er für Regierungsämter nicht mehr zur Verfügung. Er wolle dann die "Verantwortung übernehmen, für das, was schiefgelaufen ist."
Letzten Umfragen zufolge kommt das an bei den Wahlberechtigten. Die SPD hat eine Aufholjagd in der Wählergunst gestartet und liegt nur noch knapp hinter der AfD.
Problematisch ist für die Landes-SPD der Gegenwind aus Berlin. Woidke glaubt, dass der schlechte Ruf der Bundesregierung auch ihm und seiner Partei schade. Konsequenterweise verzichtet er auch vollständig auf gemeinsame Wahlkampfauftritte mit dem Kanzler, obwohl der ja seinen Bundestagswahlkreis in Potsdam hat und auch dort wohnt.
Die CDU schaut auch nach Berlin
Das Problem hat Woidkes Noch-Koalitionspartner CDU nicht. Spitzenkandidat Jan Redmann zeigt sich gern mit Bundesprominenz. Friedrich Merz kommt gleich mehrmals. Der macht deutlich, dass die Ampel nach einer Niederlage Woidkes ein noch größeres Problem habe, womöglich vor dem Aus stehe. Die CDU könne jederzeit übernehmen.
Für Redmann ist der Rückenwind aus dem Bund ein Segen. Seine Partei liegt auf Platz drei in den Umfragen, aber ist weit entfernt davon, zumindest zweitstärkste Kraft hinter der AfD zu werden. Redmann ist im Land eher unbekannt. Schlagzeilen machte er nur damit, dass er betrunken auf einen E-Roller erwischt wurde.
Bei den Sachthemen schreibt sich die CDU die Bezahlkarte für Geflüchtete und die Grenzkontrollen auf die Habenseite. Migration ist eben auch hier ein Thema. Redmann betont beim TV-Kandidatencheck des rbb, dass vor allem Fachkräfte ins Land kommen sollten, ungeregelte Migration lehnt er ab. Und er brachte im Sommer einen Vorstoß gegen das Bürgergeld ein. Das solle abgeschafft werden, weil es verhindere, dass Menschen wieder in Arbeit kommen. Mehr fordern als fördern.
Der Mitte-Populist und die Dönerpreisbremse
Bei Peter Vida, dem Vorsitzenden von BVB/Freie Wähler, kann er da mit Unterstützung rechnen. Statt Bürgergeld fordern die Freien Wähler eine Steuererleichterung für die "arbeitende Bevölkerung".
Die Freien Wähler sind bei der vergangenen Wahl knapp in den Landtag eingezogen. Dieses Mal könnten sie das Zünglein an der Waage sein, weil im Brandenburger Wahlrecht ein Direktmandat reicht, um die Partei mit ihrer gesamten Stimmprozentzahl einziehen zu lassen. Kommen die BVB/Freie Wähler in den Landtag, bringt das die Koalitionsfrage in Bewegung. Denn sie wollen in die neue Regierung, die Grünen in der jetzt regierenden Kenia-Koalition ersetzen.
Vida betrachtet sich als Populist der Mitte, will konsequent Brandenburger Politik "von unten" machen. Dazu gehöre es, nicht nur zu kritisieren, sondern immer auch Lösungen anzubieten. Zum Beispiel bei der Frage des Erhalts der Krankenhäuser im Land. Dazu bekennen sich zwar alle Parteien, aber Vida will mit direkter Demokratie Druck machen.
Im Wahlkampf fiel Vida mit einem Angebot an junge Menschen auf: Er hat Gutscheine als sogenannte Dönerpreisbremse an Schüler verteilt. Damit bekamen Schüler in einem Bernauer Imbiss den Döner zum halben Preis.
Für Grüne und Linke wird es schwer
So bunt ist der Wahlkampf der Grünen nicht. Die Partei muss um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Auch sie leidet unter dem schlechten Ruf der Bundesregierung in Berlin. Viele Fehler der Ampel werden den Grünen angelastet, und sie machen sich in Brandenburg auch nicht wirklich beliebt, wenn sie einen noch früheren Kohleausstieg als 2038 fordern.
In der Potsdamer Kenia-Koalition haben sie vergleichsweise geräuscharm und konstruktiv mitregiert, aber daraus können sie kein Kapital schlagen. Erschwerend kommt hinzu, dass ihre beiden Spitzenkandidaten Antje Töpfer und Benjamin Raschke eher unbekannt sind.
Das Problem hatte auch Sebastian Walter, der Spitzenkandidat der Linken. Er setzt im Wahlkampf auf ein großes Vorbild, erklärte sich auf Plakaten kurzerhand zu Robin Hood. Nehmt den Reichen, gebt den Armen. Zitat: "Jede Zeit braucht ihren Robin Hood." Das kam an.
Seine Partei allerdings nicht. Bei einem Open Air eine Woche vor der Wahl in Potsdam bleiben viele Stühle leer. Selbst ein Liveauftritt von Sebastian Krumbiegel von den Prinzen nützt da nichts. Die Linke will als soziale Opposition Politik für die "normalen Menschen" machen, doch die bevorzugen jetzt andere. Zu viele ehemalige Linken-Sympathisanten sind zum BSW gewechselt.
Shootingstar BSW - ohne Brandmauer nach rechts
So hat das BSW auch in Brandenburg wie schon vorher in Sachsen und Thüringen die Parteienlandschaft kräftig durcheinandergewirbelt. Selbst die AfD, die ja sonst vor Selbstbewusstsein strotzt, sieht sich genötigt zu warnen: Spitzenkandidat Berndt ruft seinen Anhängern beim Familienfest in Werder an der Havel zu: "Wer will, dass sich etwas ändert im Land, darf nicht BSW wählen. Sahra Wagenknecht ist nur dazu da, dass alles weiter so geht."
Wagenknecht und ihr Spitzenkandidat Crumbach sehen das gelassen. Sie werden sehr wahrscheinlich ein gutes zweistelliges Wahlergebnis einfahren und haben schon mal erklärt, mit wem sie nicht koalieren würden: mit den Grünen und der AfD. Sollte die AfD aber im Landtag wider Erwarten sinnvolle Anträge einbringen, könne man sich vorstellen, diese zu unterstützen.