SPD im Wahlkampf Letzte Ausfahrt Brandenburg
Bei der Wahl in Brandenburg geht es für die SPD um viel. Die Sozialdemokraten wollen stärkste Kraft werden und weiter den Ministerpräsidenten stellen. Gelingt das nicht, erhöht sich der Druck auf die Parteispitze in Berlin.
Wenn in Deutschland am Wahlabend die ersten Prognosen über den Äther und die Bildschirme rauschen, ist es beim Kanzler, der am Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen in New York teilnimmt, 12 Uhr mittags. High Noon.
Wer jetzt Kino im Kopf hat und im Hintergrund das Klagelied der Mundharmonika zu hören meint: Von Endzeitstimmung für die SPD, für sich selbst als Kanzler und künftiger Kanzlerkandidat will Olaf Scholz natürlich nichts wissen. Gern verweist er an dieser Stelle darauf, dass die SPD, dass er es schon geschafft habe, erfolgreich zu sein - trotz Umfragetiefs und schlechter Wahlprognosen.
Kämpfen, kämpfen, kämpfen
Die SPD, lässt der Kanzler wissen, sei eine kampferprobte Partei. Er ist nicht der Einzige, der in den vergangenen Tagen und Wochen den sozialdemokratischen Kampfgeist beschwört. Auch beim Sommerfest der Parteizeitung "Vorwärts" ist das Wort "kämpfen" in aller Munde.
Natürlich werde die Partei kämpfen, ruft auch SPD-Chefin Saskia Esken. "Das versteht sich doch von selbst", schiebt sie nach. Es klingt allerdings nicht besonders enthusiastisch. Vielleicht, weil bereits bei der Frage, wer mit wem für was kämpft, die Selbstverständlichkeit inzwischen aufhört.
Wahlkampfauftritte lieber ohne Kanzler
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat dankend auf gemeinsame Wahlkampfauftritte mit dem Kanzler verzichtet, obwohl der in Brandenburg sogar seinen Wahlkreis hat.
Plakatiert wurde "Wer Woidke will, muss SPD wählen", was fast schon entschuldigend wirkt und vielleicht auch so gemeint ist. Dem BrandenburgTrend zufolge, einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag der ARD, würde jeder Zweite für Amtsinhaber Woidke stimmen, wenn es eine Direktwahl wäre. Mit der SPD tut man sich deutlich schwerer.
Woidke ist das Zugpferd. Nicht der Kanzler, nicht die SPD und schon gar nicht die Ampel-Regierung, von der sich der Brandenburger Ministerpräsident deutlich abgrenzt. Nicht schlimm, meint Olaf Scholz, denn es gehe ja um Dietmar Woidke. Um Brandenburg. Und darum, dass die Sozialdemokratische Partei hier ein klares Mandat bekomme.
Von Brandenburg hängt viel ab
Die SPD regiert das Bundesland seit 1990. Nach den schlechten Ergebnissen bei der Europawahl, den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen wäre eine Niederlage hier gegen die AfD, die Umfragen zufolge noch ganz knapp die Nase vorn hat, ein weiterer Schlag für die Sozialdemokraten. Auch weil Woidke angekündigt hat, nicht mehr weitermachen zu wollen, sollte die SPD nur zweitstärkste Kraft werden.
Das würde zu Personaldiskussionen führen. Nicht nur in Brandenburg, sondern auch in Berlin, wo es schon jetzt rumort. Ist die SPD mit ihrer Führung richtig aufgestellt? Ist Olaf Scholz wirklich der richtige Kanzlerkandidat? Fragen, die schnell jede inhaltliche Debatte überlagern.
Nicht ohne Grund appelliert SPD-Parteichef Lars Klingbeil an alle Sozialdemokraten, ihren Teil dazu beizutragen, um Wählervertrauen zurückzugewinnen. "Wir brauchen einen geschlossenen Kampf", mahnt er.
Die K-Fragen
Einen Kampf, der gemeinsam mit dem Kanzler geführt werden soll. Mit einem klaren Fokus auf sozialdemokratische Themen. Doch ein "weiter wie bisher" wollen längst nicht mehr alle in der SPD mittragen.
Die Frage, welchen Kurs die Partei einschlagen sollte, um Wählergunst zurückzugewinnen, wird durchaus kontrovers diskutiert. Sollte sich Dietmar Woidke in Brandenburg durchsetzen, könnte das die latent schwelende Debatte befeuern. Denn der Ministerpräsident steht für einen pragmatischen, realpolitischen Ansatz.
Er hat den Autobauer Tesla nach Brandenburg geholt, den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung hinausgezögert und spart nicht mit Kritik an Entscheidungen, die der Kanzler, aber auch SPD-Minister vertreten, ob bei Gesundheitsthemen oder in der Migrationspolitik.
Der Kanzler bleibt zuversichtlich
Kanzler Scholz scheint das alles nicht anzufechten. Er gibt sich unverdrossen zuversichtlich. Gerade in diesen Zeiten brauche es Klarheit, Festigkeit und Charakter. Und dafür stünden die Sozialdemokraten. Für ihn ist die Richtung, in die es gehen muss, klar: vorwärts!
Der Kampf um die Zukunft, sagt er beim Sommerfest der Parteizeitung, sei auch ein Kampf um die Hoffnung. Und die stirbt bekanntlich zuletzt.