Landtagswahlen in Ostdeutschland Bürgerrechtler warnen vor Koalitionen mit dem BSW
Das Bündnis Sahra Wagenknecht könnte nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg in Regierungsverantwortung kommen. Ehemalige DDR-Bürgerrechtler sehen das kritisch - und appellieren vor allem an die CDU.
Vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg warnen frühere DDR-Bürgerrechtler vor einer Regierungsbeteiligung der neuen Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Es herrsche eine große Beunruhigung, dass das BSW mitregieren könnte, vor allem wegen der außenpolitischen Positionen der Wagenknecht-Partei, sagte die ehemalige Chefin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Marianne Birthler, der Nachrichtenagentur dpa.
Die Sorge ist auch Tenor eines Offenen Briefes, der laut Birthler von Sachsen ausging und von ihr unterstützt wird. Auch der frühere Bürgerrechtler und letzte DDR-Außenminister, Markus Meckel (SPD), bestätigte der dpa, dass er das Schreiben mitträgt. Parteigründerin Sahra Wagenknecht wies die Kritik zurück und ging die Initiatoren des Briefs ihrerseits scharf an.
Appell an die demokratischen Parteien
In dem auf der Plattform X veröffentlichten Papier werden vor allem Aussagen von Wagenknecht und anderen BSW-Mitgliedern zum Krieg in der Ukraine als falsch kritisiert. Unter anderem habe Wagenknecht Mitte 2023 im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesagt, alle Militärexperten sagten eine Niederlage der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland voraus - was nicht der Fall sei.
Angeführt werden noch weitere Beispiele, die aus Sicht der Autoren des Papiers irreführend sein sollen. Der Brief endet in einem Appell an die demokratischen Parteien und vor allem die CDU, sich genau zu überlegen, ob sie nach den Landtagswahlen eine Koalition mit dem BSW eingehen oder sich tolerieren lassen wollten.
Zudem sollten sich die Parteien klarer vom "nationalen Sozialismus" des BSW distanzieren, heißt es in dem Papier weiter. Dahinter stehen nach Angaben der Initiatoren 58 Personen.
Harte Kritik von Wagenknecht
Wagenknecht reagierte scharf. "Der Brief ist wohl kaum im Sinne der DDR-Bürgerrechtsbewegung, von der sich viele unter den Slogans 'Frieden schaffen ohne Waffen' und 'Schwerter zu Pflugscharen' für Frieden, Diplomatie und ein Ende des Wettrüstens einsetzten", erklärte die BSW-Vorsitzende auf Anfrage der dpa. "Das Bemühen um eine diplomatische Beendigung des Ukraine-Krieges als russische Propaganda zu diffamieren, ist auch eine Beleidigung für Millionen Ostdeutsche, die zu Recht Angst vor einem großen europäischen Krieg haben."
Hier solle offenbar eine neue Partei, die vielen Menschen aus dem Herzen spreche, wenige Wochen vor entscheidenden Wahlen diskreditiert werden, mutmaßte Wagenknecht. "Dass sich aktuell viele Ostdeutsche bei politischen Debatten wieder an die Enge der DDR-Zeit erinnert fühlen, müsste eigentlich frühere Bürgerrechtler auf den Plan rufen." Doch hätten die Briefeschreiber offenkundig den Kontakt zur Bevölkerung weitgehend verloren.
CDU schließt Zusammenarbeit bislang nicht aus
Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler wie Meckel und Birthler oder der Sachse Martin Böttger, der jetzt den Offenen Brief initiiert hat, hatten im Herbst 1989 gegen die DDR-Einheitspartei SED und die Staatsführung in Ostberlin protestiert, bis diese stürzten. Wagenknecht trat hingegen noch 1989 der SED bei. Sie verteidigte die DDR noch Jahre nach deren Ende. Davon distanzierte sie sich später.
Im September werden in Thüringen, Sachsen und Brandenburg neue Landtage gewählt. In Umfragen erreicht das BSW in den drei Ländern teils Werte von 15 bis 20 Prozent. Die CDU in den drei Ländern hat eine etwaige Zusammenarbeit mit der neuen Partei nicht ausgeschlossen.
Wagenknecht hatte vergangene Woche gesagt, das BSW werde sich nur an einer Landesregierung beteiligen, "die auch bundespolitisch klar Position für Diplomatie und gegen Kriegsvorbereitung bezieht".