Kommunalwahlen in Thüringen Ein erster Stimmungstest
Das Superwahljahr beginnt mit den Kommunalwahlen in Thüringen. Die CDU will ihren Führungsanspruch unterstreichen, die Linke sich selbst finden und das BSW tritt erstmals zu einer Wahl an. Sie alle setzen auf Themen vor Ort.
Der 25. Juni 2023 hat den Blick auf Kommunalwahlen verändert. Im Landkreis Sonneberg gewann mit Robert Sesselmann erstmals ein AfD-Kandidat eine Landratswahl. Seitdem kennt ganz Deutschland Thüringens südlichsten Kreis. Jede noch so kleine Wahl, bei der die in Teilen rechtsextreme Partei sich als mehrheitsfähig erweisen könnte, steht unter besonderer Beobachtung.
Damals sei das Heizungsgesetz der Berliner Ampel-Regierung der große Aufreger gewesen, erinnert sich Christian Tanzmeier, Chef der CDU-Fraktion im Sonneberger Kreistag. An der Stimmung habe sich nichts geändert. "Diese Grundunzufriedenheit schlägt uns im Wahlkampf entgegen", sagt er.
Sonneberg: Die Wahl nach der Wahl
Am Sonntag wählt Sonneberg seinen Kreistag neu. Tanzmeier, 33 und Spitzenkandidat der CDU, will mit kommunalen Themen dagegenhalten: Bildung und Gesundheitsversorgung sollen "an erster Stelle" stehen.
So ist der regionale Klinikverbund insolvent. Der Landkreis soll für den Weiterbetrieb Geld in die Hand nehmen - ausdrücklich auch, um beide betroffene Krankenhäuser im Kreis zu retten. "Wir müssen die wohnortnahe Gesundheitsversorgung sicherstellen", sagt Tanzmeier. Zudem soll die Sanierung der Schulen angegangen werden.
Insgesamt wählen die Bürger in Thüringen am Sonntag 17 Kreistage, 605 Stadt- und Gemeinderäte, 13 Landräte und 94 Bürgermeister und Oberbürgermeister. Die CDU schickt die mit Abstand meisten Bewerber ins Rennen. Sie will ihren Führungsanspruch gegenüber der AfD und der Linken untermauern. Die Kreistagswahl in Sonneberg steht allerdings nicht besonders im Fokus, heißt es aus der Parteizentrale.
CDU setzt auf breites Angebot
Dabei geht es hier um einiges. Landrat Sesselmann hat bislang keine eigene Mehrheit im Kreistag. Mit einer gestärkten AfD-Fraktion und einer ihm wohlgesinnten Wählervereinigung könnte sich das nach der Wahl ändern.
Als Sesselmann ein Demokratieförderprojekt streichen wollte, scheiterte er noch am zuständigen Ausschuss - auch an der CDU. Die betonte, dass Vereine, Sport, Kinder- und Jugendarbeit auf die Mittel angewiesen sind.
Christian Tanzmeier müht sich im Gespräch, die Wahl nicht allein auf den Landrat herunterzubrechen. Die CDU wolle ein "starkes Ergebnis" einfahren, sagt er. Sie habe die "vielschichtigste Liste" aller Parteien. Er selbst trete dafür an, "dass wir eine breite demokratische, politische Diskussion im Landkreis haben".
Suhl: Zweikampf ums Oberbürgermeisteramt
In Thüringen, wo eine rot-rot-grüne Landesregierung ohne eigene Mehrheit regiert, will sich die CDU am Sonntag daran messen lassen, wie viele Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister sie nach der Wahl stellt. In der kreisfreien Stadt Suhl etwa soll André Knapp das Oberbürgermeisteramt halten.
Der CDU-Mann hat nur einen einzigen Gegenkandidaten: Steffen Hartwig von der Linkspartei. Hartwig, 54, Reiseberater sagt, er sei "dem Ruf der Demokratie gefolgt". Die Suhler müssten eine Wahl haben.
Ein großes Thema sei Migration, so Hartwig. In Suhl steht die Erstaufnahmeeinrichtung des Freistaats. Die Anlage ist oft überbelegt. Feuerwehr und Polizei rücken regelmäßig aus. Die hygienischen Zustände gelten als schwierig. Die Landesregierung löst die Erstaufnahme deshalb bis 2026 auf. Die Stadt kann nur das Drumherum managen.
Hartwig hat selbst als Sozialbetreuer dort gearbeitet und will mehr für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund tun. Er will Wohlfühlmanager von Haustür zu Haustür schicken, damit alte Menschen nicht mehr vereinsamen. Und er will den Pflege-Sektor in der Stadt stärken.
Linkspartei will sich zurückmelden
Nur gebe es in Suhl keine Wechselstimmung, sagt Hartwig. Und auch keinen aufgeheizten Wahlkampf. Das liegt zum einen daran, dass die AfD keinen Kandidaten aufgestellt hat. Zum anderen gehen er und Amtsinhaber Knapp pfleglich miteinander um.
Doch auch in Suhl hat seine Partei zuletzt abgebaut. Zwar saß die Linke nie im Rathaus. Bei Landtagswahlen kam sie aber lange auf Werte um die 40 Prozent, stellte im Stadtrat die stärkste Fraktion. Bei den Stadtratswahlen 2019 waren es nur noch 18 Prozent. Wenn die Partei bei der Landtagswahl im Herbst etwas reißen will, dann braucht sie Rückhalt aus Orten wie hier.
Hartwig spricht von einem Generationenwechsel und von "Reibungsverlusten". Mit seiner Nominierung habe sich die Stimmung gedreht. Viele Stadtratskandidaten seien jung und engagiert. Die Partei profitiere von der Aufmerksamkeit auf der Oberbürgermeisterwahl.
"Wir werden zeigen, dass die Linke noch eine kräftige Stimme hat", sagt Hartwig. Was dabei helfen könnte: Das neu gegründete "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) tritt in Suhl nicht an.
Zeulenroda-Triebes: Sieben Kandidaten fürs Rathaus
Anders sieht es in der Kleinstadt Zeulenroda-Triebes im Osten Thüringens aus. Hier will Anja Tischendorf Deutschlands erste BSW-Bürgermeisterin werden. Für das BSW sind die Thüringer Kommunalwahlen die ersten Wahlen überhaupt.
"Die Menschen sind uns gegenüber aufgeschlossen", sagt Tischendorf, eine 47-jährige Bürohändlerin. Viele würden das BSW als Alternative zur AfD wahrnehmen. Auch die Haltung zum Krieg in der Ukraine spiele eine Rolle. Allerdings: Die Kommunalwahlen würden Themen vor Ort entscheiden.
Gesprächsthema Nummer Eins ist das Spaßbad von Zeulenroda-Triebes. Der Betrieb ist sanierungsbedürftig. Die Kosten belaufen sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Zu viel, meinte eine Mehrheit im Stadtrat, die dem Spaßbad gerade die Rettung versagt hat.
Anja Tischendorf, selbst Stadträtin, findet das richtig. "Wir müssen realisieren, dass die Stadt sich nicht alles leisten kann", sagt sie. Die Menschen fühlten sich von der Politik zudem nicht mehr mitgenommen. Als Bürgermeisterin wolle sie die Ortsteile mehr einbeziehen und mehr für Kinder und Jugendliche tun.
Wagenknecht-Partei tritt nicht in der Fläche an
In den Stadtrat wurde sie vor fünf Jahren noch als Mitglied der Linkspartei gewählt. Doch Tischendorf will sich über den Umgang mit Waffenlieferungen und der Regierungskrise in Thüringen von der Partei entfremdet haben. "Ich war auch schon immer eine Anhängerin von Sahra Wagenknecht", sagt sie.
Jetzt ist Tischendorf eine von sechs Kandidaten, die den parteilosen Bürgermeister Nils Hammerschmidt herausfordern. Der musste für seine Amtsführung wiederholt Kritik einstecken. Tischendorf hofft auf den Einzug in die Stichwahl und sagt: "Es wird sicher knapp werden."
Für den Stadtrat hat das BSW neben Tischendorf vier weitere Kandidaten aufgestellt. Die Partei, die streng kontrolliert, wer eintreten darf, hat in Thüringen erst ein paar Dutzend Mitglieder und tritt zu ihrem ersten Härtetest nicht flächendeckend an. Tischendorf muss ihren Wahlkampf selbst organisieren und finanzieren.
Bei Umfragen zur Landtagswahl in Thüringen liegt das BSW um die 15 Prozent, gerade neue Parteien sind für Demoskopen aber schwer einzuschätzen. Auch Tischendorf schraubt die Ambitionen für Sonntag herunter: "Wir sehen die Kommunalwahlen als ersten Fingerzeig für die kommenden Wahlen", sagt Tischendorf, aber "ohne das Ganze überzubewerten".