Nach OB-Wahl in Nordhausen Wo die Grenzen der AfD liegen
Die Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen sollte der nächste große Triumph der AfD werden. Es kam anders. In dem Wahlergebnis stecken viele Lehren - sowohl für die teils extrem rechte Partei als auch für die anderen.
Das Wort zum Sonntag hieß "überraschend". Überraschend, da waren sich viele Journalisten einig, hat die AfD die Stichwahl in Nordhausen in Thüringen verloren. Fast zehn Prozentpunkte lag Kandidat Jörg Prophet am Ende hinter dem alten und neuen Oberbürgermeister Kai Buchmann.
Dabei schien die Ausgangslage günstig. Prophet hatte im ersten Wahlgang mit 42,1 Prozent der Stimmen noch deutlich vor dem parteilosen Buchmann gelegen. Der war auf 23,7 Prozent gekommen - und erhielt anschließend nur teilweise Unterstützung von Parteien. Nicht nur in der AfD hatte man deshalb damit gerechnet, dass es in Nordhausen den dritten großen Erfolg bei einer Kommunalwahl gibt.
Durchmarsch bleibt aus
Zuvor war der Durchmarsch, den sich mancher nach der erfolgreichen Landratswahl in Sonneberg erhoffte, ausgeblieben. Schon vor Nordhausen scheiterten in einem halben Dutzend Städten und Gemeinden im Osten Deutschlands aussichtsreiche Kandidaten. Wohl auch deshalb wurde Nordhausen zur "Richtungswahl" aufgeheizt, jetzt spricht in der AfD nur noch von einem "Achtungserfolg".
Es ist ein kleiner Stimmungsdämpfer für die AfD, die durch die Siege in Sonneberg und auch bei der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz ein Sommerhoch erlebte. Funktionäre berichten von einem Andrang an Neumitgliedern. Unter den Alteingesessenen fassen nun immer mehr den Mut, für Ämter zu kandidieren. Die AfD, die bislang in Ostdeutschland Probleme hatte, alle geholten Mandate in Gemeinderäten zu besetzen, breitet sich damit in der Fläche aus.
Kandidaten mitentscheidend
Doch im Detail zeigt sich: Es reicht nicht, wie ein Ex-AfD-Mann vor Jahren spottete, einen "Besenstiel blau anzustreichen" und aufzustellen. Zumindest dann nicht, wenn es um ein Amt geht. Robert Sesselmann in Sonneberg, Hannes Loth in Raguhn-Jeßnitz und auch Jörg Prophet in Nordhausen waren bereits in der Kommunalpolitik lange aktiv. Ihre Kampagnen waren - anders als die mancher Parteikollegen - gut vorbereitet. Außerdem verzichteten sie auf direkte Angriffe auf ihre Mitbewerber.
Nordhausen zeigt nun erneut, dass die AfD anders als in der Vergangenheit stärker mobilisieren kann. Prophet bekam rund 1.000 Stimmen mehr als im ersten Wahlgang.
Die Partei sammelt Überzeugte und Unzufriedene. Und der Unmut ist in einem Teil der Bevölkerung immens. Themen wie die Unterstützung der Ukraine, das Heizungsgesetz und die Asylpolitik strahlen weiterhin weit in die Kommunalebene hinein und beflügeln die AfD. Dem wiedergewählten Oberbürgermeister Buchmann dürfte es da geholfen haben, kein Parteibuch zu besitzen.
Gute Ausgangslage für AfD
Der Streit mit der AfD um Ämter rückt die Kommunalpolitik im Osten wieder in den Fokus der Bevölkerung. Während in Mannheim in Baden-Württemberg gerade eine Oberbürgermeisterwahl mit kaum mehr als 30 Prozent Wahlbeteiligung entschieden wurde, lag sie in Nordhausen bei knapp 60 Prozent.
Fruchtbar ist der Boden für die AfD dort, wo die Politik vor Ort ins Stocken gekommen ist. In Sonneberg war der Landratsessel zwei Jahre lang de facto verwaist gewesen, nachdem der Amtsinhaber schwer erkrankt war. Der Amtsarzt musste schließlich seine Dienstunfähigkeit feststellen. In Raguhn-Jeßnitz war es ähnlich. In Nordhausen wiederum galt der Parteilose Buchmann zwar als beliebt, hatte sich aber in seiner ersten Amtszeit mit einem Gros der Kommunalpolitik überworfen.
AfD-Positionen offengelegt
In Nordhausen wurdem zudem klarer, wofür die AfD und ihr Kandidat stehen. Vertreter der Zivilgesellschaft wie der Stiftungsdirektor der Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, stellten sich öffentlich gegen die Partei. Das ehemalige KZ Mittelbau-Dora liegt in Nordhausens Stadtgebiet. Wagner wies wiederholt darauf hin, dass Prophet von einem "Schuldkult" der Deutschen gesprochen hatte und dass der Verfassungsschutz ihn wegen seiner Aussagen spätestens ab 2021 im Blick hatte. Am Samstag vor der Stichwahl hielt die Initiative "Nordhausen Zusammen" eine Kundgebung auf dem Rathausplatz ab.
Prophet wiederum hielt am selben Ort eine Woche zuvor mit dem AfD-Bundeschef Tino Chrupalla und dem Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, eine Kundgebung ab, auf der Krah versuchte, die Bombardierung Nordhausens im Zweiten Weltkrieg zu instrumentalisieren.
Schon vor dem ersten Wahlgang hatte Prophet eine Veranstaltung des rechtsextremen "Compact"-Magazins besucht. Die fortschreitende Normalisierung der AfD erreichte wohl auch deshalb eine wahlentscheidende Grenze.
CDU und andere hielten sich zurück
Das freute die anderen Parteien. Thüringens CDU-Landeschef Mario Voigt kommentierte das Wahlergebnis am Sonntag: "Der Norden Thüringens bleibt stabil." Dabei hatte die CDU auf eine Wahlempfehlung sowohl für Buchmann als auch gegen Prophet verzichtet. Ähnlich verhielten sich der lokale Unternehmerverband und die Domgemeinde.
In der CDU ist man sich sicher, dass in Sonneberg ihr CDU-Kandidat auch deshalb verloren hat, weil er von allen anderen Parteien gegen die AfD unterstützt wurde. Eine solche "Einheitsfront", wie sie die AfD nennt, gab es diesmal nicht. Auch Buchmann selbst soll lieber auf kleinere Netzwerke und persönliche Unterstützer gesetzt haben.
Auch das mediale Interesse an der Wahl war zwar ungebrochen, aber weniger emotional aufgeladen. Für Sonneberg stehen bis heute die Fernsehbilder einiger Eiscafé-Besucher, die wenige Tage vor der Wahl in aller Öffentlichkeit Nazisprüche in die Kamera abließen. Aus Nordhausen gab es solche Aufnahmen nicht.
Augenmerk auf Bitterfeld-Wolfen
Eine Stadt, aus der es in den vergangenen Jahren viele Reportagen gegeben hat, ist Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt. Auch in der AfD-Hochburg wurde am Sonntag der Oberbürgermeister gewählt. Kandidat Henning Dornack holte für seine Partei 33,7 Prozent der Stimmen. Amtsinhaber Armin Schenk von der CDU kam auf 29,1 Prozent. Beide treten nun in zwei Wochen zur Stichwahl an. Nach den Erfahrungen der vergangenen Monate dürfte der Vorteil eher nicht bei der AfD liegen.