Streit um 12-Punkte-Plan Keine "Koalitionsspielchen" der FDP
Die Ampel-Parteien diskutieren weiter über die Wirtschaftspläne der FDP. Wogen glätten heißt es bei der SPD, die Liberalen bleiben bei ihrer Meinung. Die Koalition muss sich nun auf die Suche nach Gemeinsamkeiten machen.
Kurz vor ihrem Parteitag am Wochenende hat die FDP einen Plan vorgelegt, der Deutschland vor allem wirtschaftlich wieder stärken und voranbringen soll. Zwölf Punkte reihen die Liberalen dafür auf - von denen einige bei den Koalitionspartnern SPD und Grüne für ziemlichen Unmut sorgen.
Für die Union bietet der neu aufziehende Zwist Grund genug, erneut vor einem Scheitern der Ampel zu warnen. Sich selbst sehen CDU und CSU gewappnet, um sofort in einen vorgezogenen Wahlkampf zu starten, sollte sich der 12-Punkte-Plan der FDP wirklich als "Scheidungsurkunde" für die Regierungskoalition bewahrheiten.
Doch davon will Christian Lindner, Parteichef der FDP, nichts wissen. "Ich mache nicht Koalitionsspielchen - mir geht's darum, in einer schwierigen Wirtschaftslage unseres Landes Impulse zu setzen", betonte der Bundesfinanzminister im ZDF. Aus der Ampel auszusteigen und stattdessen den Schulterschluss mit der Opposition zu suchen, kommt für ihn nicht infrage. Denn immerhin trage doch die CDU "Mitverantwortung für die Lage dieses Landes, diese Wachstumsschwäche ist doch nicht über uns gekommen in den letzten Wochen".
Deutschland verzeichne das schlechteste Wachstum unter den entwickelten Wirtschaftsnationen, betonte Lindner. Und das Ziel seiner Partei sei es, die Bundesrepublik wirtschaftlich zurück auf den "Erfolgspfad" zu führen. "Da muss jeder seine Beiträge zu leisten, auch in der Koalition - ich denke, das ist das, was die Menschen erwarten von uns als Regierung", so der FDP-Chef.
"Wohlstand ist kein Naturgesetz"
Ganz ähnlich formuliert auch der Generalsekretär der FDP die Ziele der eigenen Partei. "Wir müssen den Wirtschaftsstandort Deutschland fit machen für die Zukunft", betonte Bijan Djir-Sarai im ARD-Morgenmagazin. Wohlstand sei kein Naturgesetz, "wir müssen uns das erarbeiten".
Eine "starke wirtschaftliche Grundlage" sei die Basis "für alles andere", so Djir-Sarai. Und meint damit "ökologische Transformation", die Finanzierung der Sicherheitspolitik - und eben auch die Sozialausgaben. Die will die FDP eingrenzen, beim Bürgergeld etwa. Und trotzdem heißt es vom Generalsekretär, es gehe nicht darum, "den Sozialstaat zu kürzen". Denn der sei "eine große Errungenschaft". Ein Fortschritt wäre es, in den kommenden drei Jahren keine zusätzlichen Sozialausgaben einzuführen.
Das stehe so auch in dem 12-Punkte-Plan der FDP. In dem auch Djir-Sarai keinesfalls eine Provokation in Richtung der beiden Koalitionspartner sieht. Denn es sei schließlich "nichts außergewöhnliches", dass eine Partei im Vorfeld eines Parteitags "ein Papier schreibt und ihre Vorstellungen präsentiert".
Eine neue Suche nach den "Schnittmengen"
Auch für SPD-Parteichef Lars Klingbeil ist der Plan der FDP für eine "Wirtschaftswende" in Zusammenhang mit dem Parteitag einzuordnen. Da habe "jede Partei das Recht", eigene Positionen zu präsentieren, so Klingbeil in den tagesthemen. Und im Gegenzug hätte die SPD als Koalitionspartner das Recht, zu sagen, was mit ihr nicht geht. Rentenkürzungen etwa, den Sozialstaat zu schwächen. "Das kann nicht die Antwort auf die Herausforderungen sein, vor denen wir stehen", so Klingbeil.
Gespalten sieht der SPD-Chef die Regierungspartei aber ebenfalls nicht - auch wenn es durchaus zu viel Streit gegeben habe. Nun müssten aus den verschiedenen Positionen eben die "Schnittmengen" herausgefiltert werden. Es gibt sie, die Gemeinsamkeiten, ist Klingbeil überzeugt. Und da müssten sich die Ampel-Partner "zusammenraufen" und "zu dritt anpacken".
"Das sind Respektsfragen"
So diplomatisch gibt sich Kevin Kühnert, Generalsekretär der SPD, im ARD-Morgenmagazin nicht. Natürlich sei es notwendig, bei Herausforderungen "Konzepte entgegenzustellen" und "von Zeit zu Zeit" sei es ebenso notwendig, "die Unterschiede herauszuarbeiten". Ein Parteipapier vor einem Parteitag ist auch aus Sicht Kühnerts völlig legitim.
Das Problem für den Generalsekretär sind die Inhalte des FDP-Plans. "Die Leute arbeiten zu wenig, gehen zu früh in Rente und Deutschland nimmt zu viele Sozialleistungen in Anspruch", interpretiert Kühnert selbst die Sichtweise der Liberalen. Da sei es auch seine Aufgabe als Generalsekretär, "mal auf den Tisch zu hauen" und zu zeigen: "So ist die Situation nicht." Das Thema Rente, das Thema Sozialausgaben - das seien auch "Respektsfragen". "Da sind wir sehr penibel", so Kühnert.
Ein "vertrauensvolles Wort" zwischen Scholz und Lindner?
Um wieder Ruhe in den neu hochkochenden Streit zwischen den Ampel-Partnern zu bringen, sieht Anton Hofreiter von den Grünen auch Olaf Scholz in der Pflicht. "Am Ende bin ich der Meinung, dass es in vielen Punkten viel stärker auf den Kanzler ankommt", sagte Hofreiter auf ntv. Er erwarte, "dass der Kanzler ein vertrauensvolles Wort mit Herrn Lindner spricht und sagt: 'Schau mal, so funktioniert das halt nicht'".
Den Zwölf-Punkte-Plan der FDP wertet Hofreiter auch als Versuch der Liberalen, sich aus dem derzeitigen Umfragetief zu retten. Im jüngsten ARD-DeutschlandTrend kam die FDP gerade einmal auf vier Prozent der Wählerstimmen. Würde jetzt der Bundestag neu gewählt, müsste die Partei also um den Wiedereinzug zittern.
"Man muss sich darüber im Klaren sein, dass wenn man bei den Umfragen bei vier Prozent oder knapp fünf Prozent steht, dass Leute dann auch mal stärker um sich schlagen, weil sie Sorge um den Bestand ihrer Partei haben", sagte Hofreiter weiter. Ob ein solches Agieren politisch sinnvoll sei, das müsse die FDP selber wissen.