Kritik an Familienministerin Paus FDP bleibt bei Kindergrundsicherung auf Konfrontationskurs
Die Kindergrundsicherung ist ein wichtiges Thema der Grünen und soll Kinderarmut bekämpfen - der Koalitionspartner FDP allerdings ist mit dem Projekt ganz und gar nicht einverstanden. Grünen-Chefin Lang verteidigte die Ministerin im Bericht aus Berlin.
Die geplante Kindergrundsicherung entwickelt sich zum zentralen Streit-Thema der Ampelkoalition. Wieder sind es vor allem Grüne und FDP, die sich ineinander verhakt haben. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bemühte sich zwar am Wochenende um Deeskalation, doch die Empörung der FDP über die von Paus für das Vorhaben geforderten zusätzlichen 5.000 Behördenstellen hält an. Sie bezeichnete den Gesetzentwurf zuletzt als nicht zustimmungsfähig.
Paus rudert bei Stellenforderung etwas zurück
Die Ministerin geht davon aus, dass die kritisierte Stellenzahl zumindest nicht auf Dauer benötigt wird. "Ich bin mir sicher, dass unter anderem durch Synergieeffekte und konsequente Digitalisierung die Gesamtzahl der Stellen noch reduziert werden kann", sagte Paus am Samstag der Nachrichtenagentur dpa. "Ich kann verstehen, dass die Zahl, die im Umlauf ist, Diskussionen verursacht. Es handelt sich dabei um Prognosen der Bundesagentur für Arbeit. Natürlich schauen wir uns sehr genau an, wo es Möglichkeiten zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes gibt."
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen äußerte dennoch Bedenken und forderte eine gründliche Überarbeitung der Pläne der Familienministerin. Sie sagte der dpa: "Es braucht keine neue Behörde, die ein System nur weiter bürokratisch aufbläht, das insgesamt nicht zielführend wirkt." Sie verhandle nicht in der Öffentlichkeit über die Anzahl der Bürokratiestellen. Der Arbeitsauftrag für die Familienministerin sei klar. "Bis jetzt ist sie ihm nicht nachgekommen."
FDP fordert Teilhabepaket statt Geldleistungen
Kinderarmut in Deutschland entgegne man zudem nicht mit mehr geldlichen Pauschalleistungen, "sondern mit Teilhabechancen", sagte Jensen. Doch anstatt über konkrete Punkte zu beraten, zwinge die Bundesfamilienministerin "der Öffentlichkeit immer wieder die Debatte über einen Gesetzentwurf auf, der in keinster Weise Kinderarmut bekämpft".
Wenn Pause sich einer sinnvollen Aufgabe widmen wolle, "dann schlage ich vor, dass sie dringend über ein Investitionsprogramm für die frühkindliche Bildung und die Weiterentwicklung von Qualität in den Kitas in ganz Deutschland verhandelt - mit ihren 16 Länderkollegen", sagte Jensen.
Bereits am Samstag hatte Jensens Parteikollege Christoph Meyer einen neuen Gesetzentwurf gefordert. Der vorliegende Entwurf sei "handwerklich schlecht, nicht zu Ende gedacht und hat juristische Lücken", sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Parlament vor Lisa Paus' Zeitplan oder ihren wirren Forderungen buckelt."
Auch SPD ist unzufrieden mit Gesetzentwurf
Kritik kommt allerdings nicht nur vom Koalitionspartner FDP. Auch die SPD ist noch nicht überzeugt von Paus' Entwurf: "Die Kindergrundsicherung ist ein komplexes sozialpolitisches Vorhaben mit vielen Schnittstellen zu anderen Sozialleistungen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Sönke Rix, der dpa. Diese Komplexität habe die Bundesregierung unterschätzt. "Der Gesetzentwurf lässt viele Fragen offen", kritisierte er. Die Fraktionen seien aber in guten Gesprächen dazu. Er sei überzeugt, dass sich die Probleme mit dem Willen aller Beteiligten lösen ließen.
Paus hatte erneut darauf hingewiesen, dass man mit dem Vorhaben "die bürokratischen Hürden für Familien in unserem Land deutlich verringern" wolle - damit sie einfacher die Unterstützung bekommen, auf die sie Anspruch haben. Die Grünen-Fraktion hatte in den vergangenen Tagen zwar die Bedeutung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Reformprojekts betont, allerdings meist ohne konkret auf die Kritik an den Vorschlägen von Paus einzugehen.
Unionspolitiker Frei: Paus sollte über Rücktritt nachdenken
Die Union legte der Familienministerin am Sonntag den Rücktritt nahe. "Anstatt für noch mehr Bürokratie zu sorgen, sollte Frau Paus sich eher überlegen, ob sie noch die Richtige für diese Aufgabe ist", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, der dpa. Der Dauerstreit der Ampel sei unerträglich und helfe den bedürftigen Kindern nicht.
Mit der Kindergrundsicherung sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag in einer einzigen Leistung gebündelt werden. Laut dem dazu bislang vorliegenden Entwurf umfasst die Kindergrundsicherung drei Bestandteile: einen einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der das bisherige Kindergeld ablöst, einen einkommensabhängigen und nach Altersklassen gestaffelten Zusatzbetrag, der den Kinderzuschlag ablöst, sowie ein pauschales Schulbedarfspaket und weitere Beträge für Bildung und Teilhabe.
Frei sagte, das Ziel, Leistungen zu bündeln, sei nicht falsch. Allerdings könne Paus "weder den Bürgern noch ihren Koalitionspartnern vernünftig erklären, was sich durch ihr Modell verbessern soll". Statt ein schlüssiges Gesamtkonzept zu präsentieren, "wirft sie lediglich mit Fantasiezahlen um sich", kritisierte der CDU-Politiker.
Lang nimmt Paus in Schutz
Grünen-Chefin Ricarda Lang verteidigte ihre Parteikollegin gegen die Kritik. Diese sei "eine Ministerin, die sich mit Leidenschaft für Familien und Kinder einsetzt", sagte Lang im Bericht aus Berlin. "Das erwarte ich von einer Familienministerin und dass sie gleichzeitig - das hat sie gestern erst wieder gezeigt - bereit ist, Kompromisse zu suchen, nach dem richtigen Weg zu suchen."
Das vorliegende Konzept, das jetzt die Grundlage der parlamentarischen Verhandlungen ist, sei "ein gemeinsamer Gesetzesentwurf von Lisa Paus, Hubertus Heil und Christian Lindner, den sie erarbeitet und gemeinsam vorgestellt haben", sagte Lang. Nun gehe es darum in parlamentarischen Verhandlungen noch die offenen Fragen zu klären. "Wer jetzt einen neuen Gesetzesentwurf fordert, da kommt doch der Eindruck auf, dass es eher darum geht, die Kindergrundsicherung zu blockieren." Das Thema Kinderarmut sei dafür jedoch zu ernst, es sei Zeit dass sich nun "alle mal zusammenreißen".