Ein Kind sitzt während der Ausgabezeit in einer Ausgabestelle der Berliner Tafel auf einer Bank.

Haushaltsdebatte Wie sicher ist die Kindergrundsicherung?

Stand: 06.12.2023 14:56 Uhr

Um das Haushaltsloch zu stopfen, schlägt Finanzminister Lindner auch vor, beim Sozialen zu sparen. Das könnte auch die Kindergrundsicherung treffen. Der Starttermin des Projekts wackelt bereits.

Von Sarah Beham, ARD-Hauptstadtstudio und Gabriele Dunkel, ARD Berlin

Sparen beim Sozialen? Geht es nach Bundesfamilienministerin Lisa Paus, kommt das nicht in Frage. Wie sie im Interview mit tagesschau.de sagt, drohe die geplante Kindergrundsicherung im Haushaltsloch nicht zu verschwinden: "Konkret müssen wir einen verfassungsgemäßen Haushalt für 2024 vorlegen und nicht einen neuen Finanzplan."

Das dürfte vorerst bedeuten: Es bleibt bei den lange umkämpften und umstrittenen 2,4 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung. Die Einführung ist erst für 2025 geplant - und damit nicht direkt von der Haushaltskrise 2024 betroffen.

Mit der Kindergrundsicherung sollen mehrere staatliche Leistungen vom Kindergeld bis zum Kinderzuschlag gebündelt werden. Vor ein paar Monaten wurde das Vorhaben noch als größtes Sozialprojekt der Ampel-Regierung beworben, mit dem Kinderarmut bekämpft werden soll. Daran hält die Ministerin bis heute fest, doch die Kindergrundsicherung sei auch "eine große Verwaltungsreform". Und Paus weiß: "Das ist mit Unruhe verbunden."

Sorge vor Doppelstrukturen und Bürokratie

Kritik und Sorgen wurden in den vergangenen Monaten aus den Bundesländern laut, im November kam dann die Stellungnahme des Bundesrats zur Kindergrundsicherung. Das Fazit der Bundesländer: Das Ziel, Kinderarmut zu bekämpfen, lasse sich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur in Teilen realisieren.

Die Länder haben diverse Änderungsvorschläge vorgenommen, sehen das Projekt skeptisch - insbesondere Bayern. Mit einem Antrag wollte der Freistaat als einziges Land den Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung ganz ablehnen. Aber, wie es auf tagesschau.de-Anfrage vom bayerischen CSU-geführten Familienministerium heißt: "Da die Ablehnung des Gesetzgebungsverfahrens aus Bayern nicht mehrheitsfähig war, hat der Freistaat sowohl Änderungsanträge eingebracht als auch Anträgen anderer Länder zugestimmt, um das Schlimmste zu verhindern."

Die Länder fürchten Doppelstrukturen mit den bisher zuständigen Jobcentern und dem im Rahmen der Kindergrundsicherung neuen Familienservice. Es drohe mehr statt weniger Bürokratie, so der Hauptvorwurf. "Der Ansatz ist richtig, die Umsetzung ist es noch nicht", sagt auch Manuela Schwesig, SPD-Politikerin und Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, auf Nachfrage. Das Gesetz müsse deshalb verbessert werden.

Zeitpunkt für Einführung wackelt

Jetzt ist der Bund wieder am Zug, um sich mit der Stellungnahme samt Änderungen des Bundesrats auseinanderzusetzen und darauf zu reagieren. Sie höre die Kritik und sei offen dafür, sagt Paus: "Wenn wir es noch besser machen können, wenn wir die Bürokratie noch weiter reduzieren können, dann bin ich die Letzte, die was dagegen hat."

Das ursprünglich geplante Einführungsdatum für die Kindergrundsicherung, der 1. Januar 2025, wackelt - wie es die zuständige Bundesagentur für Arbeit bereits prognostiziert hatte. Familienministerin Paus sagt jetzt: "Wir haben von der Bundesarbeitsagentur die Mitteilung, dass es sein kann, dass es vielleicht der 1. April ist. Wir haben auch den Hinweis von den Ländern, dass wir uns den Zeitplan noch mal anschauen. Und genau das tun wir." Die Kindergrundsicherung solle zwar so schnell wie möglich an den Start gehen, doch sie müsse auch funktionieren. Und dafür müssen zuallererst 5.000 neue Stellen geschaffen und Personal gefunden werden.

In der Bundesregierung prüft man nun offenbar tatsächlich einen späteren Start, eventuell auch eine "stufenweise Einführung der Kindergrundsicherung". Das berichten der Berliner "Tagesspiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" mit Verweis auf ein regierungsinternes Papier, mit dem sich heute auch das Kabinett befasst hat.

Weiterhin ein langer Weg

Mit Blick auf den zusätzlichen Personalbedarf weisen die Personalräte der Jobcenter in einer Stellungnahme an Paus und andere Minister, die tagesschau.de vorliegt, darauf hin, dass man jetzt schon kaum wisse, wie man mit dem Fachkräftemangel zurechtkommen solle. Daher halten sie die "Umsetzung der Kindergrundsicherung in der vorliegenden Form bereits aus personellen Gründen für eine objektive Unmöglichkeit".

Bis die Kindergrundsicherung Gesetz ist, bleibt es weiterhin ein langer Weg. Bald soll der Entwurf im Bundestag von den Abgeordneten beraten werden, um erneut in den Bundesrat zu gelangen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. November 2023 um 23:45 Uhr.