Debatte über Haushalt "Es geht eben nicht mehr alles"
CDU-Chef Merz fordert angesichts der Haushaltskrise einen Verzicht auf Projekte wie die Kindergrundsicherung oder das Heizungsgesetz, Wirtschaftsminister Habeck will an Vorhaben festhalten. Die Wirtschafts- und Sozialverbände fürchten Einschnitte.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt ringen die Parteien darum, wie es weitergehen soll. CDU-Chef Friedrich Merz forderte einen Verzicht auf die Kindergrundsicherung, das Heizungsgesetz und auf ein höheres Bürgergeld. "Es geht eben nicht mehr alles", sagte er in der ARD-Talkrunde "Maischberger". Eine Lockerung der Schuldenbremse sehe er "im Augenblick nicht", sagte Merz - ebenso wenig wie höhere Steuern.
Auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach sich in der "Rheinischen Post" gegen Steuererhöhungen aus. Notwendig sei stattdessen eine "grundsätzliche Auseinandersetzung darüber, was wir finanzieren können und was nicht".
Während Union und FDP als Befürworter der Schuldenbremse gelten, schließt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert eine Aufweichung offenbar nicht aus. "Sehr wohl sind Kredite dann sinnvoll, wenn man später daraus eine Rendite erwarten kann", sagte er dem Bayerischen Rundfunk. "Wir sind davon überzeugt, dass Investitionen in Schlüsseltechnologien für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands und auch für unsere Unabhängigkeit essentiell sind." Er wisse, dass auch einige Politiker von CDU und CSU ähnliche Ansichten haben, sagte Kühnert.
Habeck: "Müssen das nach wie vor möglich machen"
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Der Rotstift allein löst keines unserer Probleme." Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck will an Vorhaben der Regierung festhalten. "Wir müssen das nach wie vor möglich machen", sagte der Grünen-Politiker in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" mit Blick auf Klimaschutz und Investitionen.
Habecks Parteikollegin, die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, sprach sich für eine parteiübergreifende Lösung aus. Es dürfe nicht um "parteipolitische Geländegewinne" gehen, sagte sie der "Rheinischen Post". Sie sei froh, dass kurzfristig eine Sonderkonferenz der Wirtschaftsministerinnen und -minister von Bund und Ländern geplant sei.
Eine Regierungskrise sieht Linksfraktionschef Dietmar Bartsch heraufziehen. Er forderte Bundeskanzler Olaf Scholz auf, öffentlich Stellung zu nehmen. "Dass der Bundeskanzler in diesen Tagen abtaucht, ist verantwortungslos", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Der Kanzler solle die Bevölkerung darüber informieren, "wie er den Karren aus dem Sumpf ziehen" wolle.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, warnte unterdessen davor, Ausgaben für die Bundeswehr und die Ukraine-Hilfe zu kürzen. Das Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro "bleibt weiter vorhanden", da es im Grundgesetz verankert sei, sagte die FDP-Politikerin der dpa.
Verbände fürchten Kürzungen
Während die Politik nach Lösungen sucht, fürchten Verbände Einschnitte. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte langfristige Sicherheit für die Wirtschaft. Es gebe Unternehmen, die sich auf direkte Unterstützung aus dem Klima- und Transformationsfonds eingestellt hätten, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der Funke Mediengruppe. Diese sollten "sich darauf verlassen können, die zugesagten Mittel auch zu erhalten". Ansonsten wäre der Schaden immens.
Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte, Unternehmer seien "extrem verunsichert". Diese Unsicherheit erhöhe das Risiko, dass wichtige Investitionsentscheidungen aufgeschoben, abgesagt oder zulasten des Standortes Deutschland getroffen werden. Die Bundesregierung müsse rasch Klarheit über den Umfang der finanziellen Folgen des Urteils schaffen und einen Plan zur Bewältigung vorlegen, sagte Russwurm.
Der Chef der Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE), Michael Vassiliadis, forderte ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse. "Regierung und Opposition müssen anerkennen, dass die wirtschaftliche Notlage, die ein Aussetzen der Schuldenbremse erlaubt, zumindest in diesem und dem kommenden Jahr real ist", sagte er der Funke Mediengruppe.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, forderte den Bundestag auf, soziale Projekte nicht kaputt zu sparen. Vor allem die Freiwilligendienste hätten für das zweite Halbjahr 2024 keine Planungsgrundlage mehr, sagte er der "Rheinischen Post". Das sei ein unerträglicher Schwebezustand, der schnellstmöglich beendet werden müsse.
Bündnis fordert Abschaffung der Pendlerpauschale
Angesichts der fehlenden Finanzmittel forderte ein Bündnis aus Klima-Allianz, Caritas und WWF Deutschland die Abschaffung der Pendlerpauschale. Diese setze "massive ökologische Fehlanreize" und binde wichtige Haushaltsmittel, sagte Stefanie Langkamp, Politische Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Pauschale komme überwiegend Besserverdienenden zugute und sei überflüssig. Mit den Mitteln solle die Bundesregierung den Öffentlichen Nahverkehr stärken und die Finanzierung des Deutschlandtickets langfristig absichern.