Gleichstellung bis 2030 Warum die Ampel ihren Zielen hinterherhinkt
Bis 2030 will die Bundesregierung die Gleichstellung von Mann und Frau erreicht haben. Doch besonders in wirtschaftlichen Fragen bleibt sie hinter ihren eigenen Zielen zurück.
Frauen arbeiten immer noch deutlich häufiger in Teilzeit, übernehmen einen Großteil der Sorgearbeit und verdienen im Schnitt auch immer noch 18 Prozent weniger pro Stunde. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag hehre Ziele gesteckt, um das zu ändern.
Anlässlich des Equal Pay Days erklärte Bundesfamilienministerin Lisa Paus, sie wolle die ökonomische Gleichstellung voranbringen. "Frauen haben zu Recht Erwerbs- und Karrierewünsche und müssen sie auch erfüllen und auch auf eigenen Füßen stehen können", so die Grünen-Politikerin.
Wenig konkrete Gesetze
Ideen, wie das gelingen kann, hat die Ampelkoalition auch. Im Koalitionsvertrag vereinbarten SPD, Grüne und FDP: Löhne von Frauen und Männern sollen transparenter werden, durch eine Gesetzesreform. Familien sollen Anreize bekommen, Sorgearbeit gleichmäßiger aufzuteilen.
Frauenverbände loben viele der im Koalitionsvertrag von 2021 genannten Ziele als fortschrittlich. Die Präsidentin des Deutschen Frauenrats, Beate Miquel, weist jedoch darauf hin: Wenige der gleichstellungspolitischen Vorhaben sind seitdem in konkrete Gesetze gegossen worden.
Ein Beispiel dafür ist die sogenannte "Familienstartzeit". Familienministerin Paus hat dafür schon einen Gesetzentwurf erarbeitet. Der Plan sieht vor, dass das zweite Elternteil nach der Geburt eines Kindes bezahlt bis zu zehn Tage zu Hause bleiben darf. So können sie sich von Anfang an mehr um ihr Kind kümmern und die Mutter im Wochenbett entlasten.
Expertin: Es braucht Anreizsysteme
Das Gesetz hängt jedoch in der Abstimmung mit den anderen Ressorts fest. Grüne und FDP werden sich nicht einig, wie der Sonderurlaub finanziert werden soll. Auch der Arbeitgeberverband BDA warnt davor, dass ein solcher Sonderurlaub zur zusätzlichen Belastung für Unternehmen werden könne.
In den Augen von Beate von Miquel braucht es solche Anreizsysteme, die sich explizit an Männer richten. Sie drängt darauf, dass die Bundesregierung eine solche Regelung zügig einführt.
Einzelne Arbeitgeber kommen der Politik bereits zuvor. So kündigt das DAX-Unternehmen "Henkel" im Januar an, eigenständig eine achtwöchige bezahlte Elternzeit einzuführen.
Ungleiche Verteilung von Sorgearbeit
Der Status Quo ist in den vergangenen Jahren ausführlich statistisch erhoben worden. Eine aktuelle Untersuchung des Statistischen Bundesamts zeigt, dass Frauen immer noch deutlich mehr Sorgearbeit übernehmen. Also sie kümmern sich zum Beispiel mehr um die Kinder, putzen, kochen oder waschen.
Im Schnitt leisten Frauen pro Tag eine Stunde und 17 Minuten mehr unbezahlte Arbeit. Besonders deutlich wird der Geschlechterunterschied, wenn ein Paar Kinder bekommt. Während bei Vätern die Arbeit zu mehr als der Hälfte aus Erwerbsarbeit besteht, sind es bei Müttern zu mehr als zwei Drittel unbezahlte Tätigkeiten.
Mit Blick auf den Fachkräftemangel plädieren auch viele Arbeitgeber dafür, Frauen stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Präsident der Deutschen Industrie und Handelskammer, Peter Adrian, appellierte schon Ende vergangenen Jahres an die Bundesregierung, mehr dafür zu tun, dass Familie und Beruf besser vereinbar werden.
Frauen profitieren besonders vom Mindestlohn
Immerhin ein gesetzliches Vorhaben, das die wirtschaftliche Situation von Frauen verbessert, ist schon umgesetzt: der höhere Mindestlohn. Im Jahr 2022 erhöhte die Ampelkoalition diesen auf 12 Euro pro Stunde. Davon profitieren besonders Frauen. Denn sie stellen deutlich mehr als die Hälfte der Mindestlohnempfänger. Auch das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor.
Der höhere Mindestlohn ist ein erster Schritt. Tatsächliche Gleichstellung bis 2030, das scheint ein unrealistisches Ziel zu sein. Wenn die Bundesregierung dem nur näher kommen will, muss sie noch viele weitere Schritte ergreifen.