Afghanin flieht vor Taliban "Wir haben mit unserem Leben aufgehört"
Als die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, musste sie fliehen. Die 24-jährige Zainab Amarkhail hatte als Juristin für die Regierung gearbeitet. Nun will sie in Bayern neu anfangen.
Die schrecklichen Bilder vom Kabuler Flughafen sind noch präsent. Als Tausende verzweifelte Menschen versuchten, das Land verlassen. Die Taliban hatten gerade wieder die Macht in Afghanistan übernommen. Zwei Jahre ist das nun her. Seitdem hat sich die Lage im Land massiv verschlechtert. Vor allem Mädchen und Frauen haben immer weniger Rechte.
Flucht über Iran, Türkei und Ungarn
Zainab Amarkhail ist geflohen. Seit einigen Monaten lebt die junge Afghanin im oberbayerischen Eichstätt und will sich in Deutschland eine Zukunft aufbauen. Sie ist schmal, trägt schwarze Jeans und T-Shirt. Dazu einen beigefarbenen Blazer. Die schwarzen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Über Iran, die Türkei und Ungarn ist die 24-Jährige nach Deutschland gekommen - allein. Ihre Eltern sind noch in Afghanistan. "Meine Eltern sind alles für mich", sagt sie und Tränen schießen ihr in die Augen.
Unterstützung bekommt Zainab Amarkhail (rechts) von Caritas-Mitarbeiterin Angela Müller.
"Die Taliban durchsuchten mein Haus"
Doch für Zainab wurde die Lage vor Ort immer schwieriger. Vor der Machtübernahme der Taliban arbeitete sie als Juristin für die damalige Regierung. "Die Taliban durchsuchten mein Haus. Sie fanden meinen Ausweis und wussten, dass ich für die Regierung gearbeitet habe. Ich bin mir sicher, wenn sie mich gefunden hätten, hätten sie mich getötet." Sie entschied sich zur Flucht.
Mit der Machtübernahme durch die Taliban verlor sie ihre Arbeit. "Wir haben mit unserem Leben aufgehört", erzählt Zainab Amarkhail. Früher ging sie zur Arbeit, verdiente Geld, traf sich mit Freunden in Restaurants, machte Sport. Damit sei es vorbei, bestätigt Alema Alema von Pro Asyl. Sie selbst stammt aus Afghanistan und schätzt die Situation als sehr schwierig ein. "Unterdrückung, Terror und Gewalt bestimmen das Leben der Menschen in Afghanistan - insbesondere das Leben von Mädchen und Frauen", berichtet sie.
In den vergangenen zwei Jahren habe es zahlreiche Verordnungen, Dekrete und Richtlinien gegeben, die die Rechte von Frauen und Mädchen massiv einschränken. "Beispielsweise dürfen sie nur bis zur sechsten Klasse die Schule besuchen." Eine weitere Bildung sei nicht möglich. Auch die wirtschaftliche Situation werde zunehmend schlechter. Ohne männliche Begleitung dürfen Frauen das Haus nicht verlassen. Auch die Schönheitssalons mussten schließen - laut Pro Asyl waren dort rund 60.000 Frauen beschäftigt.
Neuanfang in Eichstätt
In Eichstätt muss Zainab Amarkhail ganz von vorn anfangen - wie viele ihrer Landsleute. Laut dem Bundesinnenministerium kamen seit der Machtübernahme der Islamisten rund 30.000 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland, darunter darunter mehr als 4.000 Ortskräfte sowie mehr als 2.500 gefährdete Personen und deren Familienangehörige.
Und hier brauchen sie Hilfe: In Eichstätt bekommt Zainab Amarkhail Unterstützung von Angela Müller von der Caritas. Bildung spiele für die allermeisten Afghaninnen eine sehr wichtige Rolle, berichtet sie. "Wir können versuchen, ihnen die ersten Schritte hier zu erleichtern. Das Schwierige ist eigentlich, auszuhalten, dass sie für die Angehörigen in Afghanistan, vor allem für die gefährdeten Mädchen und Frauen nichts tun zu können", meint Müller. Denn noch immer warteten viele auf eine Ausreise.
Aufnahmeprogramm verläuft schleppend
Seit Oktober 2022 läuft das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte "Aufnahmeprogramm für Afghanistan". Ein weiterer Baustein, um gefährdete Menschen in der Bundesrepublik aufzunehmen. Im März wurde es allerdings auf Eis gelegt, wegen Verdachts auf Visa-Betrug. Seit Ende Juni ist es nun wieder in Kraft. Eigentlich sollen damit monatlich 1000 Menschen aufgenommen werden. Doch bislang konnten nur wenige auf diese Weise ausreisen. Ein Sprecher des Innenministeriums teilt dazu mit: "Die Zahl der Einreisen bewegt sich seit der Wiederaufnahme des Ausreiseverfahrens im niedrigen zweistelligen Bereich." Es sei damit zu rechnen, dass in den nächsten Wochen mehr Menschen ausreisen können.
Viele, die schon vor dem vorübergehenden Stopp im Programm waren, haben im Iran auf ihre Ausreise gewartet. Nun erfolgt sie ausschließlich über Pakistan. Aus dem Innenministerium heißt es dazu, dass den betroffenen Menschen geholfen werde nach Pakistan auszureisen. Zudem unterstütze das Auswärtige Amt beispielsweise bei der Unterbringung oder bei der Beantragung pakistanischer Visa. Pro Asyl begrüßt das Aufnahmeprogramm, allerdings müsse es verbessert werden: "Es muss umgesetzt werden", fordert Afghanistan-Referentin Alema Alema.
Deutsch lernen, weiter studieren
Zainab Amarkhail hat die Ausreise hinter sich. In Bayern will sie nun möglichst schnell ankommen. Ganz oben auf ihrer Liste steht: Deutsch lernen. Dann weiter studieren, eine Wohnung finden. Sie weiß, dass ihr Weg schwer werden wird. Doch sie ist optimistisch: "Ich sehe mein Leben in Deutschland so glänzend. Weil Frauen und Männer gleich sind. Alle sind gleich." Für sie sei das unglaublich gut. "Ich habe ganz viele Träume für meine Zukunft."