Afghanistan Ein letzter Bildungshort für Mädchen
Afghanistan ist inzwischen eine Bildungswüste für junge Mädchen und Frauen. Wer kann, nimmt heimlich Unterricht - oder besucht eine neue Religionsschule in Kabul: Dort werden auch moderne Fächer unterrichtet.
Manizha ist sehr froh. Nach zwei Jahren geht die 18-Jährige aus Kabul endlich wieder zur Schule. Seit die Taliban an der Macht sind, ist das für Mädchen nach der sechsten Klasse verboten - außer sie gehen in eine Madrasa, eine Religionsschule. Dort geht auch Manizha jetzt hin. Hier wird auch Mathematik und Englisch unterrichtet. "Zwei Jahre durfte ich nicht zur Schule, ich habe psychische Probleme bekommen", sagt sie. "Dann habe ich von dieser Schule gehört und meine Eltern um Erlaubnis gebeten, dorthin zu gehen."
Für Manizhas Familie ist es schwer, das Schulgeld von fünf Euro im Monat aufzubringen. Ihr Vater findet keine Arbeit. Die ökonomische Situation in Afghanistan ist prekär. Aber ihr Vater betont: "Die Schulgebühren will ich auf jeden Fall zahlen. Ich möchte, dass meine Tochter eine Zukunft hat."
Im Juli wurde die neue Madrasa in Kabul eröffnet. Noch am gleichen Tag kamen Taliban aus dem Distrikt, die die Schule wieder dicht machen wollten: Dass hier neben Religionslehre noch moderner Unterricht stattfindet, sei nicht mit dem Islam vereinbar. Aber der Direktor konnte eine Genehmigung des zuständigen Ministeriums vorweisen. Die Schule blieb geöffnet. Seitdem haben sich mehr als 500 Mädchen und junge Frauen eingeschrieben. Hadia Jabarkhil, Managerin und Lehrerin, ist optimistisch: "Wenn die Taliban etwas gegen diese Art der Madrasa hätten, dann hätten wir sie nicht öffnen dürfen. Wir wollen noch weitere Madrasas eröffnen."
Ob das möglich sein wird, dazu gab es im Religionsministerium keine Auskunft.
Einige nehmen heimlich Unterricht
Die Taliban haben Afghanistan für junge Mädchen und Frauen in eine Bildungswüste verwandelt. Mehr als einer Million von ihnen wird der Zugang zu Schule und Universität verwehrt. Familien, die es sich irgendwie leisten können, investieren in heimlichen Unterricht für ihre Töchter.
Aus Sicherheitsgründen ist der nur in kleinen Gruppen und in ständiger Angst vor Entdeckung möglich. "Wir haben alle Angst davor, festgenommen zu werden und dass uns die Taliban dann schlecht behandeln", sagt Farida, die seit sieben Monaten im Geheimen unterrichtet.
Khalida, wie wir sie nennen, ist eine ihrer Schülerinnen. Sie berichtet davon, dass einige ihrer Freundinnen, die mit ihr zur Schule gingen, inzwischen zwangsverheiratet wurden. Die 18-Jährige ist verzweifelt. "Ich hatte viele Wünsche. Aber mit der Ankunft der Taliban bin ich hoffnungslos geworden, weil wir nicht mehr zur Schule können."
Viele Mädchen und Frauen fühlen sich hoffnungslos. Lernen zu dürfen gibt ihnen eine Perspektive.
Hoffnungslosigkeit - und Protest
Hoffnungslosigkeit ist ein weitverbreitets Gefühl unter den jungen Mädchen und Frauen in Afghanistan. Sie sind vom politischen und größtenteils vom öffentlichen Leben ausgeschlossen - die Vereinten Nationen sprechen angesichts dieser Unterdrückung von Geschlechter-Apartheid.
Aber es gibt Frauen, die den Mut haben, für ihre Zukunft zu kämpfen und in Kabul auf die Straße gehen. Zu ihnen gehört Zholia Pharsi, die sich seit der Machtübernahme der Taliban gegen die Unterdrückung der Frauen engagiert. Auch am zweiten Jahrestag der Machtübernahme, am 15. August, wollen sie ihren Protest gegen die Taliban auf die Straße tragen. "Als wir angefangen haben für unsere Rechte zu kämpfen, haben wir unsere Angst verloren", sagt sie. "Wir dachten, vielleicht werden wir festgenommen oder sogar getötet. Wir haben all diese Risiken akzeptiert, nachdem wir diesen Kampf aufgenommen haben."