Bettina Stark-Watzinger
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Fördergeldaffäre im Bildungsministerium 100 Fragen, verhängnisvolle Antworten?

Stand: 26.07.2024 10:53 Uhr

Das Bildungsministerium hat die 100 Fragen der Unionsfraktion zur Fördergeldaffäre beantwortet. Die Union erkennt darin zahlreiche Widersprüche. Kritik an Ministerin Stark-Watzinger kommt auch aus der SPD.

Von Sarah Beham, ARD-Hauptstadtstudio

Die Union hat den Druck auf das Bildungsministerium in der sogenannten Fördergeldaffäre erhöht: 100 detaillierte Fragen wurden gestellt. Jetzt hat das Ministerium Antworten geliefert, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegen. Für die Union steht fest: die Fördermittel-Affäre ist damit nicht beendet, im Gegenteil.

Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Die Antworten der Ministerin sind voller Widersprüche." Die Antworten deckten sich nicht mit der Aktenlage und den Aussagen der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Ausschuss.

Jarzombek überlegt, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Die Antworten seien "inakzeptabel" und widersprüchlich.

Liste mit Namen von Wissenschaftlern erstellt

Worum geht es jetzt genau? Bei der Fördermittel-Affäre dreht sich im Kern alles um Wissenschaftsfreiheit und um die Überprüfung im Bundesbildungsministerium, Fördermittel für Forscher zu streichen. Diese hatten einen offenen Brief unterzeichnet und darin die Räumung eines pro-palästinensischen Protestcamps an der Freien Universität Berlin kritisiert.

Daraufhin wurde im Ministerium nicht nur die Überprüfung förderrechtlicher Konsequenzen - also die Streichung von Fördermitteln (nach Aussagen des Ministeriums wurde diese von der ehemaligen Staatssekretärin Sabine Döring missverständlicherweise beauftragt, die deswegen entlassen wurde) - beauftragt, sondern auch die Erstellung einer Liste mit allen Namen der Unterzeichner, die vom Ministerium gefördert wurden.

Jarzombek: "Die Geschichte ist unglaubwürdig"

Hier will die Union in den jetzt vorliegenden Antworten einen Widerspruch erkennen: Für die Auflistung der Wissenschaftler mache das Ministerium jetzt alleinig den Abteilungsleiter der Hochschulabteilung verantwortlich. Die Pressestelle solle damit entgegen vorherigen Statements nichts mehr zu tun haben, wie Jarzombek sagt. Die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen solle bereits am 13. Mai angehalten worden sein.

"Die Akten widerlegen das. Noch zwei Tage später hat jemand aus der Fachabteilung massiven Druck auf einen mit der Erstellung der Liste beauftragten Mitarbeiter gemacht", so Jarzombek. "Die Geschichte ist unglaubwürdig. Warum wird sie uns von der Ministerin aufgetischt?"

Tatsächlich geht aus den internen Mails, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegen, hervor, dass an den Tagen nach dem 13. Mai die Liste weiterhin Thema war - und sie in den Mails im Zusammenhang mit förderrechtlichen Konsequenzen steht.

Das Bildungsministerium hingegen betont auch in der Vorbemerkung des Fragenkatalogs, dass die Liste der Unterzeichner als Vorbereitung auf "mögliche Nachfragen" von Journalisten diente. Mit der förderrechtlichen Prüfung habe die Liste nichts zu tun, die später von Döring beauftragt wurde.

Das Fazit der Union: Es braucht weiter Aufklärung in der Fördergeld-Affäre. Über nächste Schritte werde beraten. Stephan Albani, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist der Meinung, die Ministerin wolle keine Aufklärung "und dafür wird es wohl triftige Gründe geben." Die Union ist damit weiter davon überzeugt, dass die im Rahmen der Fördergeld-Affäre entlassene Staatssekretärin Sabine Döring zum "Bauernopfer" wurde.

Entlassene Staatssekretärin darf nicht reden

Die ehemalige Staatssekretärin Sabine Döring will ihre Sicht der Dinge darstellen und hat gegen das Bundesbildungsministerium geklagt. Warum? Das Bundesbildungsministerium als Dörings ehemaliger Arbeitgeber verbietet ihr, dienstliche Informationen preiszugeben. Beamte dürfen ohne Genehmigung nicht aussagen. Denn: Sie unterliegen einer Verschwiegenheitspflicht - auch wenn das Dienstverhältnis beendet ist, wie im Fall Döring.

Sie hat daher einen gerichtlichen Eilantrag gestellt, damit ihre Verschwiegenheitspflicht aufgehoben wird. Dieser wurde vom Verwaltungsgericht Berlin zum Verwaltungsgericht Minden verwiesen. Das Gericht hatte das Bundesbildungsministerium aufgefordert, bis zum 22. Juli eine Erwiderung zu schicken. Das Ministerium aber hat eine Fristverlängerung bis 29. Juli beantragt.

Stellt sich die Frage: Warum verweigert das Ministerium eine öffentliche Aussage Dörings? Würde die Sicht von Döring der Ministerin schaden? Wie passt die Verweigerung mit dem Versprechen der Bildungsministerin Stark-Watzinger zusammen, Aufarbeitung und Transparenz herzustellen? Auf Anfrage von tagesschau.de heißt es vom Bildungsministerium, die Ablehnung sei eine Personalangelegenheit, zu der sich das Ministerium nicht äußern könne. "Die Beurteilung einer Ablehnung obliegt dem zuständigen Verwaltungsgericht."

Kritik aus den eigenen Koalitionsreihen

Die eigenen Koalitionspartner sehen das Vorgehen des Ministeriums kritisch. Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Die politische Verantwortung für die schnelle Aufklärung hat die Ministerin. Sie kann auch nur entscheiden, ob die ehemalige Staatssekretärin Döring sich öffentlich äußern darf oder nicht. Warum sie das verweigert, entzieht sich meinem Verständnis. Die SPD hätte keine Einwände gegen eine Äußerung von Frau Döring."

Noch vor der Beantwortung der 100 Fragen, hat auch Anja Reinalter, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio betont: "Der Druck auf die Ministerin ist nach wie vor hoch. Sie hat viel Vertrauen eingebüßt und tut gut daran, jetzt ohne Umschweife für Transparenz und Klarheit zu sorgen."

Vom Bildungsministerium heißt es auf Anfrage, über die Abläufe im Ministerium habe man Transparenz hergestellt. Stark-Watzinger tausche sich zudem regelmäßig mit Wissenschaftlern und Forschern aus - das werde sie intensiv fortsetzen. Für ein ARD-Interview war Bildungsministerin Stark-Watzinger nicht bereit - sie befindet sich im Urlaub.