FDP fordert Wirtschaftswende Parteitag unter Druck
Mit ihrem Zwölf-Punkte-Papier zur Wirtschaftswende erhöht die FDP vor ihrem Parteitag am Wochenende den Druck auf SPD und Grüne. Doch die Partei ist selbst in Bedrängnis - auch wegen schlechter Umfragewerte.
Wer in diesen Tagen mit Politikern der FDP spricht, bekommt ein Wort sehr schnell und sehr oft zu hören: Wirtschaftswende. Die brauche es dringend, mahnt die Parteispitze derzeit, allen voran FDP-Chef Christian Lindner in beinahe jedem Interview und Statement.
Und das Schlagwort wird auch den Bundesparteitag der FDP am Wochenende in Berlin bestimmen. Der Leitantrag trägt den Titel: "Eine Wirtschaftswende für Deutschland - Priorität für Wachstum, Sicherheit, Innovationen und Aufstiegschancen". Schon im Vorfeld hatte die FDP-Führung in mehreren Papieren und mit einer Interview-Offensive versucht, den Begriff zu platzieren und damit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Wirtschaftswende - das heißt für die FDP: Steuerliche Entlastungen für Unternehmen und Arbeitnehmer, keine neuen Sozialleistungen, die sogenannte Rente mit 63 abschaffen und schnelle Sanktionen beim Bürgergeld für Jobverweigerer.
Den Druck erhöhen
Der Koalitionspartner SPD reagierte erstmal mit einem lauten Nein, die Grünen winkten leiser, aber ebenfalls missverständlich ab. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betont gerne, dass es um Forderungen für einen FDP-Parteitag geht. Am Wochenende komme schließlich nicht die ganze Ampelkoalition zusammen. Allerdings: Beschlüsse nur für das Parteiprotokoll sollen auch nicht gefasst werden.
Djir-Sarai gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Aber selbstverständlich ist das nicht der Parteitag einer Oppositionspartei, sondern einer Regierungspartei. Und als Regierungspartei wird man alles dafür tun, damit diese Punkte auch letztlich umgesetzt werden können. Denn wir sind davon überzeugt, wenn wir das nicht machen, werden die anderen das nicht tun." Damit erhöht Djir-Sarai schon vor dem Parteitag den Druck auf die Koalitionspartner.
Trifft die FDP damit im Osten einen Nerv?
Gleichzeitig ist die FDP selbst unter Druck. Die Zustimmungswerte sind schlecht. Auch in Umfragen für die anstehende Europawahl und die Abstimmungen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg liegt die FDP zum Teil weit unter fünf Prozent.
Gerade in Ostdeutschland hofft die FDP mit der Wirtschaftswende einen Nerv treffen. Lydia Hüskens, Infrastrukturministerin der FDP in Sachsen-Anhalt, begrüßt gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio das Konzept, beispielsweise mit den geplanten schärferen Sanktionen beim Bürgergeld, wenn Arbeitsangebote abgelehnt werden: "Ich glaube, dieses Thema Leistungsgerechtigkeit - dass wir als Staat denen helfen, die Hilfe brauchen, aber nicht denen helfen, die es sich bequem machen wollen - ist etwas, was man gerade in den ostdeutschen Bundesländern in den Fokus stellen muss." Der starke Blick auf Wirtschaftsthemen sei daher enorm wichtig.
Unmut an der Parteibasis
Das Wende-Papier kann auch als Versuch gesehen werden, die Parteibasis zu beruhigen, in der immer wieder Unmut zu vernehmen ist über die Ampelpolitik. Bei einer Mitgliederbefragung vor fünf Monaten sprach sich nur eine knappe Mehrheit für die Fortführung der Koalition aus. Viele in der Partei drängen darauf, dass wirtschaftsliberale Profil klarer herauszustellen.
Franziska Brandmann, die Vorsitzende der Jungen Liberalen, kündigt gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio schon mal an, auf dem Parteitag über das sogenannte Rentenpaket zu reden, das FDP-Finanzminister Christian Lindner und SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil gerade im Grundsatz vereinbart haben: "Da muss nachverhandelt werden. Ich wünsche mir, dass das passiert, bevor das Gesetz als Entwurf das Parlament erreicht. Am liebsten wäre mir, dass Hubertus Heil und Christian Lindner sich noch mal tief in die Augen schauen und dann noch mal einen neuen Entwurf vorlegen."
Das Rentenpaket sieht vor, das Rentenniveau bis 2039 zu halten und gleichzeitig die Beitragszahler stärker zu belasten. Nach Ansicht der Jungen Liberalen geht das vor allem auf Kosten der jüngeren Menschen. "So nicht, Herr Heil" wollen sie mit einer Aktion auf dem Bundesparteitag klarmachen, was eine muntere Debatte erwarten lässt.
2024 ist nicht 1982
Manche spekulieren inzwischen, dass die FDP die Ampelkoalition absehbar platzen lassen möchte - vergleichbar mit dem Jahr 1982, als die FDP mit der Forderung nach einer Wende vom Bündnis mit Helmut Schmidts SPD rüberwechselte zu Helmut Kohls Union.
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai weist solche Parallelen zurück: "Die jetzige Zeit ist nicht vergleichbar mit der damaligen Zeit. Es gab damals auch eine ganze andere mehrheitstechnische Zusammensetzung im Deutschen Bundestag verbunden mit Optionen, die theoretisch möglich waren und nicht möglich waren."
Denn die Situation ist anders als 1982. Bei einem Koalitionsbruch hätten die Union und die FDP jetzt keine Mehrheit. Diese Frage stelle sich aber auch nicht, so Djir-Sarai. "Denn wir haben das Ziel, ausgehend vom Parteitag, Maßnahmen zu präsentieren, die unser Land wieder wirtschaftlich stark machen. Und das wollen wir innerhalb der Koalition umsetzen, das wollen wir mit dieser Koalition umsetzen."
Das lässt sich als Bekenntnis zur Ampel verstehen - auch dies eine wichtige Botschaft der FDP vor dem Parteitag am Wochenende. Aber klar ist: Ab Montag werden die Freien Demokraten mit ihrem Willen zur Wirtschaftswende für Druck in der Koalition sorgen.