FDP-Chef Lindner steht vor dem Parteilogo
hintergrund

FDP im Osten Geht es doch mit der Ampel?

Stand: 29.12.2023 12:48 Uhr

Die FDP hadert mit der Ampelkoalition in Berlin, aber auch mit sich selbst. Bei den Landtagswahlen 2024 droht eine Enttäuschung. Doch die Hoffnung auf eine Trendwende lebt.

Der Partei geht es nicht gut. Seitdem die Ampelkoalition regiert, hat die FDP bei Wahlen meistens verloren. Zweimal flog sie aus einer Landesregierung, dreimal gleich ganz aus dem Parlament. Im ARD-Deutschlandtrend steht die FDP bei vier Prozent - damit käme sie nicht mehr in den Bundestag. Nun läuft auch noch eine Mitgliederbefragung über die Frage, ob die Partei in der Koalition bleiben soll.

Abschied in Sachsen

Einer, der die Ampel und die FDP aufgegeben hat, ist Mike Hauschild. Der 51-jährige Handwerksmeister aus Bautzen saß fünf Jahre lang im Landtag von Sachsen. 2024 wollte Hauschild erneut antreten und der FDP zur Rückkehr verhelfen - doch im September verließ er die Partei. Weil diese sich aus seiner Sicht kaum noch von anderen Parteien unterscheide.

Ein Mainstream, der alles schönrede, habe auch die FDP ergriffen, sagt Hauschild. Kritische Stimmen, Praktiker wie er, würden nicht mehr durchdringen. "Sehr viel wird als alternativlos hingestellt, was nicht alternativlos ist", so Hauschild.

Die Ampelkoalition habe sowohl in der Migrationspolitik als auch beim Heizungsgesetz keine Probleme lösen können. Die von der FDP erstrittenen Änderungen beim Gebäudeenergiegesetz etwa hätten laut Hauschild nichts bewirkt. "Die Menschen haben trotzdem noch Angst und wissen nicht, was wird." Verhindern sei jedenfalls keine Politik. Mittlerweile ist Hauschild bei den Freien Wählern.

Offensiver kommunizieren

Lydia Hüskens kann diese Kritik nicht teilen. Wäre das Heizungsgesetz so gekommen, wie im ersten Entwurf des grünen Wirtschaftsministeriums vorgesehen, "stünde die AfD heute in manchen Bundesländern bei 40 Prozent", sagt Hüskens, FDP-Landeschefin in Sachsen-Anhalt und Mitglied des FDP-Bundespräsidiums. Der Widerstand der FDP sei "exakt das Richtige" gewesen.

Gleichzeitig hätten viele Menschen diese Änderungen aber nicht mitbekommen. Hüskens fordert deshalb, die FDP müsse offensiver kommunizieren: "Wir müssen eine stärkere Übersetzung machen."

Hüskens hält auch an der Ampelkoalition fest. Die liefere nun etwa endlich bei liberalen Themen wie Entbürokratisierung und Planungsbeschleunigung. Dennoch müsse man die Prioritäten überdenken. Hüskens nennt die Debatte um die Atomenergie und die Geschwindigkeit der Energiepolitik insgesamt. Sie warnt vor einer Überforderung, die gerade im Osten spürbar sei. "Angesichts der enormen gegenwärtigen Herausforderungen brauchen wir einen Reset", sagt Hüskens.

Wunschkoalition Schwarz-Rot-Gelb

Hüskens ist in Sachsen-Anhalt Ministerin für Infrastruktur und Digitalisierung. Die von ihr mitgebildete Deutschland-Koalition mit CDU und SPD gilt aufgrund ihres vergleichsweise geräuschlosen Arbeitens als Gegenentwurf zur Ampel - und als Idealbild für alle Wahlkämpfer in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.

Bei der CDU, wo man der Grünen überdrüssig ist, aber weder mit Linkspartei noch AfD koalieren will, hat diese Idee viele Anhänger. Allerdings müsste die FDP es dafür im Herbst überhaupt in die drei Landtage schaffen. Bisherige Umfragen zeigen ähnliche Zitterwerte wie im Bund.

Zerwürfnis mit FDP-Thüringen

Helfen würde es, wenn die Partei geschlossen aufträte und Kontroversen ausblieben. Die FDP Thüringen wird allerdings im Landtagswahlkampf nicht von der Bundespartei unterstützt. Auslöser ist die erneute Spitzenkandidatur von Thomas Kemmerich.

Kemmerichs Wahl zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD löste 2020 ein bundesweites Beben aus. Parteichef Christian Lindner intervenierte, Kemmerich zeigte sich nur bedingt einsichtig. Das FDP-Präsidium verknüpfte eine weitere Unterstützung daran, dass der Landesverband Kemmerich nicht wieder nominiere.

"Klug war das nicht", sagt Robert-Martin Montag über die Entscheidung der Bundespartei. Der 43-Jährige organisiert als Generalsekretär der Thüringer FDP und als Abgeordneter die verbliebene Gruppe im Erfurter Landtag. "In Thüringen verdichten sich die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen unter einem Brennglas", sagt Montag.

Im Freistaat sind rechtsextreme AfD und Linke so stark, dass niemand ohne sie regieren kann. Aktuell hat Thüringen eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung. Aber, so Montag, "ausgerechnet uns, die wir uns diesen Herausforderungen tagtäglich stellen", würden aus Berlin die Beine weggeschlagen.

Weiter umstrittenes Agieren

Wie die FDP sich dem stellt, ist bundesweit bekannt. Denn sowohl eine von ihr initiierte Überarbeitung des Thüringer Waldgesetzes als auch die des Spielhallengesetzes wurden dank Stimmen der AfD beschlossen. Die Kritik war erheblich.

Montag verteidigt das Vorgehen. Er betont, dass sich die rot-rot-grüne Minderheitskoalition in beiden Fällen nicht kompromissbereit gezeigt habe. Und er verweist auf rund anderthalb Dutzend weitere Initiativen, die die FDP mit Stimmen aus dem linken Lager durchbekommen habe - zuletzt eine lange fällige Aktualisierung des Krebsregistergesetzes. Mitunter dient ausgerechnet die FDP unter Kemmerich Rot-Rot-Grün als Mehrheitsbeschaffer.

Montag würde diesen Zustand nach der Landtagswahl gerne durch eine Mehrheit von CDU, SPD und FDP auflösen. In Thüringen gehe es 2024 darum, "die politische Mitte zu stärken", sagt er. "Das ist unsere dornige Chance."

Mitgliederbefragung läuft

Dafür soll die FDP auch in der Ampel verbleiben. Zwar sei die Stimmung der Koalition gegenüber nicht gut in der Partei, vieles müsse erklärt werden. Aber: "Ich bin immer dafür, dass man Verantwortung wahrnimmt - solange rote Linien eingehalten werden." Das ist der FDP laut Montag mit der Schuldenbremse gerade erst wieder gelungen.

Ob Montag und Hüskens damit für die Mehrheit der Parteimitglieder sprechen, wird das Ergebnis der Mitgliederbefragung Anfang Januar zeigen. Auffällig ist: Sowohl Initiatoren der Befragung als auch die eines vorangegangenen Protestbriefes kamen nicht aus dem Kreis der Wahlkämpfer in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Morgenmagazin am 02. Januar 2024 ab 05:30 Uhr.