Regierungsprognose Deutschland kann Klimaziel für 2030 erreichen
Die Bundesregierung hält das für 2030 gesetzte Klimaziel auf Grundlage aktueller Treibhausgas-Prognosen für erreichbar. Dazu müsse man aber Kurs halten, sagte Wirtschaftsminister Habeck. "Sorgenkind des Klimaschutzes" bleibt der Verkehr.
Der Ausstoß von Treibhausgasen wird einer aktuellen Projektion des Umweltbundesamts (UBA) zufolge bis 2030 stärker sinken als bisher angenommen. Damit hält Wirtschaftsminister Robert Habeck das deutsche Klimaschutzziel für 2030 für erreichbar. Die Projektion zeige "erstmals, dass wir auf Kurs sind", sagte Habeck und sprach von einem Erfolg der Klimaschutzmaßnahmen der Ampel-Regierung.
Konkret weisen die Treibhausgas-Projektionen 2024 den Angaben des UBA zufolge bis 2030 einen Rückgang um knapp 64 Prozent im Vergleich zu 1990 aus. Damit wird das Klimaziel für 2030, das eine Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent vorsieht, aus Sicht des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums greifbar.
Rund zehn Prozent weniger Treibhausgase als 2022
Mit 673 Millionen Tonnen wurden bereits rund zehn Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen als 2022, teilten Ministerium und UBA mit. Dies ist der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung 1990. Das Umweltbundesamt erwartet, dass Deutschland bis 2030 insgesamt 47 Millionen Tonnen CO2 weniger verbraucht als gesetzlich vorgesehen.
Schwächelnde Wirtschaft ein Grund
Auch UBA-Präsident Dirk Messner zeigte sich zuversichtlich, dass Deutschland die Klimaziele für 2030 erreichen kann. "Wir sind bereits ein großes Stück beim Klimaschutz vorangekommen.
Wir sind noch nicht über den Berg, aber die Geschwindigkeit, die wir aufgenommen haben, passt.
Gründe für die Entwicklung sind vor allem, dass weniger Kohle in Kraftwerken verbrannt wurde und auch, dass die Wirtschaft schwächer lief. Außerdem verwies Messner auf den schnelleren Ausbau Erneuerbarer Energie wie Wind- und Solarstrom. Zudem importierte Deutschland im vergangenen Jahr seit Langem erstmals mehr Strom aus dem Ausland als es exportierte - was günstig für die Klimabilanz ist.
Entwicklung in einzelnen Sektoren unterschiedlich
Allerdings sei die Entwicklung in den einzelnen Sektoren unterschiedlich: In der Energiewirtschaft, der Industrie, der Landwirtschaft sowie im Bereich Abfallwirtschaft und Sonstiges würden die Ziele übererfüllt.
Im Verkehr und im Gebäudesektor würden die Zielmarken jedoch weiterhin verfehlt - auch wenn sich die Entwicklung gegenüber früheren Projektionen verbessert habe. Der Bereich Verkehr bleibe das "Sorgenkind des Klimaschutzes", sagte Messner. Demnach gibt es zu wenig Elektro-Autos. Der nur leichte Rückgang im Sektor Verkehr könne nur durch andere Bereiche "überkompensiert" werden, erklärte Messner weiter.
Für 2023 minderte den Erhebungen zufolge insbesondere der Produktionsrückgang in der energieintensiven Industrie infolge der hohen Energiepreise nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine den Ausstoß von Treibhausgasen. Die Projektion bis 2030 gehe davon aus, dass die Industrie sich wieder erholt und die Emissionen dennoch wegen Klimaschutzmaßnahmen weiter sinken werden.
Greenpeace: "Verschnaufpause" nutzen - etwa für Tempolimit
Trotz der positiven Projektion bei den Klimaschutzzielen fordern Umweltverbände von der Bundesregierung konsequentere Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen. Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace, erklärte, vor allem im Verkehrssektor könne und müsse nachgeschärft werden. Die Bundesregierung sollte die "Verschnaufpause" zügig nutzen, die ihnen die Zahlen verschafften.
Der Solarboom könne auf Dauer nicht das anhaltend schlechte Abschneiden im Verkehr wettmachen. Ohne Sofortmaßnahmen wie ein Tempolimit oder eine reformierte Dienstwagenbesteuerung, die den lahmenden Umstieg auf E-Autos treibe, werde der Verkehr mit jedem Jahr zu einer größeren Klimabürde, so Kaiser.
Wirkungsvoll werde der Emissionsrückgang nur, "wenn er auf strategischem Klimaschutz und dem zukunftsfähigen Umbau der Wirtschaft fußt", betonte Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF. Auch die Klima-Allianz Deutschland fordert "wirksame Klimaschutzprogramme", damit der Emissionsrückgang langfristig anhalte.
Die Zahlen zeigten, wie wichtig die Sektorziele im Klimaschutzgesetz seien, betonte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. "Eine Gesamtbetrachtung der Emissionen kann das Versagen einzelner Ministerien kaschieren und die mittel- bis langfristige Erreichung der Klimaziele verhindern."
Bis 2045 klimaneutral
Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein, also unter dem Strich praktisch gar kein klimaschädliches Gas mehr produzieren. Um das zu erreichen, hat derzeit noch jeder Sektor für jedes Jahr eine klare CO2-Obergrenze.
Zwar brachte die Bundesregierung eine Änderung des Klimaschutzgesetzes auf den Weg, das diese Verpflichtung nicht mehr enthält. Dann soll eine leichtere Verrechnung zwischen den Sektoren möglich sein. Das neue Gesetz wurde jedoch bislang nicht verabschiedet und die Änderung würde auch nicht rückwirkend gelten.