Kritik des EU-Rechnungshofs Kaum weniger Autoabgase - trotz strenger Regeln
Trotz hoch gesteckter EU-Klimaziele und strenger Vorgaben aus Brüssel stoßen die meisten Autos heute noch genauso viele Treibhausgase aus wie vor zwölf Jahren. Die Hoffnung: mehr E-Autos.
Die EU hat den Ausstoß klimaschädlicher Gase über die vergangenen Jahrzehnte in einigen Bereichen deutlich eingedämmt - nur nicht im Verkehr. Der macht weiter rund ein Viertel der EU-Emissionen aus. Ein Großteil davon stammt aus den Auspuffen von Pkw. Daran haben bestehende Vorschriften laut einer Untersuchung des Europäischen Rechnungshofs wenig geändert.
Der Behörde zufolge sind Emissionen neuer Pkw auf den Straßen im Jahrzehnt vor 2020 kaum gesunken. Die Motoren wurden zwar immer leistungsfähiger, aber auch PS-stärker, und die Autos immer schwerer. Die Folge laut der Luxemburger Behörde: Trotz hoch gesteckter Klimaziele und strenger Vorgaben stoßen die meisten Autos im Alltagsbetrieb heute noch genauso viele Treibhausgase aus wie vor zwölf Jahren.
Labor und Wirklichkeit
Nach Ansicht der Luxemburger Prüfer haben sich die Fahrzeughersteller mehr darauf konzentriert, den im Labor gemessenen CO2-Ausstoß zu verringern als den tatsächlichen. Dabei nutzten sie laut Rechnungshof Schlupflöcher in den Vorschriften.
Der Abstand zwischen Straßen- und Laborwerten hat sich über die vergangenen 20 Jahre deutlich vergrößert. Zuletzt lagen zwischen beiden Größen fast 40 Prozent. Als Folge des Dieselskandals wurden die Vorgaben verschärft. Das hat nach Angaben der Prüfer die Differenz zwischen auf dem Prüfstand gemessenen und im Fahrbetrieb verursachten Emissionen verringert, aber nicht beseitigt.
Durch Kraftstoffverbrauchsmesser in den Fahrzeugen lässt sich der Unterschied zwischen Emissionen im praktischen Betrieb und im Labor mittlerweile genauer berechnen. 2021 betrug er bei Dieselfahrzeugen 18, bei Benzinern 24 und bei Plug-in-Hybriden durchschnittlich 250 Prozent.
Nach Angaben des Verbandes der deutschen Automobilindustrie stammt jeder zweite in Europa abgesetzte Pkw von einem deutschen Hersteller. Der Verband betont außerdem, dass Verbrauch und Reichweite von Fahrzeugen auf dem Rollenprüfstand nach einem gesetzlich vorgeschriebenen, weltweit anerkannten und harmonisierten Prüfverfahren ermittelt würden.
Schlechte Noten für Hybridfahrzeuge
Hybridfahrzeuge kommen in der Bewertung der Luxemburger Behörde nicht gut weg. Sie verursachten der Studie zufolge im Fahrbetrieb deutlich höhere Emissionen als im Labor. Die Begründung: Insbesondere bei Firmenwagen werde der Verbrennungsmotor häufiger genutzt als erwartet. Denn in der Regel tragen die Unternehmen die Spritkosten, und so gebe es keinen finanziellen Anreiz für Beschäftigte, die Batterien aufzuladen.
Trotzdem gelten Plug-in-Hybride weiterhin als emissionsarme Fahrzeuge - laut Rechnungshof ein milliardenschwerer Vorteil für Autohersteller ohne nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz. Mit klassischen Verbrennern oder Hybridfahrzeugen allein habe die EU keine Chance, ihre Klimaziele zu erreichen.
Nachlässige Behörden
Außerdem kritisiert der Rechnungshof, dass EU-Beschlüsse in den Mitgliedsstaaten nachlässig umgesetzt würden. Zum Beispiel bestätigen nationale Behörden mit der Typgenehmigung, dass ein in größerer Anzahl produzierter Fahrzeugtyp die gesetzlichen Vorgaben erfüllt.
In Deutschland konnte das Kraftfahrtbundesamt für 2020 und 2021 bestätigen, dass die Hersteller die erforderliche Mindestanzahl an Fahrzeugen geprüft hatten - die zuständigen Behörden in Italien und den Niederlanden legten keine entsprechenden Nachweise vor. In allen drei untersuchten Ländern boten Überprüfungen der Behörden für 2020 laut der Studie keine ausreichende Gewähr für die Datenqualität. Dem Rechnungshof zufolge enthielten die Daten falsche Werte, oder es fehlten Angaben.
Hoffnung Elektroautos
Anders als in den zwei Jahrzehnten zuvor sind in den vergangenen drei Jahren die Emissionen neu zugelassener Fahrzeuge im praktischen Fahrbetrieb stetig zurückgegangen - eine Folge von mehr Elektroautos auf Europas Straßen. 2018 war nur eines von 100 neu zugelassenen Fahrzeugen rein batteriegetrieben, im vergangenen Jahr schon jedes siebte.
Aber die EU tut sich nach Angaben des Rechnungshofes schwer, Elektroautos endgültig zum Durchbruch zu verhelfen. Es fehlten die nötigen Rohstoffe, die Produktionskapazität für Batterien müsse hochgefahren werden, die Preise für E-Autos seien zu hoch und es brauche deutlich mehr Ladestationen.
Derzeit gestaltet sich eine Europarundreise mit dem Elektroauto schwierig. Zwei Drittel aller EU-Ladestationen konzentrieren sich auf nur drei Länder: Deutschland, Frankreich und die Niederlande.