Demos gegen Rechtsextremismus Der Protest geht weiter
Gesicht zeigen gegen Rechtsextremismus: Auch an diesem Wochenende zog es deutschlandweit viele Menschen auf die Straße. Allein in Düsseldorf versammelten sich laut Polizei etwa 100.000. Auch in zahlreichen kleineren Orten gab es Aktionen.
Es ist das dritte Protestwochenende in Folge, seitdem Reporter über ein Geheimtreffen von AfD-Vertretern mit Rechtsextremen berichteten. An vielen Orten des Landes wurde zu Demonstrationen aufgerufen, Zehntausende kamen. Hier einige Beispiele:
Nordrhein-Westfalen
In Düsseldorf fand ein Marsch über den Rhein statt unter dem Motto "Gegen die AfD - Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln!". Laut Polizei liefen in bis zu 65.000 Menschen mit, bei der Hauptkundgebung auf den Rheinwiesen seien es bis zu 100.000 gewesen. Hier hieß das Motto: "Nie wieder ist jetzt! Für Demokratie und Rechtsstaat!" Erwartet worden waren 30.000 Teilnehmende.
Unter den Protestierenden waren Menschen jeden Alters, darunter viele Familien mit Kindern. In Düsseldorfer Tradition marschierten die Demonstranten teilweise mit Punkmusik. Auf den Transparenten standen Aufschriften wie "Ich mag Nazis generell nicht" und "Nicht nochmal!" Ein 69-Jähriger, der nach eigenen Worten erstmals seit Jahrzehnten wieder in einer Demo mitlief, sagte: "Wenn wir jetzt nicht Flagge zeigen, gehen wir in eine Richtung, aus der wir nicht mehr rauskommen."
Etwa 20.000 Menschen beteiligten sich nach Polizeiangaben in Aachen, wie der WDR berichtet. Dort waren Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dabei. Auch für andere nordrhein-westfälische Städte waren Proteste angemeldet, etwa in Köln und Gelsenkirchen.
Niedersachsen
Prominente politische Unterstützung hatte auch die Demonstration im niedersächsischen Osnabrück, wo Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit auf die Straße ging. Er war der Polizei zufolge einer von etwa 25.000 Menschen, die Organisatoren bezifferten die Zahl auf rund 30.000. Pistorius appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, sich entschlossen für die Demokratie einzusetzen. "Wir stehen zusammen gegen den Hass der Faschisten und der AfD. Wir stehen für die Freiheit und die Menschenwürde jedes Einzelnen, denn die Würde des Menschen ist unantastbar", sagte der gebürtige Osnabrücker und ehemalige Oberbürgermeister der Stadt.
Wer die AfD aus Protest wähle, dem müsse klar sein, dass er Faschisten wähle. Pistorius warnte: Die Demokratie der Weimarer Republik sei nicht zugrunde gegangen an der Stärke ihrer Feinde, sondern an der Schwäche ihrer Anhänger. "Es gab zu wenige, die aufgestanden sind." Demokratie brauche Leidenschaft und Engagement, mahnte Pistorius. "Gleichgültigkeit gegenüber der Demokratie liefert sie den Faschisten aus."
Baden-Württemberg
Im baden-württembergischen Sigmaringen nahm Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als Privatperson an einer Demonstration teil. Insgesamt kamen laut Polizei etwa 2.000 Menschen. Viele Familien waren bei dem Protest dabei. Auf Plakaten hieß es unter anderem: "Ekelhafd" oder "Rechts wählen ist 1939". In Singen zählte die Polizei rund 4.000 Demonstranten, in Mannheim bis zu 20.000.
Rheinland-Pfalz
An der größten Demonstration in Rheinland-Pfalz nahmen Polizeiangaben zufolge rund 6.000 Menschen teil. Für den Protest in Kaiserslautern hatten nach Angaben der Veranstalter vorab mehr als 50 Initiativen, Vereine, Parteien und Institutionen ihre Unterstützung angekündigt. In Worms zählte die Polizei etwa 4.000 Demonstrierende.
Schleswig-Holstein
In Kiel zählte die Polizei rund 11.500 Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. "Unsere Demokratie ist stabiler als die Demokratie vor 100 Jahren, aber seien wir uns nicht zu sicher", sagte Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). In Lübeck kamen laut Polizei etwa 8.000 Demonstranten zusammen.
Auch in vielen kleineren Orten wurden Aktionen für für Demokratie, Solidarität und Vielfalt organisiert, etwa in Heide, Elmshorn und Husum. Häufig kamen laut NDR mehr Menschen als erwartet.
Bayern
Auch an vielen Orten Bayerns zog es die Menschen auf die Straße, zum Beispiel in Sonthofen und Lindau mit jeweils rund 2.000 Teilnehmenden. In Schwabach schlossen sich nach Polizeiangaben mehr als 5.000 Bürgerinnen und Bürger einem Demonstrationszug an. In Neumarkt in der Oberpfalz versammelten sich rund 1.500 Menschen unter dem Motto "Schweigen reicht nicht mehr - Aktiv werden gegen rechts". In Ingolstadt kamen laut Polizei rund 6.000 Menschen zusammen.
Hessen
Demonstrationen gegen rechte Strömungen fanden auch in vielen hessischen Städten und Gemeinden statt, häufig hatten Bündnisse aus Politik und Kultur zu den Demos aufgerufen. Die größte Veranstaltung begann am Nachmittag in Marburg: Nach Polizeiangaben versammelten sich rund 16.000 Menschen in der Innenstadt - unter dem Motto "Marburg gegen rechts", wie der hr meldet.
Brandenburg
Im brandenburgischen Frankfurt (Oder) fand, wie es hieß, die größte Demonstration in der Stadt seit vielen Jahren statt, auch hier lautete das Motto "Nie wieder ist jetzt!". Die Polizei sprach von 4.000 Teilnehmenden, die Veranstalter von etwa 5.000.
Thüringen
Auch im thüringischen Weimar demonstrierten Hunderte Menschen gegen Rechtsextremismus. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich 1.500 Teilnehmer, die Veranstalter zählten 2.000 Menschen. Der Theaterplatz sei voll, das Publikum bunt gemischt, hieß es.
Mecklenburg-Vorpommern
Die größte Kundgebung gegen Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern gab es in Wismar. Dort hatten sich nach Angaben der Polizei 1.500 Menschen am Mittag am Bahnhof versammelt. Eine weitere Kundgebung für Demokratie, Vielfalt und Menschlichkeit mit rund 170 Menschen gab es auf dem Rathausplatz in Wolgast. Auch in Boizenburg fand eine Demonstration statt.
Sachsen
Unter dem Motto "Gemeinsam gegen Rechtsextremismus! Gemeinsam für Menschlichkeit und Demokratie!" drückten im sächsischen Bautzen Menschen ihre Sorgen vor einem Rechtsruck aus. Laut Polizei folgten dem Aufruf etwa 1.500 Menschen. Auch in Plauen und Döbeln wurde demonstriert.
Zuspruch vom Kanzler
Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte die zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus der vergangenen Tage und Wochen. "Unser Land ist gerade auf den Beinen. Millionen Bürgerinnen und Bürger gehen auf die Straße", sagte der SPD-Politiker in seinem wöchentlichen Video "Kanzler kompakt". Es sei der Zusammenhalt der Demokratinnen und Demokraten, der die Demokratie stark mache. "Unsere Demokratie ist nicht gottgegeben. Sie ist menschengemacht. Sie ist stark, wenn wir sie unterstützen. Und sie braucht uns, wenn sie angegriffen wird." Anlässlich des heutigen Holocaust-Gedenktags rief Scholz zudem zu einem entschlosseneren Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus auf.
Auslöser der aktuellen Proteste gegen Rechtsextremismus waren Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter am 25. November 2023, an dem einige AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten.