Nach Treffen mit Rechtsextremen Argumente für ein AfD-Verbotsverfahren?
Das Treffen von AfD-Funktionären und Rechtsextremen und dort diskutierte Vertreibungspläne haben heftige Kritik hervorgerufen. Haben sie auch Auswirkungen auf ein mögliches Verbotsverfahren?
Die AfD hat auf den Bericht des Recherchenetzwerks "Correctiv" über ein Treffen mit Rechtsextremen reagiert. Das sei "kein AfD-Termin" gewesen und dort seien keine politischen Strategien entwickelt worden. Was nicht geleugnet wird: Dass bei dem Treffen bei Potsdam ein Masterplan zur "Remigration" besprochen wurde.
Der Vordenker der rechtsextremen "Identitären Bewegung", Martin Sellner, plädierte bei dem Treffen laut "Correctiv" dafür, Wege zu finden, damit Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und auch "nicht assimilierte deutsche Staatsbürger" Deutschland verlassen. Die sogenannte "Remigration" ist kein neuer Plan von Rechtsextremen. Gemeint ist: die Vertreibung aller Menschen aus Deutschland, die eine Migrationsgeschichte haben und die auch mit deutschem Pass nicht ins rechtsradikale Deutschlandbild passen.
"Remigrations"-Pläne sind verfassungsfeindlich
Ein solcher Plan wäre rassistisch und verfassungsfeindlich. Er würde Menschen nach ihrer Herkunft ethnisch definieren und inhaltlich dem Volksbegriff entsprechen, den das Bundesverfassungsgericht im NPD-Verbotsverfahren bereits als verfassungsfeindlich eingestuft hat.
Damals hatte Karlsruhe gesagt: Ein "politisches Konzept, das auf die strikte Exklusion aller ethnisch Nichtdeutschen gerichtet ist", verletzt die Menschenwürde. Außerdem würde es gegen Menschenrechte verstoßen, Menschen massenhaft zu vertreiben, die zwar keine deutsche Staatsbürgerschaft aber in Deutschland ein Bleiberecht haben.
Was bedeutet das für ein mögliches AfD-Verbotsverfahren?
Zwei Dinge verlangt das Bundesverfassungsgericht für ein Parteienverbot. Einmal verfassungsfeindliche Ziele: Das heißt, eine Partei muss anstreben, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Und dann ein "planvoll aktives Handeln" von Parteimitgliedern oder Parteianhängern, um die verfassungsfeindlichen Ziele zu erreichen.
Dabei muss es zumindest möglich erscheinen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt. Bei der NPD, die 2017 nicht verboten wurde, hatte Karlsruhe die tatsächliche Gefährlichkeit der Partei verneint. Die AfD, die in diesem Jahr Landtagswahlen gewinnen könnte, würde hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht als politisch unbedeutend eingestuft.
Welche Nachweise müssten für ein Verbot erbracht werden?
Bei einem möglichen Verbotsverfahren gegen die AfD würde es wohl um einen anderen Knackpunkt gehen als bei dem gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD 2017. Bei der NPD hatte Karlsruhe gesagt, die Partei sei mittlerweile einfach politisch zu unbedeutend, obwohl sie klar verfassungsfeindlich ist. Bei der AfD müsste man für ein Verbot genau nachweisen, welche verfassungsfeindlichen Ziele sie im Einzelnen verfolgt.
Christoph Möllers, Professor für Verfassungsrecht und Verfahrensbevollmächtigter im zweiten Verbotsverfahren gegen die NPD, hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung auf ein Problem hingewiesen: Anders als die NPD schreibe die AfD keine verfassungsfeindlichen Ziele in ihre Programme. Daher müsse man ihre Verfassungsfeindlichkeit aus Äußerungen ihrer Funktionäre nachweisen und sie der Gesamtpartei zurechnen können. Man könne sich auch nicht nur auf die vorliegenden Verfassungsschutzberichte stützen, sondern müsste eine eigene tiefgreifende Materialsammlung bei einem Verbotsantrag vorlegen. Ein Thema in einem Verbotsverfahren könne aber die Vernetzung von AfD-Politikern mit der rechtsextremistischen Szene sein.
Die Unvereinbarkeitsliste der AfD
Die rechtsextreme "Identitäre Bewegung" steht eigentlich auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD. Soll heißen: Deren Mitglieder können keine AfD-Mitglieder werden. Allerdings ist seit Jahren bekannt, dass die Unvereinbarkeitsliste nicht konsequent beachtet wird. Das prominenteste Beispiel: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte beschäftigte in seinem Büro einen Bundeswehroffizier, der verdächtigt wurde, einen rechten Terroranschlag geplant zu haben. Trotz Einstufung als Rechtsextremist durch den Militärischen Abschirmdienst bekam dieser Mitarbeiter einen Hausausweis für den Bundestag.
Immer wieder fallen AfD-Bundestagsmitglieder auf, weil sie Kontakte zu Rechtsextremen halten oder selbst einen entsprechenden Hintergrund haben. Die eigene Unvereinbarkeitsliste scheint also in der Partei keinen sonderlich hohen Stellenwert zu genießen. Nach dem Bekanntwerden der "Correctiv"-Recherche verweist die AfD darauf, dass das Treffen in Potsdam keine AfD-Veranstaltung gewesen sei, die AfD habe nicht selbst dazu eingeladen.
Ein Baustein in einem möglichen Verbotsverfahren
Zwar hat die AfD festgelegt, dass Mitglieder bestimmter rechtsextremer Gruppen nicht Mitglied der Partei werden dürfen. Wenn sich der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel mit einem prominenten Rechtsextremen trifft und dann rassistische Vertreibungspläne besprochen werden, ist das aber ein Umstand, der in einem AfD-Verbotsverfahren mit großer Sicherheit eine Rolle spielen würde.
Das Treffen von Potsdam könnte ein Hinweis auf die Verfassungsfeindlichkeit der AfD sein und damit zumindest ein Baustein in einem möglichen AfD-Verbotsverfahren.
Wie reagiert die Politik?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat auf dem Kurznachrichtendienst X deutlich reagiert. Er schreibt: "Wir lassen nicht zu, dass jemand das "Wir" in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht. Wir schützen alle - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat vor der Vernetzung von rechten und rechtsextremen Gruppen gewarnt. Die SPD-Politikerin sagt, deswegen sei es richtig, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt.
Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz meinte, solche Deportationspläne seien "konkreter und struktureller Bestandteil dieser menschenverachtenden Partei". Auch Alexander Throm, Innenpolitiker der CDU, findet erschreckend, inwieweit AfD-Politiker, Rechtsextreme und Anhänger der als verfassungsfeindlich eingestuften "Identitären Bewegung" vernetzt sind. Von einem Verbotsverfahren hält Throm allerdings wenig, das würde die AfD aus seiner Sicht nur noch stärker machen.
Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sprach sich hingegen dafür aus, ein Verbotsverfahren zu prüfen. Ein solches Verfahren hätte zwar hohe Hürden und würde von der AfD "propagandistisch ausgeschlachtet", so der SPD-Politiker. "Das Damoklesschwert eines Verbots sollte aber über der AfD hängen bleiben."