Soldaten während des Aufstellungsappells des Heimatschutzregiments 2 der Bundeswehr von Reservistinnen und Reservisten
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Wehrbericht im Bundestag Wo die Probleme der Bundeswehr liegen

Stand: 25.04.2024 11:07 Uhr

Der Bundestag beschäftigt sich heute erneut mit dem Zustand der Bundeswehr. Trotz Zeitenwende und Sondervermögen bleiben zahlreiche Mängel und Baustellen. Wo genau? Ein Überblick.

Von Uli Hauck, ARD-Hauptstadtstudio

Trotz 100 Milliarden Sondervermögen und der "Zeitenwende" des Kanzlers hat die Bundeswehr weiterhin Personal-, Material- und Finanzprobleme. Das geht aus dem Bericht der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Eva Högl, hervor. Sie mahnt unter anderem "substanzielle Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur" an.

Heute befasst sich der Bundestag mit dem Zustand der Bundeswehr. Wo liegen die Probleme? Ein Überblick.

"Es gibt ein ganz konkretes Problem", Stephan Stuchlik, ARD Berlin, zu Bundestagdebatte über Wehrbericht

tagesschau, 25.04.2024 12:00 Uhr

Der Truppe fehlt das Personal

"Die Truppe altert und schrumpft immer weiter", schreibt die Wehrbeauftragte Eva Högl in ihrer jährlichen Bestandsaufnahme für den Bundestag. Das Durchschnittsalter der Soldatinnen und Soldaten hat sich von 33,5 im Jahr 2022 auf 33,8 Jahre im vergangenen Jahr erhöht. Die Bewerberzahlen für die Bundeswehr sind leicht zurückgegangen. Seit Jahren sind tausende Dienstposten oberhalb der Mannschaftsdienstgrade nicht besetzt.

Das Ziel, die Personalstärke bis 2031 von derzeit knapp 182.000 auf dann mindestens 203.000 Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen, sei nur schwer zu erreichen - stellt Högl nüchtern und nicht zum ersten Mal in ihrem Wehrbericht fest. Vermutlich auch, weil gerade mal 13 Prozent der Uniformträger bei der Bundeswehr Frauen sind.

Eine Lösung für den Personalbedarf sieht die Wehrbeauftragte in einem "Gesellschaftsjahr": das müssten junge Frauen und Männer in Bereichen wie Soziales, Umwelt, Kultur oder der Bundeswehr ableisten. Zur Wehrpflicht, die 2011 ausgesetzt worden ist, will niemand zurück. Schon allein, weil es gar nicht genug Unterkünfte, Ausrüstung und Ausbilder gäbe.

Angesichts der eklatanten Personalnot lässt Verteidigungsminister Pistorius aktuell aber dennoch verschiedene Wehrpflichtmodelle anderer Staaten analysieren. Als Favorit gilt dabei das "schwedische Wehrpflichtmodell". Es beinhaltet eine Musterungspflicht, bei der allerdings nicht gesamte Jahrgänge zur Armee eingezogen werden. Auch wenn sich Pistorius bis Mitte des Jahres festlegen sollte, dürfte es dauern, bis die Bundeswehr wirklich wieder anwächst. Denn für eine "neue" Wehrpflicht könnte eine Verfassungsänderung mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig sein und die dürfte dauern.

Schnellere Erfolge erhoffte sich der Verteidigungsminister durch eine Task Force zur Personalgewinnung. Zudem hat er unlängst die Spitze seiner Personalabteilung im Verteidigungsministerium neu besetzt.

Das Materialproblem

Die persönliche Ausrüstung der Soldaten ist mittlerweile besser geworden. Aber: Es fehlen weiterhin Patronen für Gewehre, ganze Panzer oder Ersatzteile für Reparaturen. Die Bundeswehr ist mit Blick auf das Material "noch nicht vollständig einsatzbereit" - trotz des 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens.

Ein Grund dafür ist die Abgabe von Waffensystemen und Munition an die Ukraine: Panzerhaubitzen 2000, Mehrfachraketenwerfer "Mars II", "Leopard"-2A6-Kampfpanzer, Artilleriemunition und zuletzt ein Flugabwehrraketensystem des Typs Patriot gingen in die Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat Deutschland nach Regierungsangaben allein aus den Beständen der Bundeswehr Material mit einem geschätzten Beschaffungswert von über fünf Milliarden Euro abgegeben. Obwohl nachbestellt worden ist, hat die Ukraine-Unterstützung erstmal Löcher in die Ausstattung gerissen, die zum Teil jahrelang nicht geschlossen werden dürften.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Bundeswehr: Bis 2025 hat Deutschland der NATO eine voll ausgestattete und kurzfristig einsatzbereite Heeresdivision versprochen. Teil der rund 30.000 Soldatinnen und Soldaten soll die geplante Litauenbrigade werden. Bis 2027 wird erstmals eine komplette deutsche Kampfeinheit mit 4.800 Soldatinnen und Soldaten im Ausland einsatzfähig stationiert werden.

Deren Ausstattung wird allerdings wiederum bei anderen Verbänden Lücken reißen. Heeresinspekteur Alfons Mais hat in der ARD erklärt, dass wir in den nächsten drei bis fünf Jahren "das nötige Personal und Material aus den Strukturen des Heeres quasi ausschwitzen müssen, um es nach Litauen zu schicken". Die Nachbeschaffung wird Jahre dauern.

Für den Aufbau einer gefechtsbereiten deutschen Brigade an der Ostflanke der NATO in Litauen sind nach Planungen des Verteidigungsministeriums Rüstungsinvestitionen in Höhe von sechs bis neun Milliarden Euro nötig.

Finanzfragen weiter ungeklärt

Nicht nur für die Aufstellung der Litauenbrigade braucht Verteidigungsminister Pistorius dringend Geld. Auch für den regulären Verteidigungshaushalt 2025 verlangt er deutlich mehr Geld von Finanzminister Lindner. Im Raum stehen Forderungen von bis zu 6,5 Milliarden Euro für neue Investitionen. Und damit Deutschland das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel der NATO erneut einhält. In diesem Jahr hat Deutschland, nach Regierungsangaben, zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten das Ziel, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung fürs Militär auszugeben, wieder erreicht.

Mittelfristig ist auch deshalb mehr Geld nötig, weil das Bundeswehr-Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro mittlerweile für neue Waffensysteme und Munition verplant ist und es maximal noch bis zum Jahr 2027 reicht.

Danach sieht es düster aus: Der "Spiegel" hatte Anfang des Jahres von einem drohenden Haushaltsloch im Jahr 2028 in Höhe von rund 56 Milliarden Euro berichtet und sich dabei auf eine interne Finanzbedarfsanalyse des Verteidigungsministeriums bezogen, die auch dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Selbst wenn es nicht so schlimm kommen sollte, für die mittelfristige Finanzierung der Bundeswehr fehlen definitiv Milliarden. Wo sie herkommen sollen, ist weiterhin völlig unklar.

Uli Hauck, ARD Berlin, tagesschau, 25.04.2024 11:14 Uhr