Bundeswehr in Mali Näher am Abzug
Vieles spricht dafür, dass die Bundeswehr schneller raus muss aus Mali als geplant. Vor Ort packt man schon zusammen. Doch es bleiben Unwägbarkeiten - wie Sandstürme oder die Wagner-Söldner.
Tankstelle zu versteigern, Seecontainer und Geländewagen. Nicht nur die Objekte sind ungewöhnlich, erst recht der Auktionator: die Bundeswehr. Die verkauft in ihrem Camp Castor nahe der Stadt Gao im westafrikanischen Mali Dinge, die sie bald nicht mehr brauchen wird und die es nicht lohnt, zurück nach Deutschland zu bringen.
Bieterzettel, Gebote und Zuschläge sind nicht das übliche Vokabular der Truppe, aber es ist ja auch keine übliche Zeit bei diesem gefährlichsten ihrer Auslandseinsätze.
UN-Sicherheitsrat berät
Heute läuft das Mandat für den UN-Blauhelmeinsatz aus, heute klärt der Sicherheitsrat in New York, wie es weitergeht. Wenn es nach der malischen Militärregierung geht, dann sollen die UN-Truppen und damit auch die Deutschen so schnell wie möglich raus aus dem Land. Frankreich hat vorgeschlagen, den Einsatz letztmalig bis Jahresende zu verlängern - so will man einen "geordneten Rückzug" ermöglichen.
Beides - ein Ende des UN-Mandats oder eine Verlängerung bis Jahresende - bedeutet für die Bundeswehr eine logistische Mammutaufgabe namens Rückverlegung. Erst vor einem Monat hat der Bundestag den Mali-Einsatz zum letzten Mal verlängert, und zwar längstens bis Ende Mai kommenden Jahres. Das Datum war bewusst so gewählt, dass man beim Abzug nicht unter Termindruck geraten würde. Nun aber wird es deutlich schneller gehen müssen.
Je schneller, desto teurer
Allerdings soll ein so chaotischer und überhasteter Rückzug wie aus Afghanistan nicht nochmal passieren. Man habe die Lektion gelernt. "Lessons learned aus Afghanistan" nennt das Sprecher Arne Collatz vom Verteidigungsministerium.
Schlimmstenfalls könne man auch innerhalb von Tagen abziehen, sagt Collatz. Das würde dann aber "sehr hohe Kosten verursachen". Er verweist auf Material im Umfang von umgerechnet 1500 Standard-Containern (Container-Äquivalenten). Das ist nicht viel für ein Containerschiff, es ist aber eine Menge, wenn das meiste mit Bundeswehr-Transportflugzeugen A400M aus dem Wüstenstaat ausgeflogen werden soll. Der Weg über die Straße in weit entfernt liegende Häfen gilt als viel unsicherer.
Im Wortsinn "raumgreifend" sind die Abzugsaktivitäten der Bundeswehr mittlerweile im Blauhelm-Feldlager Gao: Gigantische Flächen des Lagers haben die Deutschen freigeräumt und dort Zelte fast in Fußballfeldgröße aufgeschlagen. Sie dienen als sogenannte Materialschleusen. Hier wird der Zustand des Geräts - vom Funkgerät bis zum Helikopter - beurteilt, vorsortiert und schließlich verpackt, wenn es denn nach Hause soll.
"Wir haben eine Liste, auf der steht: Dieses Material muss unbedingt zurück; sollte zurück; kann zurück; braucht nicht zurück; lassen wir hier." Mit diesen fünf Kategorien arbeite er, erklärte der Chef der Materialschleuse Anfang Juni im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. "Waffen und geschütztes Material müssen unbedingt zurück", ergänzte der Oberstleutnant und Logistikexperte. Bei allem anderen schaue man dann, ob man es schaffe, das Material zurückzuführen. Notfalls müsse es vor Ort zerstört werden.
Geordneter Abzug dauert ein Jahr
Bis vor Kurzem sah es noch so aus, als hätten die Deutschen ausreichend Zeit, in Ruhe aus Mali abzuziehen - ohne den Eindruck einer Flucht zu erwecken. Denn für einen wirklich geordneten Abzug rechnet man bei der Truppe ein Jahr.
Doch schneller geht auch, erläuterte der Oberstleutnant. Wenn es gelinge, mehr Flieger zu bekommen, "ist theoretisch auch ein Abzug bis Ende Dezember möglich". Der Flieger und der Flughafen bilden aus Logistikersicht den "Flaschenhals", von dessen Enge alles abhängt.
Sandsturm und Wagner-Söldner
Und hier hat es die Truppe mit einer Reihe von Unwägbarkeiten zu tun: Wie heftig fällt die bevorstehende Sandsturm- und Regen-Saison aus? Werden die in unmittelbarer Nähe des Flughafens Gao campierenden russischen Wagner-Söldner noch zum Problem beim Abzug? Wie viele Flüge mit welchen Maschinen lässt das malische Militärregime zu?
"Die malische Regierung hat zugesichert, auch bei einer Beendigung des Mandats einen geordneten Rückzug zu gewährleisten - darauf wird es am Ende ankommen", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius dieser Tage nochmal in Richtung Bamako. Diese Zusicherung hatte er sich bei seinem Mali-Besuch im April geben lassen - ob sie hält, wird sich zeigen. Jedenfalls spricht Pistorius nun von einem schnelleren, aber in jedem Fall weiter geordneten Abzug.
Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht mit Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Mali.
Bis zu 1400 Bundeswehrsoldaten
Bis zu 1400 Soldatinnen und Soldaten aus Deutschland beteiligten sich an einer der größten UN-Missionen mit insgesamt mehr als 13.000 Kräften. Einen Auftrag, die sich ausbreitenden Terroristen zu bekämpfen, hatten Bundeswehr und Vereinte Nationen nie. Sehr wohl aber den Schutz der Zivilbevölkerung und die Aufklärung der Lage.
Beides wurde zunehmend dadurch erschwert, dass die Militärregierung in Bamako auf die Zusammenarbeit mit russischen Wagner-Söldnern setzte und den Deutschen seit Weihnachten Drohnen-Flüge untersagt.
Kritik der Opposition am Einsatz
Aus Sicht der deutschen Opposition war das Ganze ein "irrsinniger und auf ganzer Linie gescheiterter Einsatz". So beschrieb es Ali Al-Dailami von der Linken bei der jüngsten Bundestagsdebatte. "Alles umsonst", findet auch Rüdiger Lucassen von der AfD. Zehn Jahre seien Soldatenleben riskiert und Geld verpulvert worden.
Beschlossen wurde die deutsche MINUSMA-Beteiligung bereits unter der Regierung Merkel. So kritisiert die Union weniger die Mission als solche. Aber: Die Lage in Mali habe sich dramatisch verändert, so dass der Einsatz inzwischen "weitgehend wirkungslos" sei, findet CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt. Die Diskussion darüber, was man in Mali erreichen konnte, hat bereits begonnen, bevor der Einsatz beendet ist.
Tankstelle, Seecontainer und Geländewagen: All das wurde übrigens bereits verkauft. Zum Erlös äußert sich die Bundeswehr nicht. Aber schöner Nebeneffekt für sie angesichts der logistischen Herausforderung des Mali-Abzugs: "Abbau und Transport sind selbst vorzunehmen." Das gilt auch für die Tankstelle. Und die ist laut Bundeswehr auch schon abgeholt worden.