Im Bundeswehr-Karrierecenter "Keine Mission-Impossible-Filmchen"
Die Bundeswehr braucht mehr Personal. Aber dass der Minister nun selbst die Bewerbungsgespräche führt, dürfte die Ausnahme bleiben. Beim Besuch im Karrierecenter setzte Pistorius auf mehr Tempo - und mehr Realismus.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hört aufmerksam zu. Ob er denn einen Bezug zur Bundeswehr habe, fragt der Gast aus Berlin den Bewerber, der mit ihm und einem Ausbildungsbeauftragten im Raum sitzt. Der Onkel sei bei der Marine gewesen, antwortet der junge Mann. Als Mediziner. "Das waren immer die tollsten Erzählungen auf Familienfesten", sagt er weiter.
Verteidigungsminister Pistorius will die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver machen.
Es gibt sie also noch, die jungen Menschen mit einer engen persönlichen Beziehung zur Truppe und einer klaren Berufsvorstellung. Doch seit Jahren muss die Bundeswehr immer härter um Nachwuchs kämpfen.
In den ersten fünf Monaten dieses Jahres haben sich erneut weniger junge Menschen bei der Bundeswehr beworben als im Vorjahreszeitraum. Der Rückgang liegt laut Verteidigungsministerium bei sieben Prozent - ein Trend, der schon länger andauert. Dabei braucht die Bundeswehr nach eigenen Schätzungen bis 2031 dringend etwa 20.000 neue Soldatinnen und Soldaten. Stand Juni sind 180.770 bei der Truppe beschäftigt.
Bundeswehr soll schneller werden
Heute wollte sich der Bundesverteidigungsminister selbst ein Bild davon machen, was gut läuft und was nicht im Bewerbungsverfahren. Der Besuch im Karrierecenter in Stuttgart ist der erste seit seinem Amtsantritt vor sieben Monaten. Den ersten Verbesserungspunkt hat er schnell ausgemacht: Die Bundeswehr müsse schneller werden.
"Mir ist wichtig, dass wir die Zeitspanne kurz halten zwischen einer Anfrage bei der Bundeswehr, dem ersten Beratungsgespräch, dem ersten Assessment und einer Einstellung", sagt der SPD-Politiker vor Mitarbeitenden und Journalisten. "Diese Zeiträume müssen kurz sein, dazwischen muss betreut werden." Die Idee dahinter ist einfach: Wenn eine interessierte Bewerberin oder ein interessierter Bewerber schnell eine Zusage bekommt, können sie nicht mehr von anderen Arbeitgebern abgeworben werden.
Denn wie alle Unternehmen in Deutschland kämpft auch die Bundeswehr mit den Folgen des demografischen Wandels, dem Fachkräftemangel - aber eben auch mit ihrem schlechten Image.
Ist das Image der Truppe wirklich schlecht?
Die Zustimmungswerte der Bundeswehr in der Bevölkerung nähmen in repräsentativen Umfragen immer weiter ab, sagt Marcel Bohnert vom Bundeswehrverband, der Interessenvertretung der Menschen in der Bundeswehr. Schuld daran sei auch die schlechte Ausstattung. "Soldatinnen und Soldaten wohnen immer noch in maroden Unterkünften, sind weit weg von ihrer Heimatstadt stationiert, müssen sich immer noch Ausrüstung borgen und teilen, weil einfach keine Vollausstattung der gesamten Bundeswehr da ist", sagt Bohnert. Das mache es der Bundeswehr im Konkurrenzkampf mit anderen Unternehmen um die Bewerbenden schwer. Das Ziel, bis 2031 20.000 Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen, hält er für sehr schwierig zu erreichen.
Der Verteidigungsminister sagt bei seinem Besuch in Stuttgart, er sei kein Freund von solch einfachen Erklärungen. Er habe die Erfahrung gemacht, in der Truppe sei das Image der Truppe hervorragend. Auch im Ausland schaue man neidisch auf die Bundeswehr. In Deutschland allerdings gehöre es offenbar zur Tradition, auf die Truppe zu schimpfen.
Schluss mit Hochglanz-Werbefilmen
Pistorius will mehr Transparenz schaffen, um potenzielle Bewerberinnen und Bewerber zu überzeugen. Er will weg von aufwendig produzierten Hochglanz-Werbefilmen vergangener Jahre, hin zu einem realitätsnäheren Bild der Streitkräfte. Wichtig sei, "dass wir keine Mission-Impossible-Filmchen drehen darüber, was bei der Bundeswehr alles passieren könnte wie in Hollywood, sondern dass es ein realistisches Bild ist".
Auch wenn das bedeute, die in den vergangenen Jahren vorherrschende Darstellung von der Bundeswehr als familienfreundliches Unternehmen ein Stück weit aufzuweichen. Falsche Erwartungen dürften nicht länger geweckt werden. Die Quote der Ausbildungsabbrecher beim Heer liegt laut Pistorius aktuell bei 30 Prozent.
Während der Minister vor Presse und den Mitarbeitenden spricht, läuft der Auswahlbetrieb im Karrierecenter ganz normal weiter. Kandidatinnen und Kandidaten absolvieren Fitnesstests, durchlaufen Auswahlgespräche und psychologische Prüfungen - für Berufe im militärischen und im zivilen Bereich der Bundeswehr. 30 junge Menschen hatten sich für heute angemeldet - ob am Ende wirklich alle gekommen sind oder sich vorher schon für andere Ausbildungsunternehmen entschieden haben, wird sich erst zeigen, wenn der Minister längst wieder weg ist.