Treffen zu Migration beim Kanzler Gute Gespräche, keine Beschlüsse
Das Treffen mit Kanzler Scholz sei in guter Atmosphäre verlaufen, konkrete Beschlüsse aber gab es wie erwartet keine. Die Länder haben jedoch eine klare Position, was sich in der Migrationspolitik ändern soll.
Das Spitzentreffen zur Migrationspolitik im Bundeskanzleramt ist laut den Ministerpräsidenten Boris Rhein und Stephan Weil in "guter und konstruktiver" Atomsphäre verlaufen. Gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz und und Unionsfraktionschef Friedrich Merz hatten sie über Vorhaben und Maßnahmen in der Migrationspolitik beraten. Weil betonte, dass Bund, Länder und die Union inhaltlich nah beieinander lägen. Nun liege der Ball bei der Bundespolitik.
Die Unionsvertreter Merz und Rhein legten Scholz "ein umfassendes Maßnahmenpapier zur Begrenzung der illegalen Migration" vor. Das Papier umfasse "eine Vielzahl an nationalen und europäischen Maßnahmen, die eine tatsächliche Wende in der Migrationspolitik einleiten würden", hieß es aus Unionskreisen.
Konkrete Ergebnisse waren von dem Treffen nicht erwartet worden. Die soll es erst nach der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 6. November geben, an der auch Scholz teilnehmen soll. Vor dem Spitzentreffen in Berlin hatten sich die Länderchefs in Frankfurt am Main auf eine gemeinsame Position verständigt.
Länder wollen schnellere Asylverfahren
Nach dem Willen der Länder sollen Asylverfahren von Menschen mit geringer Bleibeperspektive in Zukunft schneller abgewickelt werden. "Bund und Länder haben das gemeinsame Ziel, Asylverfahren für Angehörige von Staaten, für die die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, zügiger als bisher rechtskräftig abzuschließen", heißt es in einem Beschluss, auf den sich die Ministerpräsidenten in Frankfurt am Main einigten.
Erklärtes Ziel sei es, das Asylverfahren und das dann häufig folgende Klageverfahren jeweils in drei Monaten abzuschließen. Die Ministerpräsidenten forderten den Bund auf, dafür weitere Migrationsabkommen beziehungsweise Rücknahmeabkommen mit den entsprechenden Staaten zu schließen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) personell dafür auszurüsten. Die Länder dringen zudem auf eine schnellere und konsequentere Rückführung abgelehnter Asylbewerber, insbesondere von denjenigen, die schwere Straftaten oder Gewaltverbrechen verübten.
Ermöglicht werden solle die beschleunigte Abwicklung durch eine prioritäre Bearbeitung der Anträge von Menschen aus Staaten mit einer geringen Anerkennungsquote, erklärte Weil. Das sei ein praktischer Schritt, der mehr bewirke als die seit Jahren geführte Debatte darüber, welche weiteren Länder als sogenannte sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollten.
Ministerpräsidenten fordern mehr Geld
Außerdem bekräftigten die Ministerpräsidenten ihre Forderung nach deutlich mehr Geld für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten. "Hier muss der Bund sich signifikant bewegen, das ist klar", sagte Rhein, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, nach dem Treffen der Länderchefs.
In ihrem Beschluss verlangten die Länder vom Bund jährlich eine Pauschale von 1,25 Milliarden Euro sowie pro Migrant mindestens 10.500 Euro. Außerdem soll er die Unterkunftskosten vollständig übernehmen.
Rheins Stellvertreter Weil sagte, viele Kommunen seien finanziell überlastet. "Wenn es schon schwer ist für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, dann müssen sie doch mindestens den Eindruck haben, dass sie so gut als irgend möglich von ihrem Staat unterstützt werden." Die Länder täten dies. "Unsere Erwartung ist, dass der Bund an dieser Stelle nachzieht."
Forderung nach Bezahlkarte
Außerdem wollen die Bundesländer eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte für Geflüchtete. Die Ministerpräsidenten forderten die Bundesregierung auf, "zeitnah" die Voraussetzungen dafür zu schaffen und "dabei die Umsetzbarkeit in den Kommunen sicherzustellen". Zudem solle die Bundesregierung prüfen, ob Abschiebungen unmittelbar aus Einrichtungen des Bundes erfolgen könnten, etwa an größeren Flughäfen. Weil betonte, in der Runde habe große Einigkeit geherrscht.
Bremen hielt allerdings in einer Protokollerklärung fest, man sei gegen "diskriminierende Maßnahmen wie etwa weitere, über die gegenwärtige Rechtslage hinausgehende, Arbeitspflichten oder Bezahlkarten, die keine Bargeldabhebungen ermöglichen". Auch Thüringen war mit einzelnen Punkten nicht einverstanden.
Bayern wiederholte die Forderung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer "Integrationsgrenze" bei der Asylzuwanderung und betonte, dafür seien "Rechtsänderungen auch verfassungsrechtlicher Art" zu prüfen und zu diskutieren.
Weil erleichtert über Einigung
Aus Sicht von Niedersachsens Ministerpräsident Weil haben die Länder einen wichtigen Schritt zur Einigung bei strittigen Fragen der Migration gemacht. "Es ist nicht selbstverständlich, dass wir am Ende dieser Konferenz sagen können: Wir haben uns auf ein substanzielles Papier zu Fragen der Migration geeinigt", sagte der SPD-Politiker nach der Ministerpräsidentenkonferenz.
Die Regierungschefs der Länder seien sich der Stimmung in der Bevölkerung sehr bewusst. "Wir sind fest entschlossen, alle miteinander das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen", sagte Weil. Die Ministerpräsidentenkonferenz habe bewiesen, dass man trotz politischer Gegensätze bei gutem Willen auch bei diesem Thema zusammenkommen könne.
Habeck verteidigt Maßnahmenpaket
Ein erstes Maßnahmenpaket hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bereits am Mittwoch vorgestellt. Der Gesetzentwurf der SPD-Politikerin sieht Maßnahmen für schnellere Abschiebungen von Straftätern und Geflüchteten ohne Bleiberecht vor. Parallel dazu einigten sich die Parteien der Ampelkoalition außerdem darauf, Asylsuchenden schneller die Aufnahme einer Arbeit zu ermöglichen.
Die vorgelegten Pläne sind nicht unumstritten. Die Union wertet die Möglichkeit zur schnelleren Arbeitsaufnahme als zusätzlichen Anreiz, um nach Deutschland zu kommen. Habeck verteidigte die Pläne. Es gehe darum, "Druck aus der Situation zu nehmen", sagte der Grünen-Politiker im ARD-Morgenmagazin. Die Regelung werde nur rückwirkend für jene greifen, die bis Dezember vergangenen Jahres nach Deutschland gekommen seien, sagte er. Eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt sei von Vorteil für alle Beteiligten. "Die Leute sollen selber ihr Geld verdienen", sagte er.
Kommunen stellen einzelne Maßnahmen infrage
Der Städte- und Gemeindetag begrüßte die Bemühungen der Politik um eine andere Migrationspolitik grundsätzlich, stellte einzelne der von den Ländern vorgeschlagenen Maßnahmen aber in Frage. So bezweifelte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg im Deutschlandfunk, dass die Asylverfahren wirklich auf drei Monate verkürzt werden können. "Das ist ein frommer Wunsch", sagte Landsberg. Zuständig sei auch nicht der Bund, sondern es seien die Länder selbst. Nötig sei dann eine personelle Aufstockung der Verwaltungsgerichte. "Das kann man alles machen, geht aber nicht von heute auf morgen."
Die Einführung einer bundesweit einheitlich geregelten Bezahlkarte als Ersatz für die Auszahlung von Bargeld könne das Verfahren zwar vereinfachen, erklärte Landsberg. Aber: "Auf die Zuwanderung insgesamt hat das überhaupt keine Auswirkung." Denn wer verfolgt werde, für den sei es egal, ob er Bar- oder Sachleistungen oder eine Karte erhalte.
Zugleich bedauerte Landsberg, dass die Ministerpräsidenten sich nicht für eine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten ausgesprochen haben. Bei deren Staatsangehörigen gibt es ein vereinfachtes Asylverfahren. Landsberg forderte, die nordafrikanischen Maghreb-Staaten und Indien entsprechend einzustufen.
Grundsätzlich lobte er aber die Bemühungen von Bund und Ländern: "Es ist gut, dass jetzt Bewegung in die Migrationspolitik kommt. Das war sicher den Ergebnissen der Landtagswahlen, aber auch der erkennbaren Überforderung der Kommunen geschuldet."