Vor Spitzentreffen im Kanzleramt Länder fordern Begrenzung der Migration
Wer bezahlt was - das war lange das zentrale Thema in der Migrationsdebatte zwischen Bund und Ländern. Nun scheint sich der Fokus zu verschieben: Vor dem Spitzentreffen fordern die Länderchefs, weniger Migranten aufzunehmen.
In der andauernden Migrationsdebatte haben Vertreter der Bundesländer vor dem Spitzentreffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Unionsfraktionschef Friedrich Merz ihre Forderung nach einer Begrenzung der Zahl neu ankommender Geflüchteter bekräftigt. "Das Wichtigste ist in der Tat, dass Maßnahmen ergriffen werden, dass weniger Menschen kommen", sagte Hessens Regierungschef Boris Rhein im ARD-Morgenmagazin.
Das Hauptproblem sei aus seiner Sicht, dass im Augenblick "in der Welt der Eindruck besteht, dass es in Deutschland eine grenzenlose Offenheit gibt", fügte der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz der Länder hinzu. Der CDU-Politiker betonte zugleich, es gebe nicht eine einzelne Maßnahme, die das Problem löse. Man dürfe nicht zu große Erwartungen an das Treffen am Abend haben, es sei ein erster Auftakt und damit ein erster Schritt.
Kretschmer: "Geld ist nicht das erste Thema"
Eines der Hauptthemen war bislang die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern bei der Unterbringung von Geflüchteten. Die Frage der finanziellen Unterstützung der Bundesländer und Kommunen bei der Flüchtlingsbetreuung werde dieses Mal nicht der zentrale Fokus sein, sagte der hessische Ministerpräsident Rhein. Es sei aber gleichwohl "ein Thema", weil erhebliche Mittel für die Betreuung und Unterbringung aufgewendet werden müssten. Dadurch drohten Schieflagen im Haushalt, die dann abgedämpft werden müssten, betonte Rhein.
Ähnlich äußerte sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Bürgermeister und Landräte bräuchten die notwendigen finanziellen Mittel, sagte der CDU-Politiker in den Sendern RTL und ntv. "Geld ist aber nicht das erste Thema, sondern das erste Thema ist, den Zustrom nach Deutschland zu begrenzen und zu reduzieren", fügte der Regierungschef an.
Wüst wirft Bund "zögerliches" Handeln vor
Scholz und Merz wollen am Abend mit Spitzenvertretern der Länder über den Kurs in der Migrationspolitik beraten. Zuvor wollen sich die Länder ihrerseits bereits bei einer Ministerpräsidentenkonferenz abstimmen. Rhein sagte, er rechne mit einem geschlossenen Auftreten der Länder. Er warnte in der Migrationsdebatte zugleich vor hektischem Vorgehen und Aktionismus. Das Land brauche "keine Schnellschüsse", sagte er. Zur Lösung des Problems müssten "sehr viele Einzelpunkte" zusammenwirken. Es sei daher "gut", dass Scholz das Thema jetzt zur "Chefsache" gemacht habe.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst kritisierte die Bundesregierung für ihr zögerliches Vorgehen. "Wir haben jetzt nach den Monaten des Abwartens seit Mai einen Gesetzentwurf zur besseren Rückführung. In dieser Zeit sind 270.000 Menschen wieder zu uns gekommen", sagte der CDU-Politiker im Sender RTL. Von dem Gipfel mit Scholz erwarte er nun ein klares Signal. "Gemeinsamkeit bei kleinen Schritten wäre jetzt zu wenig - es muss wirklich was dabei rauskommen."
Lindner: Höhe der Leistungen muss hinterfragt werden
Geht es nach Bundesfinanzminister Christian Lindner, sollte der Fokus vor allem auf einer Eindämmung von illegaler Zuwanderung liegen. "Es geht nicht zuerst darum, Migration zu finanzieren, sondern illegale Zuwanderung zu reduzieren", sagte der FDP-Politiker der "Rheinischen Post". Die Diskussion über die finanzielle Lastenverteilung dürfe nicht von diesem Ziel ablenken.
"Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Anreize unseres Sozialsystems zu reduzieren", betonte der Minister. Eine Kostenbeteiligung des Bundes könne nicht getrennt vom Wechsel auf Sachleistungen geklärt werden. "Außerdem müssen die Höhe der Leistungen im Asylbewerberleistungsgesetz und der Zugang zum Gesundheitssystem hinterfragt werden", sagte Lindner. Beides könne den Finanzbedarf für den Gesamtstaat reduzieren.
Habeck verteidigt Maßnahmenpaket
Ein erstes Maßnahmenpaket hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser bereits am Mittwoch vorgestellt. Der Gesetzentwurf der SPD-Politikerin sieht Maßnahmen für schnellere Abschiebungen von Straftätern und Geflüchteten ohne Bleiberecht vor. Parallel dazu einigten sich die Parteien der Ampelkoalition außerdem darauf, Asylsuchenden schneller die Aufnahme einer Arbeit zu ermöglichen.
Die vorgelegten Pläne sind nicht unumstritten. Die Union wertet die Möglichkeit zur schnelleren Arbeitsaufnahme als zusätzlichen Anreiz, um nach Deutschland zu kommen. Habeck verteidigte die Pläne. Es gehe darum, "Druck aus der Situation zu nehmen", sagte der Grünen-Politiker im ARD-Morgenmagazin. Die Regelung werde nur rückwirkend für jene greifen, die bis Dezember vergangenen Jahres nach Deutschland gekommen seien, sagte er. Eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt sei von Vorteil für alle Beteiligten. "Die Leute sollen selber ihr Geld verdienen", sagte er.
Landkreistag fordert Arbeitspflicht für Migranten
Dem Landkreistag ging das nicht weit genug. Der Verband forderte eine Arbeitspflicht für alle Migranten. "Wer gesund ist und nicht gehandicapt ist, muss arbeiten. Eine Arbeitspflicht muss her", sagte Präsident Reinhard Sager der "Bild"-Zeitung. Dabei sei es egal, ob es sich beispielsweise um gemeinnützige Arbeit oder eine Arbeit in der Gastronomie handele.
Der Landkreistag ist nicht zu dem Spitzengespräch im Kanzleramt eingeladen worden. "Wir sind beim Gipfel nicht dabei, haben nichts von Scholz gehört", erklärte Sager. "Wir tragen die Hauptlast und sitzen nicht am Tisch. Wir brauchen dringend die Unterstützung der 16 Ministerpräsidenten."