Aufruf an Abgeordnete BSW will Selenskyj-Rede im Bundestag boykottieren
Am Nachmittag wird der ukrainische Präsident Selenskyj eine Rede im Bundestag halten. Das BSW hat seine Abgeordneten aufgefordert, die Rede zu boykottieren - und auch bei der AfD könnten die Reihen leer bleiben. Andere Parteien kritisieren das scharf.
Die Bundestagsabgeordneten des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) wollen die für heute Nachmittag geplante Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Bundestag boykottieren. Das geht einer Erklärung des BSW hervor, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Zuerst hatte das Portal t-online darüber berichtet.
In der BSW-Erklärung heißt es, Selenskyj trage aktuell dazu bei, eine hochgefährliche Eskalationsspirale zu befördern. Er nehme dabei das Risiko eines atomaren Konflikts mit verheerenden Konsequenzen für ganz Europa in Kauf. "Daher sollte er im Deutschen Bundestag nicht mit einer Sonderveranstaltung gewürdigt werden."
Zu Beginn des Schreibens betont das BSW, dass es "den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine" verurteile. Zuletzt habe es aber "Signale aus Moskau zu einem Waffenstillstand entlang der jetzigen Frontlinie" gegeben. Statt darauf einzugehen, gehe es in der "deutschen Ukraine-Debatte seit zwei Jahren ausschließlich darum, den ukrainischen Wünschen nach immer mehr Waffenlieferungen nachzukommen", so das BSW. Auf die Frage, wie realistisch Verhandlungen mit dem für den Krieg verantwortlichen russischen Präsidenten Wladimir Putin sind, geht das Papier nicht ein.
SPD: Wagenknecht ist "jedes Mittel zur eigenen Profilierung Recht"
Aus anderen Parteien kam umgehend scharfe Kritik. "Sahra Wagenknecht ist scheinbar jedes Mittel zur eigenen Profilierung Recht. Das alles auf dem Rücken der Ukraine, wo Menschen auch zur Stunde um ihr Leben bangen und kämpfen müssen", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast.
Der Linkspartei-Politiker Dietmar Bartsch nannte den Schritt seiner ehemaligen Fraktionskollegin ein "Unding": Wie auch immer man zu Selenskyj oder zu Waffenlieferungen stehe, in der Demokratie gehe es darum, zumindest zuzuhören, und nicht darum, Aufmerksamkeit zu erregen, so Bartsch. "Zuhören können ist das Mindeste in einer Demokratie." Wagenknecht war lange Jahre eine der prominentesten Politikerinnen der Linken. Im Oktober des vergangenen Jahres trat sie aus der Partei aus und gründete wenig später das BSW.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann reagierte sarkastisch. "Ich bin verwundert, dass Sahra Wagenknecht heute schon wieder kommen will", sagte Haßelmann. Wagenknecht gehöre zu denen im Parlament, die am wenigsten Präsenz zeigten. Als Abgeordneter habe man eine Verantwortung, im Bundestag zu arbeiten. Dafür bekomme man eine Abgeordnetenentschädigung und eine Kostenpauschale, auch die Bürger erwarteten das.
FDP: Zweite Partei, die Putin "unreflektiert folgt"
Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann reagierte im Onlinedienst X: "Mit dem BSW hat Putin nun schon die zweite Partei in Deutschland, die ihm unreflektiert folgt."
Strack-Zimmermann spielt damit offenbar auf die AfD an. Auch von deren Abgeordneten werden vermutlich viele nicht zu Selenskyj-Rede in den Bundestag kommen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa hat der AfD-Fraktionsvorstand den AfD-Abgeordneten empfohlen, der Rede des ukrainischen Präsidenten fernzubleiben. Den Parlamentariern blieb es demnach aber freigestellt, dennoch teilzunehmen.
Drei Viertel der BSW-Anhänger stützen Ukraine-Kurs
Sowohl BSW als auch AfD hatten im Wahlkampf vor der Europawahl stark auf das Thema Ukraine gesetzt und sich dabei von der Position aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien abgegrenzt. Das BSW bekam dabei von vielen seiner Wählerinnen und Wählern ausdrücklich Rückendeckung für diesen außenpolitischen Kurs. In einer Umfrage im Auftrag der ARD gaben 74 Prozent von ihnen an, dass sie es gut finden, dass sich das BSW gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine einsetzt.
Das neu gegründete BSW erreichte bei der Europawahl aus dem Stand 6,2 Prozent der Stimmen, die AfD gewann deutlich hinzu. Beide Partei sind vor allem in den ostdeutschen Bundesländern stark.