Reform der Grundsteuer Werden Mieter mehr belastet?
Von heute an verhandeln die Finanzminister von Bund und Ländern über die Grundsteuer-Reform. Wie die aussehen soll, ist umstritten. Drei Varianten sind in der Diskussion.
Es ist eine undankbare Aufgabe, die sich Olaf Scholz selbst wohl nicht ausgesucht hätte. Doch er hat keine Wahl. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form ist verfassungswidrig. Denn seit 1964 hatten sich die Einheitswerte (hypothetische, damals festgelegte Werte) der Grundstücke im Westen nicht mehr geändert. Im Osten bestehen sie sogar seit 1935. Die Grundstückswerte - so wie sie sich in der Zwischenzeit entwickelt haben - werden dabei längst nicht mehr abgebildet. Bis Ende 2019 muss deshalb eine Neuregelung her. Bis 2025 muss diese in den Kommunen umgesetzt sein.
Finanzminister Scholz hat bereits zwei verschiedene Modelle für die Reform vorgelegt. Jetzt gehen die Gespräche mit den Finanzministern der Länder in die zweite Runde.
Variante 1: Wertabhängiges Modell
Scholz bevorzugt ein Modell, das den tatsächlichen Wert einer Immobilie berücksichtigt. In die Berechnung des Einheitswerts sollen folgende Faktoren einfließen: Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert. Anfang 2020 sollen Immobilienbesitzer eine Steuererklärung mit diesen Daten abgeben. Bei selbst genutzten Immobilien soll eine fiktive Miete angesetzt werden, die sich am regionalen Mietenniveau orientiert.
Damit es durch die höheren Grundstückswerte insgesamt nicht zu einer Steuererhöhung kommt, will der Finanzminister den Steuermessbetrag entsprechend senken. Das Grundsteueraufkommen, das derzeit bei rund 14 Milliarden Euro liegt, soll in etwa gleich bleiben. Die Kommunen selbst, für die die Grundsteuer eine wichtige Finanzierungsquelle ist, könnten den Hebesatz weiterhin selbst festlegen, um etwaige Verluste auszugleichen. In den Fällen, in denen die Grundsteuer steigen würde, geht es laut Regierungskreisen um eine jährliche Mehrbelastung in Höhe eines "mittleren zweistelligen Eurobetrags".
Mehrbelastung für wen?
Scholz will allerdings verhindern, dass Mieter und Eigentümer, die in teuren Gegenden noch relativ günstig wohnten, stärker belastet werden. "Ich möchte, dass diejenigen Grundeigentümer belohnt werden, die eine geringe Miete nehmen." Wie genau das mit seinem wertabhängigen Modell funktionieren soll, ist nicht ganz klar. Deshalb hatte sich, sobald erste Details seines Konzepts öffentlich wurden, heftiger Widerstand gebildet: Denn wenn die Grundsteuer für Wohnungen in Bestlagen steigt, würden Eigentümer sich das wohl über die Nebenkosten von den Mietern zurückholen. So ist es bisher gängige Praxis.
Justizministerin Katarina Barley (SPD) fordert deshalb, diese Umlagemöglichkeit auf die Mieter abzuschaffen. Dann müssten Immobilienbesitzer die Grundsteuer allein zahlen. Einen entsprechenden Beschluss der SPD-Fraktionsvorsitzenden von Bund und Ländern gibt es bereits. Auch Scholz sympathisiert mit dieser Idee.
Umlagemöglichkeit streichen?
Kritik dagegen hagelt es von den Immobilienverbänden. Das würde die Rentabilität vieler Immobilieninvestitionen in Frage stellen, sagt Jürgen Michael Schick, Präsident des IVD. "Die Folge wären geringere Investitionen in energetische Modernisierungen und den Neubau." Zudem könnten bei Neuvermietungen die zusätzlichen Kosten auf die Nettokaltmiete aufgeschlagen werden, die Mieten würden dadurch ebenfalls steigen. Allerdings nehmen Vermieter bei der derzeitigen Marktlage in aller Regel ja ohnehin schon das Maximum, das gesetzlich möglich ist. Luft nach oben durch die Grundsteuer wäre also in angespannten Wohngegenden gar nicht.
Der Deutsche Mieterbund wiederum hält eine Streichung der Umlagemöglichkeit auf Mieter für gerecht. Die Grundsteuer sei eine Eigentumssteuer. Es sei nicht nachvollziehbar, dass diese vom Eigentümer auf die Mieter abgewälzt werden könne.
Hauptkritikpunkt an Scholz' wertbasiertem Modell ist aber, dass es viel zu kompliziert sei. Immobilienverbände befürchten einen wiederkehrenden bürokratischen Aufwand, da die Grundstückswerte alle sieben Jahre aktualisiert werden sollen. Volkswirte sprechen gar von einem "Bürokratiemonster". Das Finanzministerium wiederum hält den Aufwand für "beherrschbar", da die Berechnung auf relativ wenigen, leicht festzustellenden Größen basiere.
Variante 2: Flächenmodell
Beim Flächenmodell orientiert sich die Berechnung der Grundsteuer an der Fläche des Grundstücks und der vorhandenen Gebäude. Die tatsächlichen Werte bleiben dabei unberücksichtigt. Auch dieses Modell nimmt Scholz mit in die Gespräche mit den Ländern. Favorisiert wird dieses Modell von der Union, insbesondere der CSU.
Es besticht durch Einfachheit und geringen Aufwand. Gerade für Großstädte könnte dieses Modell zudem vorteilhaft sein: Besonders teure Lagen würden durch die Grundsteuer nicht noch teurer. Fraglich ist allerdings, ob das verfassungskonform ist. Denn die Idee der Verfassungsrichter war ja gerade, die bisherigen teils unrealistischen Werte an die Wirklichkeit anzupassen. Das Flächenmodell könnte hier also neue Ungerechtigkeiten schaffen.
Variante 3: Bodenwertmodell
Bei diesem Modell werden nicht die Gebäude besteuert, sondern allein der Wert des Bodens. Bodenspekulation könnte dadurch weniger attraktiv werden: Denn gezielte Nichtnutzung von Boden durch Spekulanten würde bestraft. Für nicht bebaute Grundstücke würde die gleiche Steuer fällig wie bei einem gleichgroßen Grundstück, auf dem ein Hochhaus steht. Zudem könnten durch dieses Modell Investitionen angeregt werden. Gerade dort, wo der Boden knapp ist, könnte ein Anreiz geschaffen werden, viel Wohnraum auf geringer Fläche zu schaffen. Zusätzliche Steuern würden dafür schließlich nicht anfallen.
Doch auch bei diesem Modell bleibt das Problem: Die Grundsteuer würde sich in ohnehin angespannten Wohngegenden erhöhen, also vor allem in Großstädten und - zumindest so lange sie auf die Mieter abgewälzt werden kann - würden diese noch mehr belastet.
Ein Vorteil wäre wiederum, dass dieses Modell mit sehr geringem Aufwand verbunden wäre. Bodenrichtwerte gibt es ohnehin bereits für jedes Grundstück, alle zwei Jahre werden sie angepasst. Die Initiative "Grundsteuer: zeitgemäß!" macht sich für dieses Modell stark. Olaf Scholz hat es bislang nicht in seinem Repertoire.