Experte zu Republikanern "Sie sind ihm gefolgt bis in den Abgrund"
Von den Republikanern ist nach Trump nicht mehr viel übrig, meint USA-Experte Braml im tagesschau.de-Interview. Er habe sie sich hörig gemacht und werde seinen Einfluss weiter nutzen. Joe Biden wird es schwer haben.
tagesschau.de: Nach den chaotischen Zuständen gestern scheint in den USA inzwischen vieles wieder in geordneten Bahnen zu verlaufen. Trump hat inzwischen sogar eine geordnete Amtsübergabe zugesagt. Wird jetzt alles gut?
Josef Braml: Es war vor Trump nicht alles gut und wird auch nach Trump nicht so schnell wieder gut werden, weil er die Situation noch verschlechtert hat. Es gibt 74 Millionen US-Bürger, die Trump trotz seiner vierjährigen, chaotischen Amtsführung wiedergewählt haben. Das muss einem schon Sorge bereiten.
Das ist politisches Kapital, das er weiterhin nutzen können wird und das auch andere - bei den Republikanern - davon abhält, ihm zu widersprechen. Und das ist ein Problem für die demokratische Kultur in diesem Land, das bestehen bleibt, auch wenn es auf den Straßen und um das Kapitol herum wieder ruhiger wird.
"Trump ist immer noch Oberbefehlshaber"
tagesschau.de: Auch wenn er eine geordnete Amtsübergabe in Aussicht gestellt hat, welche Gefahr geht bis dahin noch von Trump aus?
Braml: Es ist unmöglich einzuschätzen, was Trump noch tun oder lassen wird. Rein formal hat er alle Möglichkeiten. Man darf nicht vergessen: Er ist weiterhin der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die USA sind das mächtigste Land der Welt mit der größten Armee. Und es lässt tief blicken, wenn zehn ehemalige US-Verteidigungsminister in einem Gastbeitrag der "Washington Post" davor warnen, das Militär im Streit über die Wahlergebnisse zu missbrauchen.
Die Gefahr, dass er das Militär im Inneren für seine Zwecke einsetzt, sehe ich jetzt nicht mehr unbedingt. Aber es gäbe natürlich auch international die Möglichkeit, Militär einzusetzen. Wir leben in einer gefährlichen Welt und diese Gefahr ist nicht gebannt, so lange er noch Oberbefehlshaber ist.
tagesschau.de: Welche Möglichkeiten gäbe es, ihn zu stoppen?
Braml: Es gibt den 25. Verfassungszusatz, der ermöglichen würde, ihn wegen Amtsunfähigkeit abzusetzen. Aber dazu bräuchte es politischen Mut, den sehe ich bei den Republikanern momentan nicht zu Genüge. Die Frage ist ohnehin, ob ihm das nicht mehr nutzen als schaden würde. Wenn man ihn jetzt noch des Amtes enthebt, wären seine Anhänger umso mehr davon überzeugt, dass man ihren Volkstribun loswerden will und diese Legende würde weitere Nahrung bekommen. Ich halte diese Forderungen nach Amtsenthebung deshalb für zu kurzsichtig. Es würde weiteres Öl ins Feuer gießen.
"Trump hat sich die Republikaner hörig gemacht"
tagesschau.de: Viele aus seiner eigenen Partei haben sich bereits gegen ihn gestellt. Wie würden Sie den Zustand der Republikanischen Partei im Moment beschreiben?
Braml: Trump hat sich die Partei hörig gemacht, und sie ist ihm gefolgt bis in den Abgrund, der uns gerade vor Augen geführt wurde. Viele von denen, die sich aus Opportunismus nicht getraut haben, seinem Wahnsinn zu widersprechen, haben jetzt gesehen, was sie da mitgetragen haben. Die Demokratie war unter Beschuss, im Wortsinne. Einige haben sich nun eines Besseren besonnen und Joe Biden als Präsidenten anerkannt. Aber wie das jetzt weitergeht, bleibt abzuwarten.
Trump wird sicherlich in irgendeiner Weise auf diese 74 Millionen, die ihn ja trotz seiner Amtsführung gewählt haben, weiterhin zugreifen können. Es ist durchaus möglich, dass er seine eigene Bewegung fortführt. Er hat sich ja ohnehin nie wirklich als Republikaner gesehen. Er hat ja beide Parteien schon in seiner Amtsantrittsrede mit schallenden Ohrfeigen bedacht und gesagt: "Ihr habt das amerikanische Volk, meine Bewegung, verraten." Er ist an beiden Parteien vorbei ins Weiße Haus gekommen und hat sich die Hülle, die von den Republikanern noch übrig war, Untertan gemacht. Und jeder, der sich jetzt von ihm distanziert, läuft Gefahr, Wählerstimmen an der Basis zu verlieren. Denn da gibt es viele, die Trump gut finden.
"Republikaner hätten ihn gerne verhindert"
tagesschau.de: Was heißt das für die Zukunft der Republikanischen Partei?
Braml: Wir dürfen nicht vergessen, dass Parteien in Amerika nicht das sind, was sie bei uns sind. Es sind bessere Wahlvereine und selbst diese Minimalfunktion haben sie nicht mehr, dafür ist Trump das beste Beispiel. Die Republikaner hätten ihn liebend gerne verhindert.
Es gibt Wähleransammlungen, die sich wieder hinter einem Kandidaten zusammenscharen müssen. Der nächste Präsidentschaftskandidat wird sich die republikanische "Hülle", also im Prinzip seine Wählerkoalition, zurechtrücken. Mike Pence kommt da sicherlich ins Spiel. Er ist für die Trump-Bewegung jedoch delegitimiert, weil er sich gewehrt hat, Trumps Wahnsinn mitzuspielen.
Eine andere Kandidatin wäre Nikki Haley. Sie war zwar in der Trump-Administration, ist aber eine der wenigen, die da unbeschadet herauskam, was ihre politische Reputation angeht. Sie spricht den vernünftigen Flügel der republikanischen Wählerkoalition an. Aber es wird schwierig sein, diese unterschiedlichen Strömungen wieder unter einen Hut zu bringen, um in Zukunft wieder besser dazustehen. Die nächsten Kongresswahlen sind ja schon in zwei Jahren.
"Bidens Gesetzgebungsverfahren können blockiert werden"
tagesschau.de: Wie könnte es gelingen, die gespaltene amerikanische Gesellschaft wieder zu versöhnen?
Braml: Trump ist ja nur ein Symptom für viel tiefer liegende Probleme, die er gleichwohl noch verschärft hat. Um diese Probleme zu lösen, bräuchte es politische Handlungsfähigkeit. Die hätte man auf den ersten Blick ja, weil es jetzt nicht nur eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, sondern bei Abstimmungen auch eine Mehrheit im Senat für die Demokraten gibt.
Die Auffassung vieler Kommentatoren, dass Biden jetzt durchregieren könne, stimmt aber mitnichten. Biden kann zwar seine Personal-Nominierungen - ohne Zustimmung der Republikaner - durch den Senat bringen. Aber bei den normalen Gesetzgebungsverfahren kann er nach wie vor blockiert werden. Da reichen nicht die 51 Stimmen, die die Demokraten durch ihre 50 Senatssitze und die dann ausschlaggebende 51. Stimme der künftigen Vizepräsidentin hätten. Sondern man braucht 60 Stimmen, drei Fünftel der 100 Sitze, um Blockademanöver abwenden zu können.
Diese 60 Stimmen haben die Demokraten aber nicht. Das heißt, vieles von dem, was Biden tun müsste, um dieses wirtschaftlich und sozial schwer angeschlagene Land wieder auf Vordermann zu bringen, wird er nicht durch den Kongress bekommen. Er wird blockiert werden und das wird die Politikverdrossenheit noch weiter verschärfen. Genau dieses Phänomen hat ja dazu geführt, dass die Menschen der etablierten Politik nicht mehr trauen - und das hat letztlich Trump ermöglicht.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de.