Smart City Wenn selbst die Kläranlage smart ist
Im europäischen Vergleich haben deutsche Städte bei der Digitalisierung noch großen Nachholbedarf, dabei fördert der Bund die "Smart Cities" mit Millionen. Manche Städte wollen selbst vorankommen - zum Beispiel Trier.
Wie smart eine Stadt ist, zeigt sich auch daran, wie sie mit ihrem Abwasser umgeht. In Trier setzen die Stadtwerke sogar auf künstliche neuronale Netzwerke, eine Form von Künstlicher Intelligenz (KI). Die berechnet in Echtzeit, wie das Abwasser in den Reinigungsbecken möglichst effizient gereinigt werden kann.
Ein Viertel der eingesetzten Energie lasse sich in diesem Bereich sparen, sagt Marius Barbian, Abwassermeister bei den Stadtwerken. Die KI steuert auch, wie Abwasser am besten durch das 500 Kilometer lange Kanalnetz geleitet wird. "Intelligentes Kanalnetzmanagement" nennt das Barbian: "Die Software schlägt vor, wie die Pumpen im Kanalsystem betrieben werden müssen, um etwa bei starkem Regen die Kapazitäten in den Kanälen so gut wie möglich zu nutzen.
Bürgerbeteiligung und Datenerfassung
Das Abwasser-Beispiel zeigt, wie Städte digitale Technologie intelligent nutzen können: Smart Cities heißt hier das Stichwort. Das Thema ist längst nicht nur für Metropolen wie München oder Berlin relevant: Im sogenannten Smart City Index des Digital-Branchenverbands Bitkom schneiden auch Städte wie Nürnberg, Ulm oder eben Trier gut ab. Was läuft hier anders als in anderen Städten?
Im Bitkom-Ranking punktet Trier beispielsweise mit einer Bürgerbeteiligungsplattform, die die Stadt weiter ausbauen will. 2500 Bürgerinnen und Bürger seien derzeit angemeldet, sagt Johanna Pfaab, die das Projekt bei der Stadtverwaltung betreut. Zum Einsatz kam die Plattform etwa, als damit rund 250 Vorschläge für eine Straßenumbenennung gesammelt wurden. Oder, als die Stadt Standorte für versenkbare Poller gesucht hat. Auch Beschwerden an die jeweils zuständigen Ämter können die Triererinnen und Trierer digital einreichen.
Ein wichtiger Faktor für eine smarte Stadt ist, wie die Kommunen Daten erfassen und nutzen. In Trier soll das etwa im Bereich Mobilität vorangetrieben werden, um den Verkehr in der Stadt besser zu steuern und so den CO2-Ausstoß zu verringern. Dafür sollen beispielsweise Sensoren an Straßenlaternen sowie Bodensensoren an Parkplätzen die jeweilige Verkehrslage erfassen.
Gutes Datenmanagement ist eine der Grundlagen
"Diese Daten werden dann einer zentralen Plattform übermittelt und ausgewertet", sagt Thorsten Kraus, Digitalisierungsbeauftragter der Stadt Trier. Ist ein Parkplatz voll oder eine Verkehrsachse blockiert, sollen beispielsweise LED-Tafeln den Autofahrern Alternativrouten vorschlagen. Auch die Ampelschaltung ließe sich anhand der Daten besser steuern.
Ein funktionierendes Datenmanagement sei eine der Grundlagen für erfolgreiche Stadtdigitalisierung, sagt Michael Pfefferle, Smart-City-Experte bei Bitkom. Etwa für die Stadtplanung: "Wenn in ein Wohngebiet 300 Familien ziehen, dann bedeutet das auch, dass man dort Kitas braucht und eventuell eine Straßenbahnanbindung."
Solche Daten seien damit nicht nur für das Bauamt relevant, sondern eben auch für den Bildungs- und Mobilitätsbereich. Doch der Datentransfer scheitere häufig, weil die Städte noch zu analog arbeiteten, wie Pfefferle beschreibt. "Die Kommunen sitzen auf sehr vielen Daten, aber können sie nicht nutzen, weil sie nicht digitalisiert sind."
Behördengänge noch nicht ausreichend digitalisiert
Dass der Staat insgesamt noch großen Nachholbedarf hat, zeigt sich auch beim so genannten Online-Zugangsgesetz: Eigentlich sollten bis Ende vergangenen Jahres Behördengänge digitalisiert worden sein, doch diese Vorgabe wurde deutlich verfehlt. Von den insgesamt 575 "Leistungsbündeln" der Behörden war nur ein kleiner Bruchteil tatsächlich für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland online verfügbar.
"Die Verwaltungsdigitalisierung ist für uns der große Schwerpunkt", sagt auch Triers Digitalisierungsbeauftragter Kraus. In der Stadt seien nun 80 digitale Leistungen verfügbar, etwa die Meldebescheinigung oder das Ummelden des Wohnsitzes. Damit noch mehr digitale Leistungen dazu kommen, fehle es aber an deutschlandweit standardisierter Software und an einer klareren Priorisierung, welche Leistungen schnellstmöglich umzusetzen sind, wie Kraus sagt.
Doch gerade die Digitalisierung der Verwaltung sei auch für eine Smart City das A und O, sagt Experte Pfefferle: "So lange hier noch viel zu tun ist, haben Kommunen kaum Kapazität, sich um etwas anderes zu kümmern."
Standortfaktor Digitalisierung
Nicht nur für Bürgerinnen und Bürger, auch für die Wirtschaft sei die digitale Kommunikation mit den Behörden eine Erleichterung. "Die wirklichen Power-User sind hier die Unternehmen vor Ort", sagt Pfefferle. Die Kommunen müssten die Digitalisierung als Standortfaktor begreifen, in den es sich - trotz oftmals klammer Kassen - zu investieren lohnt.
Um die Smart Cities insgesamt voranzubringen, hat der Bund Fördermittel bereitgestellt - insgesamt 820 Millionen Euro für Modellprojekte. Doch es habe sich gezeigt, dass die Fördermittel zu wenig abgerufen würden, sagt Bitkom-Experte Pfefferle.
Die Frage ist auch: Wann werden die Lösungen, die seit vier Jahren im Rahmen des Programms für bestimmte Modellprojekte erarbeitet werden, endlich auch den anderen Kommunen zugänglich gemacht?" Hinzu kommen noch Förderprogramme von einzelnen Bundesländern. "Bund und Länder sind bei der Smart-City-Förderung nicht abgestimmt", sagt Pfefferle. Er fordert eine klarere Koordinierung.
In der EU abgehängt
In der Folge steht Deutschland im internationalen Vergleich schlecht da, wie Pfefferle schildert. Im so genannten "DESI-Index" der EU, der die Digitalisierung verschiedener Bereiche erfasst, landet Deutschland als wirtschaftsstärkste Nation im Mittelfeld. Bei den digitalen öffentlichen Diensten ist Deutschland in der EU sogar nur an 18. Stelle.
Dass Deutschland mitunter abgehängt sei, zeige sich an europäischen Städten wie Kopenhagen, sagt Pfefferle. Dort sei eine umfassende Digitalisierung zur Selbstverständlichkeit geworden: "Da redet man gar nicht mehr unbedingt über eine Smart City, sondern eher über eine grüne Stadt: Die große Herausforderung der Städte ist, dem Klimawandel entgegenzuwirken."
Auch Nachhaltigkeit steht auf der Agenda
Auch in Trier steht das Thema Nachhaltigkeit auf der Agenda, und auch die kommunale Kläranlage kommt dabei zum Einsatz. Die erzeugt mit einer Wasserkraftturbine, Photovoltaikanlagen auf dem Dach und mit Blockheizkraftwerken, die mit Klärgas betrieben werden, deutlich mehr Energie, als sie verbraucht.
"Mit der Abwärme, die bei uns als Abfallprodukt anfällt, können wir den angrenzenden Technologiepark beheizen", sagt Abwassermeister Marius Barbian. Durch den selbst erzeugten Strom ist die Anlage energieneutral. Derzeit seien noch weitere Projekte in Planung, um noch mehr Energie zu erzeugen.
Ist Trier also schon eine Smart City? "Das ist ein Entwicklungsprozess", sagt Kraus, der Digitalisierungsbeauftragte der Stadt. Es gehe dabei um neue Technologien, aber eigentlich viel mehr darum, sich auf neue Entwicklungen einzustellen. "Das muss den Menschen nutzen", sagt Kraus. "Und das ist nie abgeschlossen."