"Reichsbürger"-Prozess Militärstruktur laut Anklage weit fortgeschritten
In Stuttgart müssen sich neun mutmaßliche "Reichsbürger" der Reuß-Gruppe vor Gericht verantworten. Zum Prozessauftakt legte die Bundesanwaltschaft dar, wie weit der Aufbau einzelner militärisch organisierter Gruppen teils war.
Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen hat vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der Prozess gegen neun Angeklagte aus der mutmaßlichen Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft den Angeklagten, die dem "militärischen Arm" der Gruppe angehört haben sollen, vor, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein sowie ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitet zu haben. Einigen wird zudem unerlaubter Waffenbesitz zur Last gelegt, einem auch versuchter Mord.
Wie die Bundesanwaltschaft zum Auftakt des Prozesses ausführte, soll der Aufbau der organisierten Verbände - sogenannter Heimatschutzkompanien - teilweise weit fortgeschritten gewesen sein. So hätten in zwei Fällen Verantwortliche bereits selbst aktiv werden können.
Rekrutierer ernannt
Innerhalb der "Kompanie 221", die die Bereiche Tübingen und Freudenstadt in Baden-Württemberg hätte abdecken sollen, seien bereits Zuständige für die Rekrutierung weiteren Personals ernannt worden, hieß es in der verlesenen Anklage. Auch die Kompanie, die für Jena sowie die Kreise Saale-Holzland und Saale-Orla habe zuständig sein sollen, habe selbst tätig werden können.
Zudem seien vielfältige Aktionen registriert worden, weitere Heimatschutzkompanien aufzubauen, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft. Die Kompanien hätten laut Anklage nach einer potenziellen Machtübernahme der Gruppe politische "Säuberungsaktionen" in ihrem Zuständigkeitsbereich durchführen sollen.
Wie im Vorfeld aus den Ermittlungsakten bekannt wurde, waren Polizisten im Fall der "Kompanie 221" bei Durchsuchungen auf umfangreiche Organigramme, auf Teilnehmerlisten und Aufstellungen über Fähigkeiten und Waffenkenntnisse gestoßen. Auch führten die Ermittlungen demnach unter anderem direkt zu einem Bundeswehrsoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw.
Dort stand mit Stabsfeldwebel Andreas M. ein Soldat im Dienst, der neben seiner Bundeswehrtätigkeit offenbar auch am Aufbau privater Heimatschutzkompanien gearbeitet haben soll.
Verteidiger scheitern mit Forderung nach Prozess-Aussetzung
Beim Prozessauftakt in Stuttgart kritisierten mehrere Verteidiger die Aufteilung des Verfahrens auf drei Oberlandesgerichte. Nach Worten eines Anwalts sei eine effektive Strafverteidigung nicht möglich, weil die Erkenntnisse in einem Prozess nur schwer in die anderen einließen könnten. Die Aufteilung auf drei Gerichte sei nicht praktikabel. Eine Zusammenlegung sei im Interesse einer umfassenden Aufklärung, sagte eine Verteidigerin. Es bestehe die Gefahr, dass Zeugen in den drei unterschiedlichen Prozessen unterschiedliche Aussagen machten.
Die Verteidiger hatten daher eine Aussetzung des Stuttgarter Prozesses gefordert. Der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen lehnte den Antrag jedoch ab.
Zwei Angeklagte wollen aussagen
Insgesamt gibt es in der "Reichsbürger"-Prozessserie 27 Beschuldigte. Jedem von ihnen muss dabei die Schuld persönlich nachgewiesen werden. Dies würde ein einzelnes Gericht durch die Dimension des Verfahrens überfordern - daher sollen die Prozesse an drei Gerichten parallel stattfinden. In Stuttgart stehen daher nun neun Angeklagte vor Gericht, die Mitglieder des "militärischen Arms" der Gruppe sein sollen.
Zwei von ihnen kündigten an, sich zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft äußern zu wollen. Sie seien bereit, Angaben zur Person und zur Sache zu machen, sagten sie. Ein weiterer Angeklagter kündigte an, Angaben zur Person, aber nicht zur Sache machen zu wollen. Die restlichen sechs Angeklagten wollen zunächst überhaupt keine Angaben machen. Wann die beiden Angeklagten aussagen sollen, ist noch nicht klar. Bis Januar 2025 hat das Oberlandesgericht Stuttgart Verhandlungstermine angesetzt. Sollten die Angeklagten verurteilt werden, drohen ihnen langjährige Haftstrafen.
Die weiteren Prozesse in Frankfurt am Main und München beginnen am 21. Mai beziehungsweise 18. Juni. In Frankfurt sind die mutmaßlichen Rädelsführer - darunter auch Reuß - angeklagt.