Kritik an Thunbergs Pro-Palästina-Auftritt "Absolut unanständig" und "sehr, sehr naiv"
Mit pro-palästinensischen Bekundungen bei einer Klima-Demo hat Greta Thunberg erneut Empörung ausgelöst. "Absolut unanständig" nennt Grünen-Chefin Lang den Auftritt. "Sehr naiv", sagt Zentralratspräsident Schuster - wenn nicht gar antisemitisch.
Ein schwarz-weißes Palästinensertuch um den Hals und pro-palästinensische Parolen auf der Bühne: Mit diesem Auftritt bei einer Klimaschutz-Demo in Amsterdam hat die Schwedin Greta Thunberg erneut viel Kritik auf sich gezogen. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kritisierte die Klimaaktivistin als zumindest naiv und vielleicht sogar antisemitisch. Wörtlich sagte er bei "Welt-TV": "Dass sie sehr, sehr naiv ist, steht - glaube ich - außer Zweifel. Antisemitismus zu unterstellen, ist immer ein schwerer Vorwurf. Aber das, was ich hier erlebe - da bin ich sehr nahe bei diesem Vorwurf."
"Zu verurteilender Mischmasch"
Schuster kritisierte weiter, dass Thunberg die Klimabewegung und ihre Prominenz für den Protest gegen Israel benutze. "Greta Thunberg, die ja für die Klimabewegung wirklich viel bewegt hat, hat nun offensichtlich ein neues Thema gesucht und will das mit Klimaaktivisten in Verbindung bringen. Ich glaube, dieser Mischmasch, der jetzt hier plötzlich zutage tritt, ist absolut zu verurteilen."
Bei der Demo in Amsterdam hatte Thunberg vor Zehntausenden Zuhörern gesagt, die Klimaschutzbewegung habe die Pflicht, "auf die Stimmen jener zu hören, die unterdrückt sind und die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen". Auch skandierte Thunberg mehrfach: "No climate justice on occupied land" ("Auf besetztem Land gibt es keine Klimagerechtigkeit") und spielte damit offenbar auf palästinensische Gebiete an.
"Klar Ross und Reiter benennen"
Schuster warnte, gerade weil viele Follower jung und eventuell leicht zu beeinflussen seien, "ist es so gefährlich". Es sei an der Zeit, dass sich Fridays for Future Deutschland "ganz schnell überlegt, ob sie wirklich mit Greta Thunberg unter einer Flagge segeln wollen". Die Bewegung müsse sich schnellstmöglich einen neuen Namen geben.
Die schriftliche Stellungnahme, nach der Fridays for Future Deutschland die internationale Vernetzung mit Fridays for Future ausgesetzt habe, reicht Schuster nicht: "Ausgesetzt ist schön, es ist gut, es ist richtig, es ist wichtig. Aber solange man den Namen im eigenen Namen trägt, macht man sich mit der Bewegung und damit mit der Galionsfigur Greta Thunberg gemein."
Grundsätzlich habe er nichts gegen pro-palästinensische Demonstrationen, fügte der Zentralrats-Präsident hinzu. Aber dabei müsse allen Teilnehmern klar sein, dass die Hamas die Zivilbevölkerung als Geisel missbrauche und dass es zu keiner Täter-Opfer-Umkehr komme: "Bei solchen Demonstrationen erwarte ich, dass klar Ross und Reiter benannt werden." Dazu gehöre, dass die Zivilbevölkerung in Gaza deshalb in eine sehr missliche Lage gekommen sei, weil sie durch die Terrororganisation Hamas als Geiseln, als menschliche Schutzschilde gehalten werde.
Grünen-Chefin Lang: "Absolut unanständig"
Auch Grünen-Chefin Ricarda Lang fand deutliche Worte für den Auftritt Thunbergs. Deren Äußerungen kritisierte sie als "absolut unanständig". Man könne "fast sagen", dass Thunberg Täter und Opfer verkehre. Die Aktivistin missbrauche "die Anliegen des Klimaschutzes für eine einseitige Position".
Der Präsident der Deutsch-israelischen Gesellschaft (DIG), Volker Beck, bezeichnete Thunbergs Äußerungen bei der Demo als das "Ende von Greta Thunberg als Klimaaktivistin". "Ab jetzt hauptberuflich Israelhasserin", schrieb er im Onlinedienst X, ehemals Twitter. Dies bedeute das "Ende" der von Thunberg begründeten globalen Klimaschutzbewegung Fridays For Future (FFF) "als Label für Ökologie".
Die israelische Botschaft in Berlin kommentierte auf X, es sei "traurig, wie Greta Thunberg mal wieder die Klima-Bühne für eigene Zwecke missbraucht". Auf Englisch fügte die Botschaft den Aufruf "Keine Bühne für Antisemiten" hinzu.
Auch auf der Klimaschutz-Demo selbst trafen die Äußerungen Thunbergs nicht bei allen Teilnehmern auf Unterstützung. Während ihrer Ansprache kam ein älterer Demonstrant auf die Bühne, zog Thunbergs Mikrofon an sich und rief hinein: "Ich bin für eine Klima-Demonstration hierher gekommen, und nicht für politische Ansichten."
Fridays for Future Deutschland auf Distanz
Bereits am 20. Oktober hatte Thunberg auf Instagram mit anderen Aktivistinnen zur Solidarität mit den Palästinensern aufgerufen. "Die Welt muss aufstehen und eine sofortige Feuerpause, Gerechtigkeit und Freiheit für die Palästinenser und alle betroffenen Zivilisten fordern," hieß es dort.
Die internationale Organisation von Fridays for Future erklärte in einem Instagram-Post, die weltweiten Medien seien "von imperialistischen Regierungen finanziert, die hinter Israel stehen". Die Gruppierung sprach von einer "Gehirnwäsche" und bezeichnete Israel als "Apartheid-System". Die rund 1.200 Todesopfer des Terrorangriffs der militant-islamistischen Hamas auf Israel wurden mit keinem Wort erwähnt.
Die deutsche Fridays-for-Future-Organisation bezog in den vergangenen Wochen wiederholt Stellung gegen Antisemitismus und distanzierte sich von gegen Israel gerichteten Äußerungen des internationalen Dachverbands. "Durch die neuen Äußerungen von Greta Thunberg fühlen wir uns in unserem Kurs der letzten Wochen bestätigt", erklärten die deutschen Aktivisten nun gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. So habe man die Prozesse auf internationaler Ebene ausgesetzt. "Fridays for Future in Deutschland agiert als eigenständige Organisation und ist schon lange über Greta als Person herausgewachsen."