Brennende Kerzen stehen vor Schildern mit der Aufschrift «Stop Antisemitismus» an dem abgesperrten Bürgersteig vor dem jüdischen Gemeindezentrum an der Brunnenstraße nach dem versuchten Brandanschlag in der Nacht zum Mittwoch auf die Synagoge in der Berliner Brunnenstraße.
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Auswertung des BKA Welle antisemitischer Übergriffe seit 7. Oktober

Stand: 09.11.2023 17:06 Uhr

In Deutschland ist es seit dem Hamas-Überfall auf Israel zu Dutzenden Fällen antisemitisch motivierter Attacken gekommen. Mehrfach waren jüdische Einrichtungen das Ziel. Eine Auswertung des BKA ermöglicht ein erstes Lagebild.

Seit dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober ist es in Deutschland zu mindestens 80 Fällen von Sachbeschädigung gekommen, die Ermittlungsbehörden als antisemitische Straftaten werten. Das ergab eine Auswertung der Fallzahlenanwendung des Bundeskriminalamts (BKA), die dem ARD-Politikmagazin Kontraste vorliegt. Sie ist Teil einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf Fragen der Linken-Bundestagsabgeordneten Martina Renner.

In mindestens drei Fällen richteten sich die Straftaten demnach unmittelbar gegen religiöse Einrichtungen. In Berlin versuchten Unbekannte, einen Brandanschlag auf eine Synagoge zu verüben. Sie warfen Molotow-Cocktails auf ein Gebäude, in dem sich zudem eine Grundschule und eine Kita befinden. In Aachen versuchte ein Iraker, die Scheibe einer Synagoge einzuschlagen. In Westerstede bei Oldenburg wurde auf dem jüdischen Friedhof ein Grabstein umgestoßen. Die Polizei konnte noch keinen Tatverdächtigen ermitteln.

Vielfach richteten sich Angriffe offenbar gegen Wohnhäuser. Renner fordert daher, dass Nachbarschaften angesichts der antisemitischen Angriffe zusammenstehen und Solidarität zeigen. Auf Betroffene zuzugehen und konkret danach zu fragen, wie der Schutz verbessert werden kann, sei mehr als Symbolik.

Angriffe sollen als Terror-Unterstützung gewertet werden

Laut der BKA-Auswertung kam es in Deutschland schon kurz nach dem Hamas-Überfall auf Israel zu zahlreichen antisemitisch motivierten Sachbeschädigungen. Insbesondere die antisemitischen Angriffe am 7. sowie am 8. Oktober müssten die Sicherheitsbehörden genauer unter die Lupe nehmen, fordert Renner im Interview mit Kontraste. "Da diese unmittelbar während des groß angelegten Terrorangriffs der Hamas begangen worden sind, sollten sie als Terror-Unterstützung gewertet werden und als sonst nichts."

Auffällig ist die ungleichmäßige Verteilung der erfassten Fälle. In der ersten Woche nach dem Terrorangriff erfolgten die Sachbeschädigungen laut BKA-Auswertung vor allem in Berlin. Erst ab Mitte Oktober verteilten sich die Taten demnach gleichmäßiger über die Bundesrepublik.

Brennpunkt blieb laut BKA-Auswertung bis zum 3. November die Hauptstadt mit 35 von insgesamt 80 erfassten Fällen. In einer separaten Statistik der Berliner Polizei vom 6. November, die rbb24 Recherche vorliegt, ist sogar die Rede von 57 antisemitisch motivierten Fällen von Sachbeschädigung sowie von 76 weiteren antisemitisch motivierten Straftaten, die seit dem Terrorangriff auf Israel begangen wurden.

Die Differenz zeigt, dass die BKA-Auswertung zwar einen ersten Eindruck über das Ausmaß antisemitisch motivierter Angriffe vermitteln mag, aber kein vollständiges Bild nachzeichnet. Das Bundesinnenministerium weist in der Beantwortung von Renners Anfrage darauf hin, dass die Zahlen lediglich vorläufigen Charakter hätten.

Das Dunkelfeld aufhellen

Dennoch ermöglichen die Angaben erste Rückschlüsse. So erfolgte rund jeder vierte erfasste Fall antisemitisch motivierter Sachbeschädigung laut BKA-Auswertung in Baden-Württemberg. Für den Antisemitismusbeauftragten des Bundeslandes, Michael Blume, hat diese Zahl damit zu tun, das Fällen in seinem Bundesland intensiver nachgegangen wird als anderswo.

"Es mag paradox klingen, aber die hohen Fallzahlen in Baden-Württemberg sind ein gutes Zeichen. Denn wir wissen, dass nur ein Bruchteil der Taten in Deutschland überhaupt erfasst und ermittelt werden", sagte Blume im Interview mit Kontraste. Man habe daher Beauftragte in den Staatsanwaltschaften berufen, die jedem Fall nachgingen und das sogenannte Dunkelfeld aufhellten. "Für die nächsten Jahre rechne ich daher mit hohen Steigerungen in jedem Land, das sich ehrlich macht."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 13. Oktober 2023 um 14:00 Uhr.