Nach antisemitischen Taten Den Satz "Nie wieder" mit Leben füllen
Nach pro-palästinensischen Protesten in Berlin-Neukölln und einen Angriff gegen eine jüdische Gemeinde in Berlin-Mitte reagiert die Politik deutlich - und ist sich fraktionsübergreifend einig.
Verstörende Szenen in der Hauptstadt: Zwei Molotow-Cocktails fliegen in Richtung einer Synagoge in Berlin-Mitte. Geworfen werden sie von zwei Vermummten, die daraufhin wegrennen. Die Polizei ermittelt.
In Berlin-Neukölln brennen in derselben Nacht Barrikaden und es kommt zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen pro-palästinensischen Demonstranten und der Polizei. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier findet klare Worte: "Das wollen und werden wir in Deutschland nicht dulden", sagt er bei einem Besuch im thüringischen Meiningen.
Steinmeier appelliert an alle, mehr dafür zu tun, dass sich Antisemitismus nicht weiter ausbreitet: "Jeder, der in Deutschland lebt, muss die Geschichte von Auschwitz kennen sowie den Auftrag und die Verantwortung, die sich daraus ableitet."
Auch innerhalb der Bundesregierung lösen die Ereignisse der Nacht Entsetzen aus. Innenministerin Nancy Faeser nennt den Angriff auf die Synagoge eine "abscheuliche Tat". Man werde weiter mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Extremisten und Gewalttäter vorgehen.
Scholz: "Das empört mich persönlich"
Bundeskanzler Olaf Scholz erreichen die Nachrichten aus Berlin auf seiner Reise in Ägypten: "Das empört mich persönlich, was dort einige rufen und tun", sagt Scholz. Der SPD-Politiker stellt klar, dass Deutschland Anschläge auf jüdische Einrichtungen niemals hinnehmen werde.
Eine Haltung, der sich die Fraktionen im Bundestag anschließen. Sie debattieren am Nachmittag in einer Aktuellen Stunde darüber, was gegen Antisemitismus getan werden kann.
Redner von Grünen und Union drücken es so aus: Der Satz "Nie wieder" müsse mit Leben gefüllt werden. Man dürfe nicht achselzuckend zusehen, wie die Haustüren jüdischer Bürger mit Davidsternen beschmiert werden, sagt die Grünen-Abgeordnete Lamya Kaddor.
Für Alexander Hoffmann von der CSU setzt das Problem früher an: Nach seinen Worten zeige sich gerade ein Antisemitismus, der über Migration zu uns gekommen ist. Seine Forderung daher: eine strengere Flüchtlingspolitik. Diejenigen, die Antisemitismus und Israel-Hass auf die Straßen und Plätze brächten, hätten in unserem Land nichts verloren.
Justizministerium übt Selbstkritik
Die Union fordert eine Verschärfung des Strafrechts, wenn es um antisemitische und anti-israelische Straftaten geht. Doch Bundesjustizminister Marco Buschmann ist skeptisch: Die bisherigen Gesetze sind seiner Ansicht nach ausreichend. An die Adresse gewaltsamer Demonstranten und Angreifer sagt er: "Jüdisches Leben gehört zu Deutschland, und wer das nicht ertragen kann, gehört dann eben nicht zu Deutschland."
Die Berliner Polizei hat in den vergangenen Tagen mehr als 360 Straftaten im Zusammenhang mit den Ereignissen in Israel und dem Gazastreifen registriert, darunter 121 Gewaltdelikte.
Die Fraktionen im Bundestag präsentieren sich heute in ungewohnter Einigkeit - inklusive AfD und Linke: Es müsse mehr getan werden gegen Antisemitismus. "Deutschland ist kein sicherer Ort für jüdisches Leben", gesteht Benjamin Strasser, Staatssekretär des FDP-geführten Justizministerium, ein. In der vergangenen Wahlperiode war er noch Antisemitismusbeauftrager der Liberalen im Bundestag. Er spricht nun von Fehlern im Kampf gegen Antisemitismus und kündigt eine "selbstkritische Analyse" an.