Bundestagsdebatte zu Antisemitismus "Nie wieder ist jetzt"
Bundesinnenministerin Faeser hat im Bundestag ein entschlosseneres Vorgehen gegen Antisemitismus angekündigt. Die Union forderte "harte politische Antworten" durch ein verschärftes Strafmaß.
85 Jahre nach der Pogromnacht unter dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland und vor dem Hintergrund des Krieges gegen Israel haben die Abgeordneten des Bundestages über einen umfassenderen Schutz von Jüdinnen und Juden in Deutschland debattiert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte abermals harte Konsequenzen im Kampf gegen Antisemitismus, Hass und Hetze an.
Die Ministerin erinnerte zum einen an die Pogromnacht 1938 als "Beginn des größten Menschheitsverbrechens" - der Shoah. Zum anderen prangerte sie erneut die Gräueltaten der militant-islamistischen Hamas gegen Israel an. Die Terrormiliz sei bei den Angriffen auf Israel "bestialisch, wahllos und gnadenlos" vorgegangen, habe "kaltblütig Jagd auf Männer, Frauen und Kinder" gemacht, mit dem Ziel, "möglichst viele zu töten".
"Hass und Hetze halten online wie offline an"
Aus den Verbrechen der Nationalsozialisten sei das Versprechen "Nie wieder" als "konstituierend für unseren Staat" resultiert, betonte Faeser. Und wie zuvor bereits Bundestagspräsidentin Bärbel Bas betonte sie: "Nie wieder ist jetzt." Denn "der Terror der Hamas" sei "auf unseren Straßen gefeiert" worden, mahnte die Bundesinnenministerin und warnte: "Hass und Hetzte halten online wie offline an." Jüdinnen und Juden in Deutschland wagten es teils nicht mehr, sich in der Öffentlichkeit zu erkennen zu geben, Kinder jüdischer Familien müssten auf dem Weg in die Schule geschützt werden.
"Das beschämt mich. Das bricht mir das Herz", sagte Faeser und forderte, die Gesellschaft müsse "viel lauter werden, um sich dem Hass noch deutlicher entgegenzustellen - "aus Respekt gegenüber der Geschichte, aus Verantwortung für die Gegenwart, aus Sorge um die Zukunft".
Weitere Schritte nach Betätigungsverbot für Hamas in Arbeit
Faeser mahnte, dass jeder, der Juden angreife, "mit der ganzen Härte des Rechtsstaates" rechnen müsse. "Wer Freiheitsrechte missbraucht, um unmenschliche Straftaten und Hass zu propagieren, kann sich nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen", betonte die SPD-Politikerin und verwies auf das bereits erlassene Betätigungsverbot für die Hamas und das palästinensische Netzwerk Samidoun in Deutschland. "Und wir arbeiten an weiteren Verboten", kündigte Faeser an, um allen "zur Seite zu stehen", die von Antisemitismus betroffen seien.
Dobrindt drängt auf härtere Strafen
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt forderte, "das Vertrauen der Juden in diesen Staat zu rechtfertigen" - und das "nicht durch Worte, sondern durch politische Taten". Allerdings richtete er auch die Frage an die Ampelkoalition: "Wo sind ihre harten politischen Antworten?"
Die Unionsparteien CDU und CSU sehen diese Antworten in einem härteren Strafmaß gegen politisch motivierte Straftaten. Auch Dobrindt griff die Kernpunkte des gemeinsamen Antrags der Schwesterparteien erneut auf: Antisemitismus müsse als besonders schwerer Fall der Volksverhetzung eingestuft und mit einer sechsmonatigen Haftstrafe geahndet werden. Des Weiteren solle Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft der deutsche Pass entzogen werden, sollten bei ihnen antisemitische Einstellungen nachgewiesen werden können. Es müsse klar sein, so Dobrindt: "Wer nicht friedlich mit Juden leben will, der kann auch nicht in Deutschland leben."
Auch Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Bundestag, sprach von einer "handfesten Bedrohungslage" in Deutschland, wenn das Tragen jüdischer Symbole ein Sicherheitsrisiko darstelle. Angesichts dieser Entwicklung dürfe es die Politik nicht bei Appellen belassen. Und sie müsse auch "Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigieren", förderte Dürr. Der Schutz jüdischen Lebens sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. "Zuwanderer, die diese Grundwerte nicht teilen, sind in unserem Land nicht willkommen. Sie riskieren ihren Aufenthaltsstatus und sie dürfen nicht eingebürgert werden", mahnte Dürr.
Ein " Wertefundament" durch Bildung schaffen
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir betonte, dass Antisemitismus in der Gesellschaft nicht mehr mit "selektivem Blick" betrachtet werden dürfe. Er komme nicht nur aus dem rechten Spektrum, auch in der linken Szene trete er auf, auch von Muslimen gehe er aus. Doch es sei die "vornehmste republikanische Pflicht eines jeden Bürgers dieses Landes, von uns allen, sich dem antisemitischen Hass entgegenzustellen", betonte Özdemir. Den Grundstein dafür könne auch das Bildungswesen legen. Wobei sich die Politik die Frage stellen müsse, "ob wir konsequente Erziehung zu Demokratie in unserem Bildungswesen ernst genug nehmen". Dabei gehe es "um das Wertefundament, auf dem unser Land steht. Um die Frage, wer wir sein wollen", mahnte Özdemir.
Der Bundesagrarminister forderte zudem, das Verhältnis zu islamischen Dachverbänden auf antisemitische Einstellungen schärfer zu prüfen. "Erst nach Aufforderung, Antisemitismus auf Deutsch zu verurteilen, um danach auf Türkisch und Arabisch das Gegenteil zu sagen, das darf künftig nirgendwo mehr durchgelassen werden. Auch das wäre praktizierte deutsche Staatsräson", so Özdemir.