Scholz zu Antisemitismus "Wer Juden in Deutschland angreift, greift uns alle an"
Nach pro-palästinensischen Demonstrationen am Wochenende ermittelt die Polizei in mehreren Fällen wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Kanzler Scholz wendet sich mit deutlichen Worten gegen Antisemitismus.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Menschen in Deutschland angesichts antisemitischer Vorfälle zum "Schutz von Jüdinnen und Juden" aufgerufen. "Wer Juden in Deutschland angreift, greift uns alle an. Deshalb sollten wir uns alle für den Schutz von Jüdinnen und Juden in Deutschland einsetzen, da geht es um Zivilcourage", sagte Scholz dem "Mannheimer Morgen".
Der Staat schütze jüdische Einrichtungen. "Antisemitismus werden wir nicht akzeptieren. Wir haben glasklare Gesetze: Es ist strafbar, israelische Fahnen zu verbrennen. Es ist strafbar, den Tod von Unschuldigen zu bejubeln. Es ist strafbar, antisemitische Parolen zu brüllen", sagte Scholz weiter. Die Strafverfolgungsbehörden stünden in der Pflicht, solche Verstöße zu ahnden. Sie hätten die nötigen Instrumente und müssten sie konsequent nutzen. "Mein Eindruck ist: Polizeibehörden und Gerichte wissen, was zu tun ist."
Grüne: Antisemitische Parolen "schlicht inakzeptabel"
Auch Spitzenpolitiker der Grünen verurteilten die israelfeindlichen Demonstrationen der letzten Tage. Zudem forderten sie eine strengere Beobachtung islamistischer Einrichtungen. "Antisemitische Parolen und Aufrufe zur Unterstützung islamistischer Organisationen wie zuletzt bei einer pro-palästinensischen Demonstration in Essen sind schlicht inakzeptabel", sagte Grünen-Chef Omid Nouripour den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Solche Taten verlangten eine harte Antwort des Staates, fügte er hinzu: "Es ist gut, dass die Polizei gegen die Täter ermittelt - es braucht nun die konsequente Anwendung des Strafrechts." Gleichzeitig sei es notwendig, die Fähigkeiten der Sicherheitskräfte spürbar zu steigern: "Das gilt für Personal wie auch für Ausrüstung."
Weitere Organisationen beobachten
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, forderte eine konsequente Umsetzung der in der vergangenen Woche verhängten Betätigungsverbote der Organisationen Hamas und Samidoun: "Auch die Strukturen und Aktivitäten anderer islamistischer Organisationen wie der iranischen Revolutionsgarden und das Umfeld von Einrichtungen wie dem Islamischen Zentrum in Hamburg müssen sehr viel stärker in den Fokus genommen werden."
Söder: Entzug doppelter Staatsbürgerschaft
CSU-Chef Markus Söder forderte bei antisemitischen Vorfällen die Möglichkeit, auch Straftäter mit doppelter Staatsangehörigkeit abzuschieben und ihnen den deutschen Pass abzunehmen. "Wer sich nicht zu unseren Werten und unserer Verfassung bekennt, hat keine dauerhafte Perspektive in unserem Land", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Augsburger Allgemeinen": "In diesen Fällen muss bei doppelter Staatsbürgerschaft der Entzug des deutschen Passes möglich sein."
Klein: Türkischstämmige Deutsche in den Blick nehmen
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warnte indes davor, in der Debatte um Judenfeindlichkeit vor allem auf Migranten zu schauen. Stattdessen müsse man die schon länger in Deutschland lebenden arabisch- und türkischstämmigen Bevölkerungsgruppen stärker in den Blick nehmen, forderte er.
Die israelfeindlichen Aggressionen in den vergangenen Tagen hätten gezeigt, dass bei einem Teil der arabischstämmigen Bevölkerungsgruppe leicht antisemitische Grundhaltungen aktiviert werden könnten. Das gelte auch für einen Teil der Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdogan innerhalb der türkischstämmigen Community, fügte er hinzu.
Defizite bei Integration
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sei der israelbezogene Antisemitismus der arabisch-stämmigen Community in den Vordergrund gerückt, betonte Klein: "Um diesem Problem zu begegnen, ist es verkürzt, den Blick nur außerhalb unserer Landesgrenzen auf Migranten zu richten."
In Deutschland lebten etwa 24 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, teilweise seit Jahrzehnten. "Wenn wir dabei den Blick auf Migration verengen, übersehen wir den weitaus größeren Teil des Problems: den bereits vorhandenen Antisemitismus in allen Teilen der Gesellschaft und die Defizite der Integrationspolitik in Deutschland."