Weiter Dauerregen angekündigt Kein Ende des Hochwassers in Sicht
In den Hochwassergebieten herrscht weiter Sorge vor steigenden Pegelständen. Der Deutsche Wetterdienst kündigte Dauerregen an, in Niedersachsen gehen die Vorräte an Sandsäcken für den Deichschutz zur Neige.
Ein Ende der Überschwemmungen ist in den Hochwassergebieten in Deutschland nicht in Sicht - das Wasser könnte in einigen Gebieten sogar noch weiter steigen. Nach wie vor sind Niedersachsen, Teile Nordrhein-Westfalens, der Süden Sachsen-Anhalts und der Norden Thüringens besonders betroffen.
Trotz des windigen Wetters gab es in der Nacht keine Sturmschäden. In Oldenburg wurden lediglich vereinzelt umgestürzte Bäume gemeldet. In Hamburg und Schleswig-Holstein blieb es nach Auskunft der Polizei ruhig. Ebenso hieß es von der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern, dass es keine Sturmeinsätze gab.
Höchste Meldestufe in Teilen Bremens und Niedersachsens
In Bremen und Niedersachsen zeigten am Dienstagabend noch viele Pegel die höchste der drei Hochwassermeldestufen an. Das bedeutet, dass die Gefahr von größeren Überschwemmungen besteht. Betroffen waren Orte an der Weser, Aller und Leine sowie teilweise auch deren Nebenflüsse. Auch der Fluss Hase, ein Nebenfluss der mittleren Ems im Landkreis Osnabrück, erreichte die Meldestufe drei. Für zahlreiche Gebiete warnte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) vor einem großen Hochwasser.
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) rechnet auch weiterhin mit einer angespannten Lage in dem Bundesland. "Wir haben noch ein paar harte Tage vor uns, um gegen dieses Hochwasser zu kämpfen", sagte sie im BR. Besonders kritisch sei die Situation im Nordwesten zwischen Weser und Ems. "Dort steigen die Pegel leider wieder", sagte Behrens. Die Deiche seien bereits seit vielen Tagen im Wasser und sehr durchnässt. Auch die Wiesen seien "weit überschwemmt" und es gebe nach wie vor einige Städte, die von Hochwasser bedroht seien.
In Bremen ist der Ortsteil Timmersloh von Überschwemmungen betroffen. Vielerorts stehen große Flächen unter Wasser. Mit zahlreichen Einsatzkräften kämpfen viele Orte und Städte gegen Überschwemmungen, sichern Deiche und errichten zusätzliche Schutzbarrieren. Angespannt ist die Lage in den Landkreisen Celle, Oldenburg, Emsland, Osterholz, Heidekreis und Verden.
In Ostbayern sollte in der Nacht zum Mittwoch stellenweise die Meldestufe zwei erreicht werden, wie der Hochwassernachrichtendienst des bayerischen Landesamtes für Umwelt mitteilte. Im Einzugsgebiet des Flusses Regen im Landkreis Cham sei sogar die Stufe drei möglich. Auch im Landkreis Bamberg in Nordbayern wird an einigen Flüssen das Erreichen dieser Warnstufe erwartet.
Nur noch wenig Sandsäcke in Niedersachsen
Für die Hochwasserbekämpfung greift Niedersachsen inzwischen auch auf die Reserven von Sandsäcken aus anderen Bundesländern zurück. Bis auf einen kleinen Rest sei die eigene Reserve von rund 1,9 Millionen eingelagerten Sandsäcken seit Beginn der Hochwasserlage vor Weihnachten mittlerweile abgerufen worden, teilte der NLWKN mit.
Das Land hat inzwischen aber rund 1,5 Millionen weitere Sandsäcke aus anderen Bundesländern erhalten. Nordrhein-Westfalen hilft mit rund 500.000 Sandsäcken, Mecklenburg-Vorpommern mit rund 330.000. Rund 250.000 Sandsäcke kommen aus Schleswig-Holstein und rund 400.000 Säcke aus Hessen.
Mit den Sandsäcken werden etwa Deiche verstärkt. Die sogenannte Landessandsackreserve lagert der Landesbetrieb NLWKN an rund 20 verschiedenen Orten in Niedersachsen. Die gefüllten Sandsäcke stehen in der Regel auf Paletten zum Abruf bereit.
Schulpflicht in Sachsen-Anhalt und Thüringen ausgesetzt
Im Hochwassergebiet an der Landesgrenze von Sachsen-Anhalt und Thüringen soll die Schulpflicht in einigen Orten ausgesetzt werden. In Kelbra, Roßla und Wallhausen bleiben die Schulen am Donnerstag und Freitag geschlossen, teilte der Landkreis Mansfeld-Südharz mit. Eine Notbetreuung werde eingerichtet. In der Nacht trat in Thüringen die Leina im gleichnamigen Ort über die Ufer.
In Altenglan in Rheinland-Pfalz könnte wegen des anhaltenden Regens ein Regenrückhaltebecken überlaufen. Deshalb war zunächst eine Evakuierung der Gebäude in einer Straße angekündigt worden. Die Anwohner könnten aber vorerst in ihren Häusern bleiben, sagte ein Feuerwehrsprecher der Nachrichtenagentur dpa. Auch in der Nacht blieb die Lage vorerst stabil.
Wetterdienst erwartet weiter viel Regen
Nach Angaben des Wetterdienstes ist bis zum Donnerstag weiter mit gebietsweise hohen Regenmengen von Niedersachsen bis zum Schwarzwald sowie in den östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen zu rechnen. Innerhalb von 30 bis 60 Stunden erwarten die Meteorologen 30 bis 50 Liter pro Quadratmeter, im Bergland bis zu 100 Liter. In Teilen Baden-Württembergs konnten Warnungen des DWD vor ergiebigem Dauerregen aufgehoben werden.
In Niedersachsen bereitet auch der Wind Sorgen: Zusätzlich zum Dauerregen hat er in der Nacht aufgefrischt, stürmische Böen sind landesweit möglich. Bäume könnten an durchweichten Deichen entwurzeln und Löcher in die Deiche reißen. Unter anderem in Celle und Oldenburg waren in den vergangenen Tagen aus diesem Grund Bäume gefällt worden. Im Großraum Oldenburg hat der Wind laut Polizei bereits vereinzelt Bäume umgeknickt. Deiche waren davon am frühen Morgen nicht betroffen.
Experte: Langes Hochwasser in Zukunft wohl öfter
Als Konsequenz aus dem Hochwasser fordern Experten ein Umdenken beim Schutz vor Überschwemmungen. "Im Zuge des Klimawandels, wo sich die Hochwasser-Prozesse ändern werden, werden wir sicher andere Arten von Hochwässer in Zukunft sehen", sagte Ralf Merz, Hydrologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle (Saale), im Deutschlandfunk. "Solche langen Hochwasser-Ereignisse wird es auch in Zukunft sicher öfter geben."
Viele Schäden könnten vermieden werden, sagte der Hydrologe. Merz zufolge sollte darüber nachgedacht werden, ob der aktuelle Hochwasserschutz so noch funktioniere. "Denn vielleicht ist jetzt das, was wir aus der Vergangenheit gelernt haben, nicht immer eine gute Maßnahme für die Zukunft." Der Experte verwies zum Beispiel darauf, dass es nun viel weniger Flussauen gebe - also natürliche Überschwemmungsgebiete.
DRK fordert mehr Geld für Katastrophenschutz
Angesichts des Hochwassers wurden auch Forderungen nach mehr Geld für den Katastrophenschutz laut. "Wir sind für Katastrophenfälle dieser Art, noch dazu, wenn sie in verschiedenen Regionen auftreten, derzeit nicht voll einsatzfähig", sagte die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Gerda Hasselfeldt, im rbb. Sie wünsche sich deshalb unter anderem eine bessere materielle Ausstattung des Bevölkerungsschutzes.
Von den geplanten mobilen Betreuungsmodulen an zehn Standorten in Deutschland zur Versorgung von jeweils bis zu 5.000 Menschen sei erst eines "fast beschafft", sagte Hasselfeldt weiter. "Wir müssen in der Lage sein, kurzfristig viele Menschen, auch Hilfs- und Pflegebedürftige, unterzubringen, sie zu versorgen, medizinisch zu betreuen", sagte die ehemalige CSU-Politikerin.
Nötig seien unter anderem mobile Arztpraxen und eine autonome Strom- und Wasserversorgung. "Das alles haben wir für diese Krisenfälle nicht", sagte die DRK-Präsidentin. Es gebe bei der "Bundesvorhaltung für den Bevölkerungsschutz" einen hohen Nachholbedarf.
SPD-Politiker: Aussetzen der Schuldenbremse prüfen
Angesichts der Hochwasserlage haben SPD-Haushaltspolitiker ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse ins Gespräch gebracht. "Das Hochwasser richtet gerade in Niedersachsen immense Schäden an", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz dem "Spiegel". "Für diese Kosten könnten wir die Schuldenbremse aussetzen." Dies sei auch nach dem jüngsten Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts möglich. "Schließlich handelt es sich um eine unvorhersehbare Naturkatastrophe. Dafür lässt das Urteil Spielräume", sagte Schwarz.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde, sagte dem Magazin "Stern": "Noch ist das gesamte Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar, aber für genau solche Fälle haben wir die Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen im Grundgesetz stehen." Daran habe auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts geändert. "Ob wir diese finanzielle Dimension erreichen, werden wir jetzt genau prüfen."
Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Sie kann laut Grundgesetz aber im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen ausgesetzt werden, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird. Derzeit prüft die Bundesregierung, ob die Fluthilfen nach der Hochwasserkatastrophe 2021 im Ahrtal ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse in diesem Jahr rechtfertigen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Sonntag das aktuelle Hochwassergebiet im Norden Niedersachsens besucht. Er versicherte, der Bund stehe den betroffenen Ländern und Kommunen bei der Bewältigung "mit seinen Möglichkeiten" zur Seite. Konkrete Zusagen für Finanzhilfen machte Scholz nicht.