Hochwasser in Deutschland Es regnet weiter - die Lage bleibt bedrohlich
Die Hochwasserlage in Teilen Deutschlands könnte sich wieder verschärfen. In den kommenden Tagen soll es vor allem im Westen viel regnen. In Niedersachsen wurden in den vergangenen Tagen Hunderte Menschen evakuiert.
Angesichts des Dauerregens bleibt die Hochwasserlage vor allem im Nordwesten Deutschlands kritisch - und sie könnte sich wieder verschärfen. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt vor Dauerregen in Teilen Deutschlands, der bis Donnerstagnacht anhalten soll.
In Niedersachsen wurden in den vergangenen Tagen Hunderte Menschen in Sicherheit gebracht. Innenministerin Daniela Behrens sprach im NDR von weit unter 2.000 Menschen. Angesichts der Lage sei dies nicht sehr viel, sagte die Ministerin. Dies zeige, dass die Schutz- und Stabilisierungsmaßnahmen an den Deichen gut funktionierten. Eine genauere Zahl der Evakuierten konnte das Ministerium aber zunächst nicht nennen.
"Kritische Lage" in Niedersachsen
Seit Tagen sind Einsatzkräfte in mehreren Regionen im Dauereinsatz. Betroffen sind vor allem Niedersachsen, Teile Nordrhein-Westfalens, Thüringens und der Süden Sachsen-Anhalts.
Das niedersächsische Innenministerium sprach am Morgen von einer kritischen Lage. In einigen Kommunen sei weiterhin ein sogenanntes außergewöhnliches Ereignis festgestellt. Dadurch können Landkreise oder Städte beispielsweise einfacher auf Hilfskräfte zugreifen. Diese Stufe gelte in sechs Landkreisen sowie der Stadt Oldenburg. Betroffene Landkreise seien Celle, Oldenburg, Emsland, Osterholz, der Heidekreis sowie Verden.
Hilfe aus Frankreich
Niedersachsen kann nun auch auf Hilfe aus Frankreich zurückgreifen. Ein erster Teil eines rund 1,2 Kilometer langen mobilen Deichsystems aus dem Nachbarland wird am Abend in Niedersachsen erwartet, wie ein Sprecher des Innenministeriums mitteilte. Am Mittwoch sollen die restlichen Module folgen.
Ob dieses Deichsystem direkt zum Einsatz kommt, ist noch unklar, ebenfalls ein möglicher Einsatzort. "Diese mobilen Deichsysteme können einen wichtigen Beitrag leisten, um diese Situation in besonders betroffenen Gebieten unter Kontrolle zu halten", sagte Niedersachsens Innenministerin Behrens.
DRK fordert Ausbau der Vorsorge
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) forderte unterdessen einen deutlichen Ausbau der Katastrophenvorsorge. Es gebe "eklatante Defizite", besonders bei der materiellen Ausstattung, sagt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt der "Rheinischen Post". Nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal sei das Bewusstsein der politisch Verantwortlichen für den Bevölkerungsschutz gestiegen, betonte Hasselfeldt. Davon sei jedoch "jetzt nicht mehr viel übrig".
Es gebe zwar ein Konzept, aber dessen Umsetzung stocke aufgrund sehr begrenzter Haushaltsmittel. Politischer Konsens sei es gewesen, "zehn mobile Betreuungsmodule für den Einsatz bei zerstörter Infrastruktur zu beschaffen", mahnte die DRK-Präsidentin. "Bisher gibt es nur eins." Mit einem solchen Modul könnten jeweils bis zu 5.000 Menschen aufgenommen, betreut und umfassend versorgt werden.
Viele Pegelstände weiterhin über höchster Meldestufe
Zahlreiche Pegelstände von Flüssen in Niedersachsen sind wegen des anhaltenden Hochwassers weiterhin über der höchsten Meldestufe. Das geht aus einer Übersicht des Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz vom Morgen hervor. Betroffen sind mehrere Orte an der Weser, Aller und Leine. In einigen Orten sank der Pegelstand demnach um mehrere Zentimeter, in mehreren stieg er hingegen leicht an.
In Drakenburg an der Weser lag der Pegelstand am Dienstag um 7 Uhr demnach 16 Zentimeter über der höchsten Meldestufe, wie auch in der Gemeinde Dörverden. Laut DWD ist am Dienstag gebietsweise Dauerregen mit 30 bis 40 Litern Regen pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden zu rechnen. Auch am Mittwoch soll es regnerisch bleiben.
Lilienthal sperrt Wälder
In der vom Hochwasser bedrohten Gemeinde Lilienthal bei Bremen dürfen zwei Wälder nicht mehr betreten werden. Die Böden seien derart aufgeweicht, dass die Standsicherheit einiger Bäume nicht mehr gegeben sei, heißt es in der entsprechenden Allgemeinverfügung.
Das Verbot gelte solange, bis Kontrollen ergeben, dass die Wälder wieder als sicher gelten. Die Allgemeinverfügung wurde am Neujahrstag veröffentlicht und betrifft die Wälder Butendieker Gehölz und Mittelholz.
In Lilienthal dürfen wegen des Hochwassers auch die Deichanlagen und die deichnahen Bereiche nicht betreten werden. Sie seien derart aufgeweicht, dass die Gefahr bestehe, dass sie brechen, teilten die Behörden mit. Wegen des Hochwassers in der Gemeinde nahe Bremen mussten einige Bewohnerinnen und Bewohner vorübergehend ihre Wohnungen und Häuser verlassen.
Entspannung im Serengeti-Park
Im Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen hat sich die Lage dagegen weiter entspannt. Das Wasser ging erneut zurück, wie eine Sprecherin des Freizeitparks nördlich von Hannover der Nachrichtenagentur dpa sagte. Die Hauptzufahrtsstraße zum Park sei wieder befahrbar. Es gebe jedoch weiterhin keine zentrale Stromversorgung, Generatoren kämen zum Einsatz.
"Manche Tiere sind nach wie vor in Behelfsunterkünften", sagte die Sprecherin - etwa Streifengnus und Erdmännchen. Wann die Tiere wieder in ihre eigentlichen Unterkünfte zurück können, sei noch nicht abzusehen. Die Gehege müssten wieder mit Strom versorgt und gründlich desinfiziert werden, sagte die Sprecherin. Zur Schadenssumme könne noch nichts gesagt werden.
Steigende Pegelstände auch in Thüringen
Auch an der Werra in Südthüringen steigt der Wasserstand seit dem Morgen wieder an. Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz in Jena ist im Tagesverlauf und vor allem in der Nacht zum Mittwoch damit zu rechnen, dass einige Pegelstände wieder den Meldebeginn erreichen.
Der DWD warnt in Teilen Thüringens vor ergiebigem Dauerregen bis Freitag, dies gilt vor allem für den südwestlichen Thüringer Wald und den Südharz. In Nordthüringen werden deutliche Anstiege der Wasserstände an Zorge und Bere sowie an der Unstrut erwartet.
Am Morgen hatten zunächst vier Pegel in Thüringen den Meldebeginn wieder überschritten. Betroffen waren die Nahe in Hinternah, die Unstrut in Oldisleben, die Saale in Saalfeld-Remschütz und die Bere im nordthüringischen Ilfeld. An der Helme im Kyffhäuserkreis soll im Laufe des Tages entschieden werden, ob ein Deichdurchbruch bei Mönchpfiffel-Nikolausrieth nochmals vertieft wird, um Hochwasser auf Felder abzuleiten. Der Deich war am vergangenen Donnerstag kontrolliert auf einem Teilstück von Baggern geöffnet worden, um eine Überflutung des 300-Einwohner-Ortes zu verhindern.
Am Silvestertag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz ein Hochwassergebiet in Niedersachsen besucht, einen Tag später Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Sie sagte weitere Unterstützung zu.