Ukraine-Krieg Welche Hilfen sinnvoll sind - und welche nicht
Sie organisieren Hilfstransporte, sammeln Kleider, Medikamente und Hygieneartikel für die Ukraine. Die Hilfsbereitschaft in Deutschland ist groß. Aber nicht jede Hilfe ist auch sinnvoll. Was ist gut - und was nur gute Absicht?
Kroppach im Norden von Rheinland-Pfalz, morgens kurz vor sieben Uhr. Nach einer langen Reise von der polnisch-ukrainischen Grenze kommen 13 ukrainische Frauen und Kinder auf einem unscheinbaren Parkplatz an - im ersten von zwei großen Reisebussen einer kleinen privaten Hilfsorganisation aus dem Westerwald. Viele Plätze sind frei geblieben, denn mehr wollten auf dieser Fahrt nicht mit, sagt Busunternehmer Ulrich Meutsch.
Meutsch hat die Hilfsfahrten organisiert: "Ich versteh' die Flüchtlinge", sagt er. Teilweise seien sie bereits 1300 Kilometer von zu Hause weg, noch weiter wollten sie nicht. "Viele sind der Meinung, nächste Woche ist alles vorbei und sie können zurück." Andere wollten zu ihren Bekannten und Verwandten. Trotzdem hätte er gern mehr Menschen mitgenommen: "Wir hatten uns mehr erhofft. Wir haben gedacht, die warten und würden mitfahren. Aber die denken anders als wir."
Sein zweiter Bus, der am nächsten Tag in Krakau startete, war dagegen voll. Bei Fahrten anderer Organisationen aus anderen Regionen stehen die Menschen wiederum sogar Schlange, um mitzukommen.
Die, die mit Meutsch in den Westerwald gefahren sind, sind sehr dankbar - wie Valeria Krokovna. Sie ist mit ihren Kindern und ihrer Mutter aus Dnipro in der Nähe von Kiew geflohen und nun erleichtert und glücklich über den herzlichen Empfang.
"Hier ist alles ein Chaos"
Auf der Hinfahrt nach Korczowa an der polnisch-ukrainischen Grenze hatten Busunternehmer Meutsch und sein Team knapp acht Tonnen Hilfsgüter mitgenommen - Babynahrung, Hygieneartikel oder Konserven. Sie haben sich gut vorbereitet, liefern gezielt an Kontaktpersonen aus Polen und der Ukraine. Doch die Lage an der Grenze, zwischen Hilfs- und Flüchtlingskonvois, ist mehr als unübersichtlich, beschreibt Meutsch: "Hier ist alles ein Chaos. Hier tritt einer dem anderen auf die Füße, keiner weiß was. Es ist vielleicht auch für die Leute schwer, die sind zum ersten Mal in so einer Situation, wo sie überrannt werden."
Seiner ist einer von aktuell sehr vielen privaten Hilfskonvois im Grenzgebiet. Zu vielen? Ja, sagen Experten. Nicht alle seien sinnvoll. Meike Nelles vom Deutschen Roten Kreuz rät vor allem davon ab, ohne Absprachen auf eigene Faust anzureisen: "Unsere Schwestergesellschaften haben uns deutlich gesagt, dass es große Stauungen in den Grenzregionen gab. Zusätzlich einfach auch nochmal Menschen, die die sowieso schon überlastete Infrastruktur nochmal herausfordern."
Busunternehmer Ulrich Meutsch aus dem Westerwald hat die Hilfsaktion für Kriegsgeflohene organisiert.
Gut gemeint?
Auch wenn die Hilfsbereitschaft groß und die Hilfe gut gemeint und ist, führt sie nicht immer zum Ziel. Bilder in sozialen Medien sollen Kleiderberge an der ukrainischen Grenze zeigen. Und Helfer vor Ort warnen in internen Mails davor, dass manche "herzerwärmenden Initiativen richtig schlecht enden".
Das sehen auch Experten so. Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen, sagt: "Wir müssen leider jetzt schon beobachten, dass solche Eigeninitiativen letztlich ratlos im Grenzgebiet enden und Sachspenden nicht übergeben werden können. Die Gefahr ist einfach groß, dass genau diese Güter dort einfach nur auf dem Müll landen."
Noch deutlicher sagt es die Bundesregierung: "Fahren Sie nicht in die Ukraine!", heißt es auf der Homepage des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: "Bitte fahren Sie ebenfalls nicht in die Grenzregionen der Ukraine, um die koordinierten Hilfsmaßnahmen nicht zu stören. Wenn Sie diesen Rat nicht befolgen, gefährden Sie sich und andere Menschen vor Ort."
Wie lässt sich den Ukrainern am besten helfen?
Der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk hat konkrete Vorstellungen: "Worum wir am meisten bitten würden, sind vor allem Geldspenden." So sieht das auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe: "Geldspenden können im Gegensatz zu Sachspenden bedarfsgerechter und zielgenauer an die Menschen in Not verteilt werden. Damit können Hilfsgüter dort gekauft werden, wo sie benötigt werden." Das Amt gibt Tipps, wie man seriöse Spendenorganisationen erkennt.
Unbestritten ist: Gezielte Hilfe bleibt in der am schnellsten wachsenden Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg weiterhin an vielen Stellen bitter nötig. Wichtig sei in Deutschland nun vor allem eine gleichmäßige Verteilung und Unterstützung, fordern die Kommunen. Die Verbandsgemeinde Hachenburg hat bereits in kürzester Zeit Übergangs-Unterkünfte für die Geflüchteten aus den Westerwälder Reisebussen vom Wochenende organisiert.
Valeria Krokovna und die anderen sollen später auf Familien in der Region verteilt werden. Sie haben zunächst einen Aufenthaltsstatus von einem Jahr. Krokovna und ihre Kinder fühlen sich direkt wohl und wollen gern im Westerwald bleiben, sagt sie. Die Ukrainerin will versuchen, hier eine Arbeit zu bekommen und irgendwann auch ihren Mann nachholen - vielleicht ja sogar mit Unterstützung der privaten Helfer, die auch sie und ihre Kinder nach Deutschland brachten.