Pflegepersonal in der Pandemie Keine Impfung, keine Ansprüche
Im Jahr 2022 war eine Corona-Impfung für Pflegepersonal Pflicht. Ungeimpfte Mitarbeiter wurden teils ohne Gehalt freigestellt - zu Recht, wie nun das Bundesarbeitsgericht entschied. Eine Abmahnung sei aber zu viel gewesen.
Arbeitnehmern, die sich während der Corona-Pandemie trotz gesetzlicher Pflicht nicht gegen das Virus haben impfen lassen und deshalb freigestellt wurden, stehen im Nachhinein weder Gehaltsnachzahlungen noch Urlaub zu. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt hervor (5 AZR 167/23). Geklagt hatte eine Frau aus Nordrhein-Westfalen, die vom Betreiber eines Seniorenheims wegen fehlenden Impfschutzes im Jahr 2022 über Monate freigestellt wurde.
Der Frau stehen nach der Entscheidung des Fünften Senats weder Gehaltsnachzahlungen von etwa 6.000 Euro noch knapp 13 gestrichene Urlaubstage zu. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte damit eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf.
In einem zweiten Fall einer Altenpflegerin aus Baden-Württemberg entschieden die Bundesarbeitsrichter, dass eine Abmahnung wegen fehlenden Impfnachweises nicht gerechtfertigt sei (5 AZR 192/23).
Das Tätigkeitsverbot stand vom 16. März bis Ende 2022 im Infektionsschutzgesetz. Es sei hinreichend deutlich, dass es bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheits- und Sozialbereich um den Schutz kranker und pflegebedürftiger Menschen ging, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Linck in der Verhandlung. Eine Beschäftigung von Ungeimpften sei Arbeitgebern schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, so der Vizepräsident des Bundesarbeitsgerichts (BAG).
Verfassungsbeschwerde 2022 zurückgewiesen
Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im April 2022 eine Verfassungsbeschwerde gegen die heftig umstrittene einrichtungsbezogene Impfpflicht zurückgewiesen. Zu Konflikten hatte geführt, dass eine ursprünglich diskutierte allgemeine Impfpflicht in Deutschland nicht eingeführt wurde.
Die Klägerin, deren Fall beim BAG verhandelt wurde, war als Alltagsbegleiterin für Senioren eingesetzt und arbeitete in Teilzeit. Sie verfügte weder über einen Impf- noch einen Genesenennachweis oder eine ärztliche Bestätigung, dass sie nicht gegen das Coronavirus geimpft werden kann. Ihr Arbeitgeber meldete das dem zuständigen Gesundheitsamt.
Von April 2022 an stellte der Heimbetreiber die Frau wegen des fehlenden Immunitätsnachweises ohne Lohnfortzahlung frei. Ihr Urlaubsanspruch wurde anteilig pro Monat um ein Zwölftel reduziert. Erst im September erließ das Gesundheitsamt für sie ein Beschäftigungsverbot - bis Ende 2022.
Das Infektionsschutzgesetz habe Arbeitgebern einen Ermessensspielraum eingeräumt, sagte der Richter. Die Gesundheitsämter seien in der Corona-Zeit vielfach hoffnungslos überlastet gewesen. Linck widersprach damit der Meinung der Klägerin, ihr Arbeitgeber hätte sie bis zu einer behördlichen Entscheidung weiter beschäftigen müssen. Die Reduzierung ihres Urlaubsanspruchs sei rechtens, weil er durch sie beeinflussbar aus der geringeren Zahl an Arbeitsmonaten resultiere.
Entscheidung gegen Impfung muss respektiert werden
Der Vorsitzende Richter machte aber auch deutlich, dass die Entscheidung von Menschen gegen Corona-Impfungen zu respektieren sei. Nach Angaben des Arbeitgeber-Anwalts sind in dem betreffenden Seniorenheim rund 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Während der Corona-Zeit hätten drei von Ihnen keinen Impfnachweis erbracht und seien ohne Bezüge freigestellt worden.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte entschieden, dass der Schutz sogenannter vulnerabler Gruppen verfassungsrechtlich schwerer wiegt als die Beeinträchtigung der Grundrechte für Mitarbeitende im Pflege- und Gesundheitsbereich.
Vom 16. März bis Jahresende 2022 durften in Arztpraxen sowie Gesundheits- und Pfleeeinrichtungen nur Personen arbeiten, die nachweisen konnten, dass sie gegen Covid-19 geimpft oder davon genesen waren oder eine Impfunverträglichhkeit aufwiesen. Bei fehlendem Nachweis musste der Arbeitgeber dies dem Gesundheitsamt melden. Die Behörde konnte dann ein Arbeitsverbot aussprechen.