Coronavirus in Deutschland Impfpflicht-Verstöße offenbar kaum geahndet
Die umstrittene einrichtungsbezogene Impfpflicht ist Ende 2022 ausgelaufen. Verstöße dagegen blieben laut einem Bericht meist ohne Folgen: Bei knapp 270.000 Verstößen seien in rund 8250 Fällen Sanktionen verhängt worden.
Zur Durchsetzung der Impfpflicht für das Personal von Kranken- und Pflegeeinrichtungen in Deutschland sind laut einem Zeitungsbericht nur in geringem Umfang Sanktionen verhängt worden. Den knapp 270.000 Verstößen gegen das von März bis Ende Dezember 2022 geltende Gesetz stehen rund 8250 Bußgeldverfahren oder Tätigkeitsverbote gegenüber, davon 6975 Bußgeldverfahren. Das ergab eine Umfrage der "Welt am Sonntag" bei allen 16 Landesregierungen. Fünf von ihnen machten der Zeitung zufolge in Teilen unvollständige Angaben.
Demnach meldeten die Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen den Gesundheitsämtern 268.889 Mitarbeiter, die keinen gültigen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorzeigen konnten. Die meisten Verstöße seien mit 62.184 in Bayern registriert worden (Stand Anfang Dezember), gefolgt von Sachsen mit 45.257 (Stand Ende Oktober).
Wohl Ermessensspielraum genutzt
Sieben Länder hätten angegeben, kein einziges Bußgeldverfahren angestrengt zu haben. Hier hätten die Gesundheitsämter offenbar den vom Gesetzgeber gewährten Ermessensspielraum genutzt und vor dem Hintergrund einer schlechten Personalausstattung in Krankenhäusern und Pflegeheimen keine Sanktionen verhängt.
Seit März 2022 mussten alle Menschen, die für Pflegedienste, in Kliniken oder Praxen arbeiteten, eine vollständige Corona-Impfung nachweisen. Ansonsten drohten Tätigkeitsverbote oder Bußgelder. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war zum Jahresende ausgelaufen. Dem Statistischen Bundesamt zufolge arbeiten in Deutschland 5,8 Millionen Menschen im Gesundheitssektor.
SPD-Politikerin Baehrens verteidigt Gesetz
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Heike Baehrens, verteidigte das Gesetz. "Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war eine sachgerechte und wichtige Maßnahme, um die Verletzlichsten in unserer Gesellschaft zu schützen", sagte sie der "Welt am Sonntag". Andrew Ullmann, der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, kritisierte indes die mangelhafte Umsetzung. "Bei allem Verständnis für Ressourcenengpässe und Personalmangel sollten die Länder auf Spurensuche gehen und analysieren, wieso geltendes Recht so spärlich durchgesetzt wurde", sagte er der Zeitung.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, kritisierte: "Die neuen Zahlen sind entlarvend. Sie zeigen: In weiten Teilen Deutschlands war die einrichtungsbezogene Impfpflicht faktisch nie in Kraft.“ Die unterschiedliche Handhabung des Gesetzes in den Ländern sei ungerecht, insbesondere aus Sicht jener Beschäftigten, denen die Arbeit tatsächlich untersagt worden sei.
Patientenschützer: "Sieben Monate andauernde Farce"
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht sich in ihrer Kritik an der Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen bestätigt. "Anstelle dieser sieben Monate andauernden Farce wäre ein bundesweit geltendes, tägliches Testregime der Weg gewesen, in der Alten- und Krankenpflege mit Corona zu leben", sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur. Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Erwartungen der Befürworter der Impfpflicht nicht erfüllt werden könnten, erklärte Brysch. "Denn auch Geimpfte geben das Virus weiter. Für alte, kranke und pflegebedürftige Menschen bleibt somit das Risiko der Ansteckung, des Leidens und Sterbens." Viele Bundesländer und Gesundheitsämter hätten die Wirkungslosigkeit dieses Gesetzes erkannt. So seien Fristen mehrfach verlängert worden, um Sanktionen so lang wie möglich hinauszuzögern oder gar nicht zu vollstrecken.