Jugendschutz bei E-Zigaretten "Wir sehen ein erhebliches Vollzugsdefizit"
Der Schwarzmarkt für E-Zigaretten wächst rasant. Ein Branchenverband warnt nun vor den Risiken - auch für den Jugendschutz. Doch die Industrie steht selbst in der Kritik.
Der Verband hat in Berlin nach eigenen Angaben in zahlreichen Shisha-Shops, Spätis und Kiosken Testkäufe durchgeführt. Das Ergebnis sei erschreckend. In etwa 75 Prozent der Shisha-Shops seien unerlaubte E-Zigaretten angeboten und verkauft worden. Bei den Spätis und Kiosken sei die Quote mit 20 Prozent zwar deutlich niedriger gewesen. Diese Anzahl sei aber immer noch erschreckend hoch und untragbar, schreibt der Verband des eZigarettenhandels (VdeH) in einer Mitteilung.
Man sei bereits mehrfach juristisch gegen Akteure vorgegangen, die sich nicht an geltendes Recht gehalten haben. Darüber hinaus seien Ministerien und Behörden wiederholt über die Missstände informiert worden. All dies habe jedoch bislang nicht zu grundlegenden Verbesserungen der Lage geführt. "Die Mitglieder des VdeH positionieren sich eindeutig gegen den Handel mit illegalen Produkten und gegen die Abgabe an Jugendliche. Wir sehen ein erhebliches Vollzugsdefizit seitens der zuständigen Behörden, wodurch dem Schwarzmarkt der Rücken gestärkt wird", beschwert sich Geschäftsführer Oliver Pohland.
Gefälschte E-Zigaretten mit falschem Nikotingehalt
Die gefälschten E-Zigaretten hätten meist einen zu hohen Nikotingehalt und eine zu große Füllmenge. Vielen Konsumenten sei dies gar nicht bewusst. Diese Produkte würden vor allem Jugendlichen angeboten. Oliver Pohland sagt, der Gesetzgeber selbst sorge somit dafür, dass Jugendliche ans Rauchen herangeführt würden: "Der Schwarzmarkt ignoriert sämtliche geltenden Gesetze und kann aufgrund mangelhafter Kontrollen und viel zu geringer Bußgelder ungehindert agieren", so Pohland.
In Deutschland dürfen seit April 2016 E-Zigaretten und E-Shishas an Kinder und Jugendliche nicht mehr verkauft werden. Unter 18-Jährigen ist es zudem nicht erlaubt, elektronische Zigaretten und Shishas zu konsumieren, unabhängig davon, ob die Liquids Nikotin enthalten.
Die aktuellen Ergebnisse der Drogenaffinitätsstudie 2023 der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigen aber, dass vor allem Einweg-E-Zigaretten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beliebt sind.
Vor allem E-Zigaretten bei Jugendlichen beliebt
6,7 Prozent der zwölf- bis 17-jährigen Jugendlichen dampfen demnach aktuell Einweg-E-Zigaretten und 17 Prozent haben es in ihrem Leben schon einmal probiert. "Damit ist es das Nikotinprodukt, das von Jugendlichen am häufigsten probiert wurde", sagt Stephanie Eckhardt, Leiterin des Referats Suchtprävention bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
"E-Produkte adressieren insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene, sind zum Taschengeldpreis erhältlich und täuschen mit süßen Aromen über die Schädlichkeit der Produkte hinweg. Daher stehen E-Zigaretten und E-Shishas, Vapes und Tabakerhitzer immer mehr im Mittelpunkt der Aufklärungsangebote der BZgA", so Eckhardt.
Für die Weltgesundheitsorganisation ist aber weniger der Schwarzmarkt in der Schuld als die Industrie selbst. Die WHO hatte jüngst die Unternehmen beschuldigt, Kinder mit Tricks so jung wie möglich süchtig machen zu wollen. E-Zigaretten würden in bunten Farben und mit beliebten Comicfiguren fast wie Spielzeug vermarktet. Unter den 16.000 Geschmacksrichtungen seien solche wie Kaugummi, Bonbon oder Vanilleeis, die eindeutig auf Kinder zielten.
E-Zigaretten allgegenwärtig
Der VdeH betont dagegen, dass seine Zielgruppe Erwachsene seien, die ihren Tabakkonsum reduzieren oder ganz einstellen wollten. Auch mit Geschmacksrichtungen wie Kaugummi richte sich die Industrie an Erwachsene. Sie hätten "eine Vorliebe für fruchtige und süße Aromen".
Auch wenn die klassische Werbung für E-Zigaretten gesetzlich beschränkt wurde, sind E-Zigaretten allgegenwärtig. Dies gilt besonders für das Internet, beispielsweise über Influencer, Musikvideos, Filme und Serien. "Diese Form der indirekten Bewerbung ist für junge Menschen schwer als Marketingstrategie der Hersteller erkennbar und wirkt daher besonders manipulativ", betont Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe.
Werbung durch "Influencer" besonders problematisch
Die Darstellung des Nikotinkonsums auf Social-Media-Plattformen könne sich negativ auf die Entwicklung von Jugendlichen auswirken, sagt auch Stephanie Eckhardt von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. "Das gilt insbesondere dann, wenn mögliche Risiken und negative Folgen des Konsums nicht thematisiert werden und der Konsum ausschließlich positiv dargestellt wird", so Eckhardt.
"Dass auch 2024 noch in jeder Tankstelle oder Supermarktkasse mit bunten Werbebildern für Tabak- und E-Zigaretten geworben werden darf, das geht einfach nicht", sagt der Bundesbeauftragte für Drogenpolitik, Burkhard Blienert. Er fordert ein komplettes Verbot von Einweg-E-Zigaretten. "Diese Produkte haben ein hohes Suchtrisiko und sind extrem umweltschädlich", sagte Blienert. "Sie führen dazu, dass Jugendliche in die Nikotinabhängigkeit geraten, von der sie nach vielleicht 30, 40 Jahren oder auch nie wieder loskommen."
E-Zigaretten in Australien nur noch in Apotheken
Anlässlich des Weltnichtrauchertags im Mai hatten Gesundheitsorganisationen verlangt, den Verkauf von Tabakprodukten und E-Zigaretten in Supermärkten und Tankstellen zu untersagen und nur noch in lizenzierten Fachgeschäften zu erlauben. Die Organisationen sprechen sich zudem für eine Einheitsverpackung bei Tabakprodukten aus, denn auch die Verpackung diene als Werbefläche. Marken sollten nicht mehr zu erkennen sein.
Australien ist jüngst einen radikalen Schritt gegangen. Hier dürfen E-Zigaretten ab sofort nur noch in Apotheken, in neutralen Verpackungen und ohne Aromastoffe verkauft werden. Demnach müssen Apotheker ihre Kunden über Gesundheitsrisiken aufklären, bevor sie Vapes verkaufen. Jugendliche unter 18 Jahren brauchen ein Rezept. Dies würde den Schwarzmarkt mit Sicherheit eindämmen. Doch ob so eine Maßnahme im Sinne des eZigarettenverbands wäre, ist dann doch eher fraglich.