Schulen und Kitas Stresstest Omikron
Bildung, Betreuung - schon lange eine Belastung in diesen Pandemie-Zeiten. Omikron erhöht den Stresslevel für Kinder, Eltern und Lehrkräfte. Die Infektionszahlen steigen, und vielerorts herrscht ein Regel-Chaos.
70 Corona-Fälle gibt es aktuell an der Anne-Frank-Realschule Plus in Mainz. Das sind rund zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler. Die Omikron-Variante breitet sich aus, dabei ist die Pandemie bereits seit zwei Jahren ein Stresstest für die Schulen. Bislang gilt in Rheinland-Pfalz: Ist ein Schulkind Corona-positiv, müssen diejenigen Klassenkameraden in Quarantäne, die in direktem Umkreis saßen. Aber nur, wenn sie nicht geimpft sind.
"Wir sollten auch geimpfte Kinder nach Hause schicken", fordert Ralf Früholz, Leiter der Mainzer Realschule. Aus Sicht des Pädagogen sei das die einzige Chance, Infektionsketten in der Schule zu unterbrechen, da sich ja auch Geimpfte mit Omikron infizieren und das Virus übertragen können.
Nun aber ändert die rheinland-pfälzische Landesregierung die Regeln: Von kommender Woche an müssen auch direkte Sitznachbarn eines infizierten Schülers nicht mehr automatisch in Quarantäne, egal ob geimpft oder nicht. Stattdessen sollen alle Kinder einer betroffenen Klasse täglich getestet werden, frisch geimpfte oder genesene Schüler allerdings nur auf freiwilliger Basis. Schulleiter Früholz kann die Neuerung nicht nachvollziehen.
Andere Bundesländer handhaben es ähnlich wie Rheinland-Pfalz. Auch in Baden-Württemberg und Hessen zum Beispiel muss nur der infizierte Schüler in Isolation. Die übrigen Kinder der Klasse werden täglich getestet, frisch Geimpfte und Genesene sind dazu auch hier allerdings nicht verpflichtet.
In Bayern entscheiden die Gesundheitsämter im Einzelfall, ob ein Kind aus dem Umfeld des infizierten Klassenkameraden in Quarantäne muss oder nicht. Das hängt auch vom Impfstatus ab oder beispielsweise von der Frage, ob es Luftfilter im Klassenraum gibt. Auf jeden Fall aber gilt in Bayern für alle Schulkinder eine Testpflicht, egal, ob geimpft oder nicht.
Das würde sich der Mainzer Schulleiter Früholz auch für seine Schule in Rheinland-Pfalz wünschen. Sein Ziel: den Präsenzunterricht aufrechterhalten. "Zuhause lernen hat bei vielen unserer Schüler hier nicht funktioniert, die haben wir bildungstechnisch verloren. Und für die Psyche mancher war es ganz schlimm ohne die soziale Einbindung in der Schule."
Präsenzunterricht ja, aber sicher
Die Meinungen unter Eltern sind in Coronazeiten so unterschiedlich wie in der Gesellschaft insgesamt. Dennoch: Die Vorsitzende des Bundeselternrats, Christiane Gotte, äußert sich kritisch, was Ausnahmen bei der Testpflicht für geimpfte und genesene Schüler angeht: "Wir wissen doch, dass auch Geimpfte Überträger des Virus sein können." Die Elternschaft sei mehrheitlich für Präsenzunterricht, aber für sicheren Präsenzunterricht.
Für Berliner Schulen wurde angesichts steigender Infektionszahlen die Präsenzpflicht gerade ausgesetzt, zunächst bis Ende Februar. Das heißt, Eltern können nun selbst entscheiden, ob ihre Kinder die Schule besuchen oder zu Hause Aufgaben lösen und lernen. So soll nach Angaben der Regierenden Bürgermeisterin einerseits der Schulbetrieb aufrechterhalten und gleichzeitig auf die Sorgen von Eltern Rücksicht genommen werden.
Aus Sicht der Vorsitzenden des Bundeselternrats sollte eine Aussetzung der Präsenzpflicht wie in der Hauptstadt keine Lösung für Gesamtdeutschland sein. Für die Mehrheit des Bundeselternrats habe Präsenzunterricht klar Vorrang, so Gotte. Grundsätzlich sieht der Bundeselternrat die Schulen für einen möglichen Wechsel zum Distanzunterricht unzureichend vorbereitet und kritisiert fehlende einheitliche Standards.
Für Kritik sorgt auch die geplante Beschränkung von PCR-Tests auf Klinikpersonal und Risikogruppen. Bildungsverbände fühlen sich übergangen. In Nordrhein-Westfalen gibt es ab sofort für Grundschulkinder, die per Lollitest positiv getestet wurden, keine Kontrollen mit PCR-Tests mehr.
KMK will offene Schulen
Bundesweit waren zuletzt rund 143.000 Coronafälle bei Kindern und Jugendlichen an Schulen bekannt. Karin Prien, die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, hält es angesichts der aktuellen Infektionszahlen für verantwortbar, dass die Schulen offen bleiben: "Ein Wechsel in den Distanzunterricht ist mit Blick auf die psychosozialen Folgen, die Kinder und Jugendliche in der Pandemie bisher erlitten haben, nur in Ausnahmesituationen eine Alternative."
Soweit die Gesundheitsämter nicht punktuell zu einer anderen Bewertung kämen, könne der Präsenzunterricht unter verstärkten Hygienemaßnahmen stattfinden, sagt Prien. Dazu gehöre die Maskenpflicht in der Schule, aber auch ein intensives Testregime und Lüftungskonzepte.
Testpflicht für einjährige Kita-Kinder
Auch für Kitas sind die bundesweit steigenden Infektionszahlen eine Belastungsprobe. In Berlin gilt seit dieser Woche eine Testpflicht für Kita-Kinder ab einem Jahr. Eltern erhalten von der Betreuungseinrichtung Lollitests. Dreimal in der Woche müssen sich Kinder testen lassen. Ungetestete dürfen nicht in die Kita.
Auch Niedersachsen hat eine Verschärfung der Teststrategie für Kinder angekündigt. Künftig sollen Tests auch in Kitas Pflicht werden, für Kinder ab drei Jahren. Bislang waren sie freiwillig. In rheinland-pfälzischen Kitas gibt es hingegen keine Testpflicht. Hier sind - trotz steigender Infektionszahlen im Land - ausschließlich anlassbezogene Tests vorgesehen. Und daran will die Landesregierung auch weiter festhalten.
Kritik vom Kita-Fachkräfteverband
Kritik kommt von Erzieherinnen und vom Kita-Fachkräfteverband in Rheinland-Pfalz. Gerade erst habe ein Kleinkind mehrere Mitarbeiterinnen angesteckt, berichtet Kerstin Wagner. Sie ist Leiterin der Kita "Birkenbergstrolche" in der Nähe von Bad Kreuznach. Dort werden fast 140 Kinder betreut. "Wir fänden es wichtig, dass wir gleichbehandelt werden mit Schulen." Dort werde jetzt dreimal die Woche anlasslos getestet.
Der Landeselternausschuss hingegen lehnt eine Testpflicht in Kitas mehrheitlich ab: "Das würde keinen relevanten Sicherheitsgewinn in der derzeitigen Omikron-Situation bringen, allerdings erhebliche Schäden bei den Kindern und Familien hervorrufen", betont Andreas Winheller, Vorsitzender des Landeselternausschusses.
Kitaleiterin Wagner ist sich der Zwänge vieler Eltern, die auf Betreuung angewiesen, bewusst: "Wenn mir aber dann mein Personal ausfällt, weil es infiziert ist, führt das zu verkürzten Öffnungszeiten." Die Pädagogin hält eine Testpflicht für Kleinkinder in einer Gemeinschaftseinrichtung für notwendig - und auch zumutbar.